Interview • Kinderradiologie
Epilepsie bei Kindern – die Rolle der Bildgebung
Pädiater weisen gerne darauf hin, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind. Das stellt auch PD Dr. Mark Born in seiner täglichen Arbeit immer wieder fest, wenn es um die Epilepsie-Diagnostik bei Kindern geht. Der leitende Kinderradiologe der Radiologischen Klinik des Universitätsklinikums Bonn sprach mit uns über die Bildgebung bei Epilepsie und über die wichtigsten Unterschiede zur Epilepsie-Diagnostik bei Erwachsenen.
Interview: Wolfgang Behrends
Wie häufig kommt Epilepsie bei Kindern vor und welche ‚falschen Fährten‘ erschweren die Diagnose?
Laut der einschlägigen Literaturleiden etwa 3 – 7 von 1000 Kindern an einer Form von Epilepsie. Epilepsie ist dabei keine eigene Erkrankung, sondern eher die Folge einer Erkrankung. Es gibt sehr verschiedene Anfallsformen und ganz unterschiedliche Ursachen, die zu epileptischen Anfällen führen können. Hierzu gehören zum einen verschiedene Gendefekte, die ursächlich für ein Anfallsleiden sein können. Diese Art von Epilepsie-Syndromen wurden früher häufig als idiopathische Epilepsie bezeichnet. Zum anderen gibt es Epilepsien, bzw. Anfälle, die durch eine fokale Veränderung im Gehirn ausgelöst werden. Ursachen hierfür können zum Beispiel Narben nach Blutungen oder Verletzungen sein sowie Entwicklungsstörungen des Gehirns oder Tumore. Aber auch Entzündungen oder akute Stoffwechselentgleisungen verursachen gelegentlich Anfallsleiden. Durch solche Ursachen ausgelöste Epilepsien wurden früher häufig als symptomatische Epilepsien bezeichnet, und werden heute eher als strukturell-metabolisch klassifiziert. Bei einem Teil der Epilepsiepatienten lässt sich bis heute die Ursache nicht klar identifizieren, sie werden als unklar bezeichnet (früher: kryptogen).
Welche bildgebenden Verfahren kommen zum Einsatz? Welche Vor- und Nachteile zeichnen sie aus?
Epilepsie oder das Vorhandensein einer Epilepsie wird anhand klinischer Symptome, mittels neurologischer Untersuchungen, EEG-Ableitungen etc. diagnostiziert. Mithilfe der Bildgebung können wir nur suchen, ob es eine (mögliche) Ursache für eine Epilepsie oder für aufgetretene Krampfanfälle gibt. Leider widerlegt ein unauffälliger Befund die Diagnose einer Epilepsie nicht. Als Bildgebung kommt fast ausschließlich die MRT zur Anwendung, die CT hat nur im Notfall, z.B. bei Verdacht auf eine frische Blutung, einen gewissen Stellenwert. Viele Läsionen lassen sich durch die CT gar nicht darstellen. Abgesehen davon, kommt die Strahlenexposition einer CT-Untersuchung hinzu, die bei Kindern, wenn möglich, vermieden werden sollte. Bei Neugeborenen und Säuglingen mit Krampfanfällen kann primär auch die Sonographie zum Einsatz kommen; oft wird sie allerdings im Verlauf durch die MRT ergänzt. Die Nachteile der MRT sind natürlich vor allem die lange Untersuchungsdauer, die häufig dazu führt, dass Kinder sediert oder narkotisiert werden müssen.
Was sind die wichtigsten Unterschiede zur Epilepsiediagnostik bei Erwachsenen?
In der Epilepsiediagnostik werden bei Kindern häufiger syndromale Formen und Fehlbildungen des Hirns gefunden als bei Erwachsenen. Im Erwachsenenalter neu auftretende Epilepsien sind oft strukturell-metabolisch. Darüber hinaus gibt es Epilepsieformen, die häufig oder nur bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Zusätzlich erschwert wird die Diagnostik vor allem bei unter 2-jährigen Kindern: Die im Rahmen der Hirnreifung stattfindende Myelinisierung in diesem Alter führt dazu, dass sich die Signalintensitäten des Hirnparenchyms ändern und die Kontraste zwischen grauer und weißer Substanz vorübergehend reduziert sind. Dies hat zur Folge, dass insbesondere kleine Läsionen schwerer zu detektieren sind oder der Diagnostik ganz entgehen. Im Zweifel sind dann Wiederholungsuntersuchungen im Verlauf indiziert.
Welche Botschaft möchten Sie den Kollegen beim Radiologiekongress für die Praxis mit auf den Weg geben?
Ganz wichtig sind in der Epilepsiediagnostik hochaufgelöste und nicht verwackelte Aufnahmen. Dann lässt sich bei Kindern mit dem ersten nichtfieberhaften Anfall in einem relevanten Anteil der Fälle eine Ursache finden. Viele Befunde sind jedoch sehr subtil und es bedarf häufig einer großen Expertise, um präzise zu diagnostizieren. Eine dezidierte Diagnostik, insbesondere bei einem negativem ersten MRT-Befund, sollte in einem spezialisierten Zentrum mit der entsprechenden Expertise erfolgen. Dort kommen in enger Kooperation mit der Neuropädiatrie eventuell auch weiterführende spezielle MRT-Untersuchungen wie beispielsweise die fMRI und Traktographie, aber auch weitere bildgebende Verfahren wie PET oder SPECT zum Einsatz.
Profil:
PD Dr. Markus Born studierte Informatik und Medizin in Karlsruhe, Lyon und Bonn. Seine Facharztausbildung als Diagnostischer Radiologe mit Schwerpunkt Kinderradiologie absolvierte er in Köln an den Städtische Kliniken, an der Universität Bonn und an der Asklepios-Kinderklinik in St. Augustin. Seit 2005 leitet er die Abteilung Kinderradiologie der Radiologischen Klinik der Universität Bonn.
07.11.2019