Bildquelle: Uniklinikum RWTH Aachen
News • Wegweisende Ergebnisse
Brustkrebs-Früherkennung: MRT besser als Tomosynthese
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und nach wie vor die häufigste Krebs-Todesursache der weiblichen Bevölkerung in Deutschland – trotz aller bisherigen Bemühungen um Früherkennung und Behandlung. Eine technische Entwicklung aus Aachen, die nun international Karriere macht, hat das Potential, daran wirklich etwas zu ändern:
Die fokussierte Magnetresonanztomographie (MRT) erkennt Brustkrebs insbesondere bei Frauen mit dichtem Brustdrüsengewebe erheblich besser als die Mammographie oder ihre technische Weiterentwicklung, die Tomosynthese (3D-Mammographie). Das belegt eine große internationale Multicenter-Studie, die nun unter Federführung von Univ.-Prof. Dr. Christiane Kuhl, Uniklinik RWTH Aachen, im Journal of the American Medical Association (JAMA) erschienen ist.
Derzeit erkrankt eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge erhalten über 70.000 Frauen pro Jahr diese Diagnose; mehr als 17.000 sterben jährlich daran. Die gute Nachricht ist jedoch: Brustkrebs ist in der Regel heilbar oder sehr gut behandelbar, wenn er früh genug erkannt wird. Das Mammographie-Screening gehört seit 2009 in Deutschland zum gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramm. Die Mammographie ist zur Früherkennung von Brustkrebs gut geeignet, hat allerdings bei Frauen mit dichtem Drüsengewebe Schwächen. Daher tragen solche Frauen ein erhöhtes Risiko, dass ein Brustkrebs durch die Mammographie nicht oder nicht früh genug gefunden wird.
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Immer wieder kommt es zu kontroversen Diskussionen über den Nutzen eines Früherkennungsprogrammes für Brustkrebs. Deutschland, Österreich und die Schweiz verfolgen dabei jeweils eigene Wege. Wir geben einen Überblick über die Situation in den einzelnen Ländern und haben dafür mit drei Experten gesprochen.
Univ.-Prof. Dr. Christiane Kuhl, Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Uniklinik RWTH Aachen, arbeitet seit Jahren an verbesserten technischen Methoden zur Brustkrebs-Früherkennung. Die vielversprechendste Methode, die MRT der Brust (Mamma-MRT), ist das mit Abstand treffsicherste Untersuchungsverfahren, insbesondere für Frauen mit dichtem Drüsengewebe – allerdings auch das aufwändigste und teuerste. Daher steht die Mamma-MRT selektiv nur Frauen mit sehr hohem familiärem Erkrankungsrisiko, wie zum Beispiel Trägerinnen des Brustkrebs-Gens, zur Früherkennung zur Verfügung. „Das ist sehr unbefriedigend“, erklärt Prof. Kuhl, „denn zahlenmäßig erkranken bei weitem mehr Frauen ohne besondere familiäre Risiko-Situation an Brustkrebs. Auch für diese Frauen benötigen wir eine verbesserte Früherkennung.“
2014 hatte Prof. Kuhl das Konzept der „fokussierten MRT“ (engl.: abbreviated MRI) inauguriert, veröffentlicht im Journal of Clinical Oncology. Durch intelligente Präzisierung des Untersuchungsgangs konnte die Radiologin eine drastische Reduktion der Untersuchungszeit erreichen. „Dadurch wird die MRT insgesamt für Patienten nicht nur sehr viel besser tolerierbar, sondern es wird ein viel breiterer klinischer Einsatz möglich als bislang“, erklärt Prof. Kuhl. So zum Beispiel für die Früherkennung von Brustkrebs, die mittels fokussierter MRT innerhalb weniger Minuten mit unverändert hoher Treffsicherheit gelingt. Die jetzt erschienene Studie greift das Aachener Konzept auf und ermittelt seine Übertragbarkeit in die breitere klinische Praxis. Unter Förderung durch das US-amerikanische National Cancer Institute (NCI) wurde eine prospektive kontrollierte Multicenter-Studie an 47 Standorten in den USA sowie einem in Deutschland durchgeführt, die die Leistungsfähigkeit der fokussierten MRT mit der der Tomosynthese zur Früherkennung von Brustkrebs vergleicht. Dazu wurden 1.445 Frauen im Alter zwischen 40 und 75 Jahren (mittleres Alter: 54 Jahre) mit mitteldichter oder dichter Brust sowohl mittels Tomosynthese als auch mittels fokussierter MRT untersucht.
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MRT mit Kurz-Protokoll fischt aggressive Tumoren raus
Über die Sinnhaftigkeit von Brustkrebsscreeningprogrammen tobt seit Jahren ein Streit. Die Befürworter verweisen darauf, dass die frühzeitige Erkennung eines Mammakarzinoms vielen Frauen das Leben rettet. Die Gegner argumentieren, dass der Brustkrebs-Check, vor allem aufgrund von Überdiagnostik, mehr Schaden anrichtet, als er verhindert. Seit Kurzem aber taucht in der Diskussion immer…
Die Ergebnisse der Studie wurden nun mit Prof. Kuhl als korrespondierender Hauptautorin veröffentlicht. „Wir haben zum Vergleich mit der fokussierten MRT bewusst die Tomosynthese, also das derzeit ‚beste Pferd im Stall‘ unter den mammographischen Verfahren gewählt“, erläutert Prof. Kuhl. Die Tomosynthese hat in zahlreichen Studien bewiesen, dass sie eine etwas höhere diagnostische Genauigkeit bietet als die bislang für das Screening eingesetzte digitale Mammographie. „Wir wollten damit die Leistungsfähigkeit der fokussierten MRT mit der der neuesten mammographischen Untersuchungsmethode sozusagen zukunftssicher vergleichen“, so Kuhl.
Wenn eine fokussierte MRT zur Früherkennung durchgeführt wurde, dürfte eine zusätzliche Mammographie bzw. 3D-Mammographie somit entbehrlich sein
Christiane Kuhl
Die Ergebnisse zeigen: Selbst im Vergleich zu dieser verbesserten Mammographie-Methode ist die fokussierte MRT deutlich überlegen. „Wir haben damit 2,5 mal mehr Karzinome entdeckt als mit der Tomosynthese, und zwar sowohl invasive Karzinome, also den ‚richtigen‘ Brustkrebs, wie auch seine direkten Vorstufen, das sogenannte DCIS.“ Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass mittels fokussierter MRT sämtliche invasiven Brustkrebserkrankungen früh erkannt wurden. „Denn: Keine der Frauen entwickelte im weiteren Verlauf ein sogenanntes Intervallkarzinom“, unterstreicht Prof. Kuhl, „was insbesondere bei Frauen mit dichtem Brustdrüsengewebe einen enormen Erfolg darstellt.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Das Studiendesign erlaubte die Untersuchung der Leistungsfähigkeit von fokussierter MRT und Tomosynthese als eigenständige Methoden zur Früherkennung. Die Ergebnisse zeigen: Wenn eine fokussierte MRT zur Früherkennung durchgeführt wurde, ist der zusätzliche Beitrag der Mammographie bzw. Tomosynthese limitiert. „In unserer Studie wurde keines der invasiven Mammakarzinome nur mit der Tomosynthese gesehen. Wenn eine fokussierte MRT zur Früherkennung durchgeführt wurde, dürfte eine zusätzliche Mammographie bzw. 3D-Mammographie somit entbehrlich sein.“
Brustkrebs umfasst eine Gruppe sehr unterschiedlicher Erkrankungen, die sich im Hinblick auf ihre biologische Aggressivität und damit im Hinblick auf ihre Behandlungsbedürftigkeit erheblich unterscheiden. „Das Ziel der Früherkennung ist also nicht, nur immer mehr Brustkrebsherde aufzudecken. Vielmehr muss es das Ziel sein, die Früherkennung genau solcher Mammakarzinome sicherzustellen, die sich unbehandelt zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung weiterentwickeln können“, erklärt Prof. Kuhl. „Eben dies ist der Hauptvorteil der MRT: Die MRT erkennt Tumore umso sicherer, je rascher sie wachsen. Das bestätigen auch die Ergebnisse der JAMA-Studie: Gerade die entdifferenzierten, rasch wachsenden Karzinome waren in der fokussierten MRT zu erkennen – nicht dagegen in der Tomosynthese. Genau diese Brustkrebse müssen wir finden, wenn wir die Brustkrebs-Sterblichkeit wirklich senken wollen“, so die Radiologin.
Die Argumente kommen an: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert im Rahmen der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ praxisverändernde Studien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen. Darunter auch – vorbehaltlich einer positiven Begutachtung der laufenden Vorstudie – die ABBREMAS-Studie (ABbreviated Breast MRI for Risk-Adjusted Screening: A Prospective Randomized Controlled Clinical Trial), in der Prof. Kuhl mit einem großen Team das Konzept der fokussierten MRT innerhalb des qualitätsgesicherten deutschen Mammographie-Screening-Programms einem weiteren Praxistest unterziehen möchte.
Quelle: Uniklinikum RWTH Aachen
26.02.2020