Krampfleiden

Wie erfolgreich sind OPs bei Epilepsien?

Mehr als 50 Millionen Menschen weltweit leiden unter Epilepsien. Die Ursachen, die das Krampfleiden auslösen, sind vielfältig. Bei etwa 30 Prozent der Patienten bleiben die Medikamente wirkungslos. Das ist insbesondere bei Epilepsien der Fall, die ihren Ursprung im Hippocampus (Schläfenlappen) haben. „Eine chirurgische Entfernung des Anfallsherdes kann bei diesem Epilepsietyp zu einer nachhaltigen Besserung der Symptome oder gar Heilung führen“, berichtet Prof. Dr. Bernd Weber von der Bonner Uniklinik für Epileptologie.

Prof. Dr. Bernd Weber von der Klinik für Epileptologie des...
Prof. Dr. Bernd Weber von der Klinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn.
Quelle: Rolf Müller/UKB-Ukom

Voraussetzung für den Eingriff ist eine möglichst genaue Lokalisation des Anfallsherdes im Gehirn. Trotzdem ist der Eingriff nicht bei allen Patienten erfolgreich - es kommt dann auch nach der Operation weiter zu Anfällen. Weshalb die Neurochirurgie nicht in allen Fällen der Temporallappenepilepsie helfen kann, ist noch nicht vollständig verstanden. „Ein großer Fortschritt wäre eine Methode, bereits vor der aufwendigen Operation besser einschätzen zu können, ob der Eingriff eine gute Aussicht auf Erfolg hat“, sagt Prof. Weber.

Nervenfasern übertragen elektrische Informationen

In einem Kooperationsprojekt unter der Leitung von Dr. Simon S. Keller von der Universität Liverpool, der Medizinischen Hochschule South Carolina und des King´s College in London wurde unter Beteiligung der Uniklinik für Epileptologie in Bonn eine umfangreiche Studie mittels sogenannter Diffusions Tensor Bildgebung (DTI) durchgeführt. Mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) wird dabei die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen in Nervenfasern des Gehirns gemessen. Die faserartigen Fortsätze der Nervenzellen übertragen wie eine Art Stromleitung elektrische Impulse und übermitteln damit Informationen.

Das Forscherteam untersuchte mit der DTI insgesamt 43 Patienten mit Schläfenlappenepilepsie vor und nach der Operation. Dabei legten die Wissenschaftler ihr Augenmerk auf die Nervenfaserverbindungen im Schläfenlappen. Der Vergleich der Befunde mit gesunden Menschen, die ebenfalls mit dem Bildgebungsverfahren untersucht wurden, zeigte die Veränderungen in den Nervenfaserverbindungen der Epilepsiepatienten. Darüber hinaus konnten die Forscher beobachten, wie sich diese Leitungsbahnen durch den chirurgischen Eingriff veränderten.

Trefferwahrscheinlichkeit: Mehr als 80 Prozent

Veränderungen in zwei Fasertrakten des Schläfenlappens scheinen dafür verantwortlich zu sein, ob es nach der Operation zu keinen epileptischen Anfällen mehr kommt: Dies war zum einen der sogenannte „Fornix“, ein mächtiger Faserzug, und zum anderen die Nervenfasern in der „parahippocampalen Region“ der anderen Hirnhälfte. Mit Hilfe der Diffusionsbildgebung konnten die Wissenschaftler in mehr als 80 Prozent der Fälle vor der Operation einschätzen, ob der Eingriff Besserung bringt oder nicht. „Dies ist signifikant höher als bisherige Vorhersagemöglichkeiten“, sind sich die Forscher einig.

„Bisher ist die Vorhersagemöglichkeit des postoperativen Verlaufs mit Hilfe bildgebender Methoden wenig untersucht“, sagt Erstautor Dr. Simon Keller von der Universität Liverpool. Diese Studie sei die erste, die eine detaillierte Analyse von Gewebeeigenschaften der Nervenfasern im Schläfenlappen mit Hilfe der Diffusionsbildgebung mit Hinblick auf die Vorhersagekraft des chirurgischen Erfolges durchführt.

„Auch wenn diese Untersuchung erste vielversprechende Resultate zeigt, ist der Einsatz in der klinischen Routine noch weiter entfernt“, sagt Prof. Weber. Die Daten zeigten jedoch das Potential, das bildgebende Verfahren hinsichtlich der Abschätzung von Erfolgsaussichten bei der chirurgischen Behandlung von Temporallappenepilepsien haben.


Publikation:
Preoperative automated fiber quantification predicts postoperative seizure outcome in temporal lobe epilepsy, Fachjournal “Brain”, DOI: 10.1093/brain/aww280

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

01.12.2016

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