Dual-Energy schärft den diagnostischen Blick
Wie funktioniert spektrale Bildgebung? Vom Effekt her ähnlich, wie das im Kontext der Schwarz-Weiß-Fotografie mit dem Anfertigen von Bildern einmal mit rotem und einmal mit grünem Licht realisiert wird.
So lassen sich mit einer Schwarz-Weiß-Kamera Rückschlüsse auf die Farben im Bild ziehen – erscheint beispielsweise ein Objekt in einem mit rotem Licht erstellten Foto schwarz, ist es von grüner Farbe. Licht unterschiedlicher Farbe wird durch unterschiedliche Photonenenergien erzeugt. „Analog gehen wir bei der spektralen Bildgebung mit Röntgenstrahlen vor, um mehr Aussagekraft in Bildern zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Thorsten Johnson. Er leitete bis vor Kurzem die CT-Abteilung des Klinikums der Universität München, hat die Entwicklung der Dual-Energy-Methode mitgeprägt und über Jahre mit seinem Team in vielfacher Anwendung bekannt gemacht.
Bei der spektralen Bildgebung wird das Röntgenbild mit einem üblichen Graustufen-Bildgebungsverfahren erstellt. Dabei kommen jedoch unterschiedliche Photonenenergien zum Einsatz. Gerätehersteller nutzen verschiedene Herangehensweisen.
Dual-Energy: mehr Information ohne ein Mehr an Strahlung
Der Hersteller Siemens packt zwei CTs mit zwei Röntgenröhren in ein Gerät. Diese Strahlenquellen lassen sich mit unterschiedlichen Beschleunigungsspannungen betreiben; sie feuern aus verschiedenen Winkeln, aber aus derselben Achsposition simultan auf zwei Detektoren. „Wir rekonstruieren aus beiden Projektionsdatensätzen Bilder“, beschreibt Johnson das weitere Vorgehen, „diese Bilder analysieren wir dann hinsichtlich spektraler Eigenschaften. Im Datensatz können wir die Substanzen identifizieren, die sich in ihrer Elementzahl unterscheiden, insbesondere schwere Elemente wie Jod, Xenon oder Kalzium.“ Bei den meisten Anwendungen – den erfolgreichsten – kommen Kontrastmittel zum Einsatz. Sie liefern Hinweise auf metabolische Aktivität, was zum Beispiel auf Tumoren hindeutet.
Die wertvollen Zusatzinformationen werden bei dieser Vorgehensweise mit der „normalen“ Dosis generiert – der Strom wird auf zwei Röhren verteilt. Diese neutrale Strahlenbilanz bei gleichbleibend hoher Bildqualität ist ein wichtiger Vorteil.
Weitere technologische Ansätze
Das schnelle Hin-und-her-Schalten unter Beeinflussung der Energie ist eine zweite Methode – GE verfolgt diesen Weg. Die sogenannte Rapid-KV-Switching-Technologie (RAKV) funktioniert allerdings nicht ganz dosisneutral, so der Münchner Experte. Und Philips bietet ein Gerät mit einem Detektor an, der zwei Szintillatorschichten mit unterschiedlicher Empfindlichkeit aufweist. In Abhängigkeit von diesen Kristallen, die Strahlung in Licht umwandeln, nimmt eine Fotodiode dann dieses Licht wahr.
Beispiele für Anwendungen
Die Anwendungsgebiete der spektralen Bildgebung sind äußerst vielfältig, erläutert Johnson: „So lässt sich durch die spezifische und quantitative Erkennung von Jod-Kontrastmittel bei Angiographien der gesamte Hintergrund einschließlich der Knochen wegnehmen. Das schafft einen besseren Überblick über die Verhältnisse in der jeweiligen Region und erleichtert somit signifikant die Befundung. Bei einer peripher arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) kann man beispielsweise einen Gefäßbaum einfacher erkennen und beurteilen.“ Bei intrakraniellen Aneurysmen beziehungsweise arteriovenösen Malformationen beschleunigen dreidimensionale Rekonstruktionen beziehungsweise Projektionsdarstellungen ohne Knochen die Beurteilung deutlich. Ein großer Vorteil bei Schlaganfällen ist die Schnelligkeit. In Großhadern waren „in der Zeit, in der ich die Abteilung leiten durfte, zwischen einem Drittel und der Hälfte der Protokolle zweckdienlich auf Dual-Energy gesetzt“, erinnert sich der Radiologe.
MRT als Konkurrenz
Die MRT steht laut Johnson klar im Wettbewerb zur spektralen Bildgebung. Die Patientenkollektive und die Ressourcensituation sind jedoch für die beiden Gerätetypen völlig unterschiedlich: MRTs sind meist nicht schnell verfügbar, die Aufnahmen brauchen Zeit. Die Verbreitung von Dual-Energy-CTs wiederum ist gering – unter anderem, weil bessere Bilder aus der Spektralbildgebung nicht gesondert honoriert werden.
Weitere Perspektiven
Wo geht die Entwicklung bei der spektralen Bildgebung hin? Noch leistungsfähigere Röntgenröhren – mit Spannungsänderung in 10er-kV-Schritten, einem höheren Maximum und dichteren Filtern – sind ein wichtiger Trend, so Prof. Johnson: „Diese neue Gerätegeneration liefert noch mehr spektralen Kontrast und somit Aussagestärke.“ Außerdem wird jetzt zunehmend nicht nur ein Bild gegen das andere gerechnet, sondern die Dosisoptimierung rückt, dank der Verfügbarkeit von Röhren mit Leistungsreserven, ins Blickfeld, weil der niederenergetische, weichere Anteil im Spektrum, der stark zur Strahlenbelastung beiträgt, weggeschnitten wird. Gearbeitet wird dann vorwiegend mit dem Anteil an Strahlung, der tatsächlich durch den Patienten hindurchgeht und nicht im Fettgewebe steckenbleibt: „Low-Dose-Untersuchungen, etwa der Lunge, werden mit diesem gefilterten Spektrum möglich.“
Inzwischen erscheinen auch Anwendungsgebiete, die bislang am Kontrast-zu-Rauschen-Niveau scheiterten, vielversprechend. So könnte die Visualisierung von Knochenmarksödemen durch technologische Verbesserungen der spektralen Bildgebung möglich werden. Auch Sehnen, Bänder und Knorpel mit ihrem schwachen Signal könnten sich, so die Perspektive, visualisieren lassen. Wie lotet man diese Potenziale aus? Klinisch indizierte Untersuchungen können „einfach mit der festgelegten Dosis spektral gefahren werden“, so Johnson, „so lässt sich dosisneutral feststellen, ob man Aussagen treffen kann“.
Wird sich der Experte, der viele Jahre als Wissenschaftler und Berater bei Siemens in Forchheim die Entwicklung der spektralen Bildgebung voranbrachte, an diesen neuen Trends beteiligen? Kürzlich wechselte Prof. Johnson im Klinikum – mit einem weinenden und einem lachenden Auge – in die Kernspintomographie: „Ich möchte dem Anspruch gerecht werden, sämtliche Modalitäten zu beherrschen. Sich nur bei der CT auszukennen, reicht nun einmal für die klinische Radiologie nicht aus“, so Prof. Johnson. Dennoch leitet er einige Forschungsprojekte mit der neuen Technologie und ist schon gespannt, ob weitere Anwendungen nicht nur technisch machbar, sondern in der klinischen Diagnostik nützlich werden.
Zusammengefasst
„Früher konnte man mit der CT nur die Morphologie betrachten und Rückschlüsse auf funktionelle Aspekte ziehen“, so Prof. Johnson, „Dual-Energy bringt einen zusätzlichen funktionellen Aspekt in die CT ein. So sieht man beispielsweise Perfusionsdefekte und erkennt, ob ein Nierenstein nur aus Harnsäure besteht, was sich medikamentös auflösen lässt, oder ob eine eingeblutete Nierenzyste kein Kontrastmittel aufnimmt und somit auch kein Karzinom ist. Diese Zusatzinformationen der funktionellen und molekularen Bildgebung im CT machen Befunde ohne weitere Dosisgabe weitaus spezifischer. Dass diese Methode, die ich mitgeprägt habe, heute weltweit in der klinischen Praxis und Forschung die gewünschten Vorteile bringt, erfüllt mich mit Freude.“
IM PROFIL:
Prof. Dr. Thorsten Johnson promovierte mit der Bestnote „summa cum laude“. Nach einem Forschungssemester im Bereich CT der Siemens AG in Forchheim folgten die Facharztausbildung, die Habilitation in der Radiologie sowie 2013 die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Prof. Johnson arbeitete als Oberarzt und Leiter des Funktionsbereichs Computertomographie am Institut für Klinische Radiologie des Klinikums der Universität München, seit 2013 ist er dort führend im Bereich MRT tätig. Für seine Leistungen wurde Prof. Johnson mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Er agiert als Gutachter in mehreren Editorial Boards und Gremien. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen auf der Bildgebung mit CT und MRT.
27.01.2014