Ein „Maßanzug“ für die Bauchaorta

Bei der kathetergestützten Therapie des Bauchaorten-Aneurysmas handelt es sich um eine wahre Linzer Spezialität. Denn einer der Pioniere der Methode ist Prim. Dr. Manfred
Gschwendtner, diesjähriger Kongresspräsident und interventioneller Radiologe am Krankenhaus
der Elisabethinen hier in Linz. Bereits Mitte der 1990er-Jahre setzte er die erste Prothese an der Bauchaorta ein, seither haben sich sowohl Technik als auch Material enorm weiterentwickelt.

Prim. Dr. Manfred Gschwendtner
Prim. Dr. Manfred Gschwendtner
Prim. Dr. Manfred Gschwendtner
Prim. Dr. Manfred Gschwendtner

Doch trotz aller Fortschritte – auch was die computergestützte Berechnung betrifft – handelt es sich bei jedem Eingriff nach wie vor um handgefertigte Maßarbeit, die minutiös und von langer Hand geplant wird. Im Gespräch mit „radiologia bavarica“ verriet Dr. Manfred Gschwendtner die Herausforderungen und Tücken der Methode.

„Eine erste Hürde bei der kathetergestützten Therapie des Bauchaorten-Aneurysmas besteht darin, dass die Intervention eigentlich ausschließlich in einem Hybrid-OP durchgeführt werden sollte. Eine Voraussetzung, die in der Radiologie nur selten gegeben ist. Darum sind es häufig nach wie vor die Chirurgen, die diese Eingriffe mit ihren Mitteln durchführen“, so der Experte. Eine weitere Herausforderung kann die Anatomie des Aneurysmas selbst darstellen: Sobald es bis in die Abgänge der Nieren- oder Darmarterie reicht, müssen die Abzweige ebenfalls durch die Prothese gestützt werden. Dr. Gschwendtner: „In solchen Fällen setzen wir sogenannte gefensterte und ‚gebranchte‘ Prothesen ein, also solche mit Löchern beziehungsweise Beinchen für die Seitenäste.

Hier wird es kompliziert, denn natürlich müssen diese Löcher millimetergenau gestanzt werden – die Nierenarterien beispielsweise sind verschieden groß und stehen in ganz unterschiedlichen Winkeln zur Aorta. Die Planung der richtigen Prothese – die für jeden einzelnen Patienten individuell und exklusiv angefertigt wird – dauert darum oft mehrere Wochen; bis die Prothese schließlich fertig ist, vergehen bis zu drei Monate. Zwar hilft uns bei der Planung eine spezielle Software, der Mensch ist an dieser Stelle jedoch nicht ersetzbar.“ Konkret basiert die Vermessung einer solchen Fensterprothese auf dreidimensionalen CT-Bildern, aufgrund derer der Computer die Lokalisation der im Schnitt etwa sechs Millimeter großen Löcher errechnet und dem Operateur vorschlägt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese Computermessungen jedoch noch zu ungenau, sodass Gschwendtner und sein Team jede Prothese zusätzlich und in enger Abstimmung mit dem Hersteller auch per Hand planen.

Präzision ist hier Pflicht, denn neben den Kosten für eine solche Prothese, die zwischen 20.000 und 60.000 Euro liegen, spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. „Bei der derzeitigen Wartezeit für eine Prothese müssen wir ohnehin im Vorfeld genau voraussehen, wie hoch das Risiko ist, dass die Aorta vorher platzt. Eine Verzögerung können wir uns gar nicht leisten“, weiß Dr. Gschwendtner aus langjähriger Erfahrung. Ist die Prothese dann erst einmal korrekt geplant, kann sie aufgrund modernster Technologien mit den in der Chirurgie verwendeten vollauf Schritt halten. Der Eingriff selbst ist mit einer Dauer von mindestens zwei bis sechs (und mehr) Stunden zwar ebenfalls aufwendig, für den Patienten jedoch vergleichsweise schonend.

Ein entscheidender Vorteil, handelt es sich bei den Patienten doch häufig um ältere Menschen, für die eine große Operation meist nicht infrage kommt. Gibt es dennoch Verbesserungswünsche seitens des Experten? „Ein entscheidender Fortschritt in der nahen Zukunft muss in der schnelleren Verfügbarkeit der Prothesen liegen, damit der Eingriff zeitnah stattfinden kann und noch mehr Patienten von der Methode profitieren. Und schließlich müssen die Prothesen noch flexibler werden, damit wir auch komplizierteFälle wie etwa eine 90-Grad-Krümmung der Aorta minimalinvasiv therapieren können. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir diese Ziele in den kommenden Jahren erreichen werden“, schließt Dr. Gschwendtner.

 

Im Profil

Prim. Dr. Manfred Gschwendtner startete Mitte der 1980er-Jahre seine medizinische Karriere am Krankenhaus der Elisabethinen Linz, wo er heute noch als Leiter der radiologischen Abteilung tätig ist. Seine Expertise in den Bereichen der Angiografie und der interventionellen Radiologie verfeinerte Dr. Manfred Gschwendtner während mehrerer wissenschaftlicher Aufenthalte unter anderem in den USA und Frankreich. Als erster Radiologe in Österreich führte er die Stentimplantation in der Carotisarterie und die perkutane Vertebroplastie in die Praxis ein. Dr. Manfred Gschwendtner ist Mitglied der ÖRG, der CIRSE und der Österreichischen Gesellschaft für Angiologie. Des Weiteren gehört er zum Präsidententeam des Österreichisch-Bayerischen Röntgenkongresses 2010.

Veranstaltungshinweis

Samstag, 9. Oktober 2010, 09:10 Uhr–10:10 Uhr: Aorta
Vorsitz: Ch. Paetzel, Weiden und S. Thurnher, Wien

09:40 Uhr: Intervention abdominell
M. Gschwendtner, Linz

05.10.2010

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