Bildquelle: Alessandro Della Bella/ETH Zürich
News • Infektionsdiagnostik
Schnelle PCR-Tests per Knopfdruck
Forscher der ETH Zürich haben ein Gerät entwickelt, mit dem sich PCR-Tests unkompliziert auch außerhalb des Labors durchführen lassen – in weniger als 30 Minuten.
PCR-Tests sind der Goldstandard bei der Diagnose von Infektionskrankheiten, und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Einfache Erkältung, Grippe oder gar eine Lungenentzündung: Um bei einer Atemwegsinfektion die genaue Art des Erregers zu bestimmen, macht der Arzt einen Rachenabstrich und schickt die Patientenprobe zur Analyse an ein medizinisches Labor. Die Resultate treffen meist erst mehrere Tage später ein. Geht es nach Michele Gregorini und Philippe Bechtold, soll dieser Ablauf in Zukunft einfacher und vor allem schneller werden. Ihre Vision: Das Gesundheitspersonal führt die PCR-Tests direkt in der Praxis durch – in weniger als 30 Minuten. Patienten könnten so schon beim ersten Besuch von einer optimalen Behandlung profitieren. "Das spart nicht nur Zeit, sondern vor allem Geld", so Gregorini. Ein Test soll nur geringe Kosten verursachen. In Entwicklungsländern, wo das Geld für Laboranalytik oftmals fehlt, würden PCR-Tests so erst zugänglich gemacht, fügt Bechtold hinzu.
Seit fast fünf Jahren arbeiten die Startup-Gründer nun an ihrem PCR-Gerät. Den ersten Prototyp haben sie von A bis Z selbst entwickelt: Gehäuse, Elektronik, Software und auch die auswechselbare Testkartusche, also das Gefäß, in dem die biochemische Reaktion stattfindet. Diese gleicht in Form und Größe einem Kaffeepad und ist die wichtigste Innovation des Gerätes.
Statt die Reagenzien für den PCR-Test wie gewohnt in einem Plastikröhrchen zu vermischen, wird bei der neuen Methode lediglich ein Tröpfchen der Patientenprobe in eine der Mulden auf der Aluminium-Kartusche gegeben. Weil Metall Wärme viel besser leitet als Plastik, kann das Gerät die Reagenzien entsprechend schneller aufheizen und abkühlen.
Um das Erbgut des Krankheitserregers zu vervielfältigen, sind nämlich mehrere sich zyklisch wiederholende Reaktionsschritte nötig, die bei unterschiedlichen Temperaturen – von 55 bis 95 Grad Celsius – ablaufen. Im neuen Gerät dauert ein Zyklus gerade mal knapp 20 Sekunden statt wie gewöhnlich zweieinhalb Minuten. Die Gesamtdauer für einen PCR-Test mit 45 Zyklen reduziert sich damit von über zwei Stunden auf knapp 20 Minuten – ähnlich einem Antigen-Test. Außerdem ist es mit dem neuen Gerät nicht nötig, verschiedene PCR-Reagenzien aufwendig dazu pipettieren. Die Reagenzien sind in den Mulden bereits vorhanden – in gefriergetrockneter Form. Dass sich Testkits für verschiedene Erreger so bis zu sechs Monate bei Raumtemperatur aufbewahren lassen, ist ein praktischer Nebeneffekt.
Plötzlich wird aus dem Forschungsprojekt ein unglaublich gefragtes Medizinprodukt
Michele Gregorini
Bis dieser Ansatz zuverlässig funktioniert hat, mussten Gregorini und Bechtold jedoch einige Herausforderungen überwinden. Lange getüftelt hat Bechtold an einem Verfahren, das die Reagenzien so trocknet, sodass sie sich später wieder gut mit der Probe vermischen lassen. "Das war eine besonders komplizierte Aufgabe", so der 26-jährige Luxemburger. Denn: Gleichzeitig müssen die Reagenzien gut in den Mulden haften, damit die Testkartuschen den Transport überstehen.
Der Beginn der Corona-Pandemie hat die Entwicklung des Produkts enorm beschleunigt, berichten die Wissenschaftler: "Plötzlich wird aus dem Forschungsprojekt ein unglaublich gefragtes Medizinprodukt", so Gregorini. Noch bevor das Virus in der Schweiz richtig ankommt, beginnen die Ingenieure, eine Kartusche für den Nachweis von SARS-CoV-2 zu entwickeln – ihren ersten diagnostischen Test überhaupt. Erste Fördergelder erhalten die beiden Forscher vom Progamm 'Bridge' des Schweizerischen Nationalfonds, schnell kommen weitere Förderungen hinzu. Im September werden die beiden ins ETH-Pioneer-Fellowship-Programm aufgenommen. Im Oktober 2020 gründen sie die Firma Diaxxo. Heute beschäftigt Diaxxo bereits zwölf Mitarbeitende. Ein wachsendes Team aus Hardware- und Software-Spezialisten, Biotechnologen und Elektroingenieuren arbeitet nun daran, das PCR-Gerät weiter zu verbessern und marktreif zu machen.
Die Liste der Interessenten am PCR-Gerät wächst. Solange das Gerät jedoch noch nicht als Medizinalprodukt zertifiziert ist, dürfen die Firmengründer nicht an Privatkunden verkaufen, sondern setzen auf Forschungskollaborationen. In gemeinsamen Projekten können sie die Praxistauglichkeit des Geräts verbessern. Die bisher größte Zusammenarbeit ist das ETH-Startup mit dem Schweizer Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) eingegangen. In einer Feldstudie auf Sansibar stehen derzeit Geräte von Diaxxo im Einsatz, um Schulkinder flächendeckend auf die parasitische Wurmerkrankung Schistosomiasis zu testen.
Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren
Sponsored • Tropical diseases
Investigating schistosomiasis
Schistosomiasis, a disease that is common in sub-Saharan Africa, is particularly widespread in Madagascar. The Schistosoma mansoni parasite responsible for the disease is linked to fibrotic changes in the liver which can be detected using point-of-care ultrasound.
Für die Partner des Tropeninstituts ist das neue PCR-Gerät besonders interessant, weil sie damit die Tests direkt in den verschiedenen Schulen durchführen können, statt ein Laborzentrum aufzubauen und die Proben jedes Mal dorthin zu transportieren. Rund um die Uhr stehen Gregorini und Bechtold nun zur Verfügung, um die Forschenden beim Einsatz des Gerätes zu unterstützen. Von Softwareanpassungen über lokale Reparaturanleitungen war bereits viel Improvisation gefragt.
Gerade das dynamische Umfeld ist für Bechtold einer der größten Pluspunkte seines Jobs. "Jeden Tag lernst du so viel." Gleichzeitig sind sich die Firmengründer bewusst, dass die Lebenszeit von diaxxo wahrscheinlich begrenzt ist. "Die Produktpalette so weit auszubauen, dass sie rentiert, ist als ein kleines Unternehmen im Medizinproduktesektor eine große Herausforderung", erklärt Gregorini. Ein mögliches Szenario wäre, dass Diaxxo in den nächsten Jahren von einem größeren Unternehmen übernommen wird, blicken die beiden Startup-Gründer in die Zukunft.
Quelle: ETH Zürich
13.12.2021