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News • Jenseits des BMI

Adipositas als Krankheit neu definieren

Ein neuer Bericht der Kommission für Klinische Adipositas hat ein neues Konzept vorgestellt, das von über 75 medizinischen Organisationen unterstützt wurde.

Dieses Rahmenwerk überwindet die Schwächen der herkömmlichen BMI-basierten Diagnostik von starkem Übergewicht. Durch zusätzliche Messungen wie Körperfettanteil, Fettverteilung und individuelle Gesundheitswerte soll ein genauerer und persönlicherer Ansatz für die Behandlung von Adipositas ermöglicht werden. 

Der Bericht wurde in The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht.

Der BMI allein reicht als Diagnoseinstrument nicht aus, da er weder den Körperfettanteil direkt misst noch dessen Verteilung oder Auswirkungen auf die Gesundheit erfasst. Das führt häufig zu Fehldiagnosen: Überschüssiges Organfett mit erheblichen Gesundheitsrisiken bleibt oft unentdeckt, während Menschen mit viel Muskelmasse fälschlicherweise als adipös gelten. Das neue Rahmenwerk trägt diesen Herausforderungen Rechnung und unterstreicht, wie wichtig diagnostische Methoden sind, die sowohl den individuellen Gesundheitszustand als auch die Körperzusammensetzung berücksichtigen.

Die Kommission schlägt zwei Diagnosekategorien vor: klinische und präklinische Adipositas: 

  • Klinische Adipositas liegt vor, wenn überschüssiges Körperfett zu Organfunktionsstörungen oder erheblichen Einschränkungen im Alltag führt, wie zum Beispiel durch adipositasbedingte Herzinsuffizienz oder Gelenkschmerzen. 
  • Präklinische Adipositas bezeichnet Personen mit überschüssigem Körperfett, die zwar aktuell keine gesundheitlichen Probleme haben, aber ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten wie Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen tragen. 

Durch unser zunehmendes Verständnis von Adipositas erreichen wir einen entscheidenden Wendepunkt, an dem evidenzbasierte Rahmenwerke [...] eine zentrale Rolle dabei spielen werden, uns zu wirksameren und individuelleren Behandlungsansätzen zu führen

Matthias Tschöp

Um die Diagnostik zu verbessern, empfiehlt das Rahmenwerk, den BMI durch zusätzliche Methoden wie die Messung des Taillenumfangs oder direkte Körperfettanalysen zu ergänzen. So können Personen, die eine Behandlung benötigen, gezielter identifiziert werden, während unnötige Therapien für Menschen ohne akute gesundheitliche Probleme vermieden werden. Das Modell legt zudem großen Wert auf individuelle Betreuung. Menschen mit klinischer Adipositas sollten rechtzeitig evidenzbasierte Therapien erhalten, die die Organfunktion wiederherstellen und die Lebensqualität steigern. Für Personen mit präklinischer Adipositas steht die Verringerung zukünftiger Gesundheitsrisiken durch regelmäßige Kontrolle und präventive Maßnahmen im Mittelpunkt. 

„Wenn wir neue Methoden und Ansätze zur Behandlung von Adipositas, einschließlich der neuen Medikamente zur Gewichtsreduktion, erforschen, ist es entscheidend, unsere Diagnosekriterien an die individuellen Gesundheitsrisiken jedes Einzelnen anzupassen“, sagt der Co-Autor des Berichts, Prof. Matthias Blüher, Direktor des Helmholtz-Instituts für Stoffwechsel-, Adipositas- und Gefäßforschung sowie Professor für Klinische Adipositasforschung an der Universität Leipzig. „Aus eigener Erfahrung mit der Komplexität der Adipositas halte ich dieses Rahmenwerk für einen wichtigen Schritt, um den Patienten eine noch gezieltere und wirksamere Behandlung zu ermöglichen.“ 

„Die Genauigkeit bei der Diagnose und Behandlung von Adipositas ist entscheidend, wenn wir personalisierte Therapien entwickeln möchten“, erklärt der CEO von Helmholtz Munich, Prof. Matthias Tschöp, ebenfalls Co-Autor des Berichts sowie einer der Pioniere in der Entwicklung von GLP-1-basierten Therapien für Adipositas. „Durch unser zunehmendes Verständnis von Adipositas erreichen wir einen entscheidenden Wendepunkt, an dem evidenzbasierte Rahmenwerke – wie das von der Kommission eingeführte – eine zentrale Rolle dabei spielen werden, uns zu wirksameren und individuelleren Behandlungsansätzen zu führen. Dieser ganzheitliche Ansatz definiert Adipositas nicht nur als eine multifaktorielle Erkrankung neu, sondern ebnet auch den Weg für globale Gesundheitssysteme, eine gerechtere, effizientere und wirkungsvollere Versorgung zu ermöglichen.“ 


Quelle: Helmholtz Munich

20.01.2025

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