Interview • Kontroverses Kontrastmittel
Gadolinium in der Herz-MRT – zu Risiken und Nebenwirkungen
Sind Gadolinium-haltige MR-Kontrastmittel gesundheitsschädlich? Spuren des giftigen Elements lassen sich im Gehirn von Patienten, die mehrfach kontrastmittelgestützte MR-Untersuchungen erhalten haben, nachweisen. Die Frage, welche klinische Relevanz diese Befunde haben, ist ungeklärt.
Interview: Karoline Laarmann
Gadolinium kann aber nicht nur langfristige, sondern auch akute Folgen auslösen. Im MR-Register der European Society of Cardiovascular Radiology (ESCR) werden klinische Daten von über 100 medizinischen Institutionen aus ganz Europa gesammelt, darunter auch zu mutmaßlichen Kontrastmittelnebenwirkungen, die unmittelbar während einer kardialen MR-Untersuchung auftreten. In Zusammenarbeit mit dem früheren ESCR-Präsidenten Prof. Dr. Matthias Gutberlet (Abteilung für diagnostische und interventionelle Radiologie, Herzzentrum Leipzig) und den am MR-Register teilnehmenden Partnerkliniken hat Dr. Johannes Uhlig, Radiologe der Universitätsmedizin Göttingen, die akuten Nebenwirkungen von Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln in der kardialen MRT untersucht. Erste Ergebnisse seiner Forschung präsentiert er auf dem Deutschen Röntgenkongress 2018.
Dr. Uhlig, Gadolinium ist ein MRT-Kontrastmittel, das für die Bildgebung in den verschiedensten Organen eingesetzt wird. Warum haben Sie sich speziell mit der Herzbildgebung befasst?
Beim Herz-MRT haben wir es mit einem besonderen Patientenkollektiv zu tun, das häufig multimorbid ist und dadurch ein sowieso schon erhöhtes allgemeines Komplikationsrisiko aufweist. Hinzu kommt, dass bei der Untersuchung oft zusätzlich pharmakologische Stressoren verwendet werden. Sprich, Medikamente, die das Herz wie unter Belastung pumpen lassen. Es war daher interessant zu sehen, ob es bei Herzpatienten häufiger zu Kontrastmittelreaktionen kommt als gewöhnlich und welchen Einfluss das Zusammenspiel von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln und pharmakologischen Stressoren auf das Nebenwirkungsrisiko hat.
Von was für Nebenwirkungen sprechen wir hier genau?
Die Kontrastmittelnebenwirkungen werden in drei Stufen eingeteilt: milde, moderate und schwere Nebenwirkungen. Die meisten Nebenwirkungen, die in der Studie beobachtet werden konnten, gehören zu den ersten beiden Kategorien. Das äußert sich dann meist in Übelkeit bis hin zu Erbrechen oder auch durch einen Hautausschlag. Zu den schweren Nebenwirkungen zählen Luftnot oder anaphylaktische Reaktionen bis hin zum Herzstillstand. In der gesamten Datenbank war aber nur eine einzige Reanimationsmaßnahme im MR verzeichnet. Inwiefern diese auf das Kontrastmittel oder auf den allgemeinen Status des Patienten zurückzuführen ist, kann ich nicht sagen.
Wie verbreitet sind akute Reaktionen schlussendlich?
Was überrascht hat: Einzelne Kombinationen von bestimmten Kontrastmitteln und Stressoren erhöhten das Nebenwirkungsrisiko um bis zu fünf Prozent
Zunächst einmal sind die Erkenntnisse mit Einschränkungen zu betrachten, da sie auf retrospektiv erhobenen Registerdaten basieren. Aber sie führen zu der Annahme, dass Gadolinium-haltige Kontrastmittel gut verträglich sind und nur in sehr seltenen Fällen zu Reaktionen führen. In der Studienpopulation mit 72.839 Patienten lag die Zahl der akuten Nebenwirkungen bei 0,36 Prozent. Unter Stressoren erhöhte sich die Zahl auf 0,75 Prozent. Was allerdings überrascht hat: Einzelne Kombinationen von bestimmten Kontrastmitteln und Stressoren erhöhten das Nebenwirkungsrisiko um bis zu fünf Prozent. Ob es sich aber wirklich um ein Medikamentenrisiko handelt oder andere Umstände eine Rolle spielten, kann anhand der vorliegenden Daten nicht abschließend geklärt werden.
Was bedeuten diese Ergebnisse für die medizinische Versorgung?
Sicherlich müssen die Ergebnisse noch einmal in größeren, prospektiven Studien validiert werden. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich jedoch sagen, dass die kardiale MRT mit Gadolinium selbst bei schwer erkrankten Herzpatienten sicher scheint. Inwieweit gewisse Kombinationen von Präparaten zu vermeiden sind, gilt ebenfalls noch zu klären. Die allgemeine Frage ist, ob sich die MRT oder andere Bildgebungsverfahren überhaupt technisch so weit perfektionieren lassen, dass in Zukunft ganz auf den Einsatz von Kontrastmitteln verzichtet werden kann, um an die gleiche diagnostische Aussagekraft heranzukommen.
Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Uhlig.
Profil:
Dr. Johannes Uhlig arbeitet seit August 2016 als Radiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Universitätsklinik Göttingen. Er studierte Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau und absolvierte einen Master of Public Health an der Harvard University in Cambridge, USA. Zudem ist er Associate Research Fellow an der Yale University in New Haven, USA.
Veranstaltungshinweis
Mi, 09.05.18, 14:40-14:50:
Akute Nebenwirkungen nach Verabreichung Gadolinium-haltiger Kontrastmittel in der kardialen MRT: Ergebnisse des European Society of Cardiovascular Radiology (ESCR) MR Registers mit 72.839 Patienten.
J. Uhlig (D-Göttingen)
Wissenschaftliche Sitzung: Herzdiagnostik I – Kardio over all
09.05.2018