Kluft zwischen Klinik und Kriterien

Die neuen Methoden der Radiologie können viel mehr, als in den standardisierten Evaluierungskriterien für Therapie-Response-Studien vorgesehen ist.

Priv.-Doz. Dr. Peter Brader 
Foto: MedUni Wien
Priv.-Doz. Dr. Peter Brader
Foto: MedUni Wien

Wenn es um das Ansprechen von Tumoren auf eine Therapie geht, klafft eine Lücke zwischen der klinischen Praxis und wissenschaftlichen Studien. „Die Interpretation und Beurteilung onkologischer Bilder mit den standardisierten Evaluierungskriterien für Studien ist nur mäßig praktikabel“, erklärt PD Dr. Peter Brader, Partner im Diagnostikum Graz Süd West (Österreich). Mit anderen Worten: Die moderne Bildgebung kann viel mehr, als es die Evaluierungskriterien für Therapie-Response- Studien zulassen.

Bei den weltweit für klinische Studien verwendeten RECIST-Kriterien (Response Evaluation Criteria in Solid Tumors) wird der Tumor ausschließlich nach seiner Größe beurteilt – und zwar nach seinem maximalen Durchmesser, also eindimensional. Bei den älteren Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die noch immer bei einigen Studien im Einsatz sind, werden immerhin zwei Durchmesser zur Vermessung herangezogen. Läsionen, die weniger als 10 Millimeter messen, sind als „nicht messbar“ definiert. Darunter fallen zum Beispiel Aszites, Pleura- oder Perikarderguss, Peritonealkarzinose, Leptomeningiose, Lymphangiose der Haut oder Lunge. Als partielles Therapie-Ansprechen gilt eine Größenabnahme der Zielläsion um mindestens 30 Prozent, ein komplettes Ansprechen bedeutet, dass keine messbare Zielläsion mehr vorhanden ist. Als Progression ist eine 20-prozentige Größenzunahme des Tumors im Vergleich zum geringsten Wert festgelegt.

Mit den Möglichkeiten der heutigen Bildgebung lassen sich Tumoren bekanntlich wesentlich genauer vermessen, als es in den RECIST Kriterien vorgesehen ist. Mittels CT lassen sich Läsionen dreidimensional visualisieren und volumetrieren – und das nicht nur ab einer Größe von 10 Millimetern. „All das hat aber noch keinen Eingang in die Evaluierungskriterien für Studien gefunden“, kritisiert Brader.
Überdies haben die Fortschritte in der Bildgebung gelehrt, dass es bei der Response-Beurteilung nicht nur auf die Größe von Läsionen ankommt. „Studien zeigen sehr schön, dass sich Diffusion und Perfusion von Tumoren ändern, noch bevor sich die Größe eines Tumors verändert. Tumoren können durch die Aufnahme von Wasser sogar größer werden, obwohl sie auf die Therapie ansprechen“, fasst der österreichische Radiologe zusammen: „Mit den neuen funktionellen Methoden können wir schon lange, bevor sich etwas in der Größe tut, beobachten, ob ein Tumor auf eine Therapie anspricht.“

Wenn zum Beispiel die Tumordichte abnimmt, kann auch bei unveränderter Tumorgröße von einem Therapie-Ansprechen ausgegangen werden. Gemessen wird die Tumordichte mit der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomographie (DW-MRT). Neue antiangiogenetische Therapien setzen darauf, die Gefäßbildung des Tumors einzudämmen. Wenn der Tumor auf eine solche Therapie anspricht, wird seine Blutversorgung reduziert – aber er wird nicht kleiner. Wie stark ein Tumor durchblutet ist, kann mittels Perfusions-Computertomographie eruiert werden. Auch mittels PET/CT erfassbare nuklearmedizinische Tracer gehen bei Therapie- Ansprechen im Tumor zurück, lange bevor sich dessen Größe ändert.

„Die RECIST-Kriterien wurden eben von Onkologen nach ihren Vorstellungen aufgestellt“, erklärt Brader die Kluft zwischen den Evaluierungskriterien der klinischen Studien und den Möglichkeiten der modernen Radiologie, „es wird für die Radiologie nicht leicht, ihre neuen funktionellen Methoden dort einzubringen.“ Trotzdem ist der österreichische Radiologe überzeugt, dass die funktionelle und molekulare Bildgebung künftig eine entscheidende Rolle in Studien zur Therapie- Evaluierung spielen wird: „Mittels Bildgebung auf nichtinvasive Weise Tumoreigenschaften abzuklären, ist ein wichtiger Schritt zu einer maßgeschneiderten Tumortherapie.“

Im Profil

Priv.-Doz. Dr. Peter Brader ist Partner im Diagnostikum Graz Süd West. Der österreichische Radiologe studierte, absolvierte seine Facharztausbildung und habilitierte 2010 an der Medizinischen Universität Graz. Von 2006 bis 2008 war Brader Mitarbeiter der Molecular Imaging Group am Department für Radiologie des Memorial Sloan-Kettering Cancer Centers in New York, seit 2010 ist er Mitarbeiter der Forschungsgruppe für Gender Imaging sowie der Forschungsgruppe für Molecular Imaging der MedUni Wien. Brader ist auch Leiter der Arbeitsgemeinschaft Onkologische Bildgebung der Österreichischen Röntgengesellschaft (ÖRG).

 

Veranstaltung
Sa., 31.05.2014, 09:00 - 10:30 Uhr
Funktionelle Bildgebung für die biologisch adaptive Strahlentherapie
Brader P. / Graz
Session: Onkologische Bildgebung II – Bildgebung für die Radioonkologie

 

29.05.2014

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