Artikel • Wer profitiert?
Response bei Immuntherapie: schwieriges Terrain
Die Immuntherapie hat sich binnen kurzer Zeit als Standardtherapie bei zahlreichen Tumorarten etabliert.
Bericht: Michael Krassnitzer
Dabei wird versucht, mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern bestimmte Regulatoren des Immunsystems (etwa die Zelloberflächenproteine CTLA-4, PD-1 und dessen Ligand PD-L1) zu blockieren. Diese sogenannten Checkpoint-Inhibitoren wirken wie Bremsen auf das körpereigene Immunsystem und werden von den Tumorzellen gezielt aktiviert, um sich vor dem Immunsystem zu schützen.
Mit der Immuntherapie können zuvor in der Krebstherapie unerreichte Ansprechraten erzielt werden. Die Frage, ob ein Patient auf eine Immuntherapie anspricht, ist allerdings schwierig zu klären. „Bei den Immuntherapien ist es eine besondere Herausforderung, das Ansprechen mittels Bildgebung zu erfassen“, bekennt Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Marius Mayerhöfer, PhD, Facharzt an der Klinischen Abteilung für Allgemeine Radiologie und Kinderradiologie der Medizinischen Universität Wien: „Es handelt sich um ein schwieriges Terrain. Wir versuchen derzeit, mit mehreren Parametern durchzukommen und den Hausverstand zu benutzen.“
Bei der zytotoxischen Chemotherapie ist in der anatomischen Bildgebung recht eindeutig feststellbar, ob der Patient darauf anspricht. Entweder beginnt der Tumor sofort und relativ rasch zu schrumpfen oder er beginnt nach einer anfänglichen Phase der Stabilität langsam zurückzugehen. Bei der Immuntherapie allerdings können beim Ansprechen der Immuntherapie noch ganz andere Dinge passieren: Bei zirka zehn Prozent der Patienten kann der Tumor zunächst größer und erst dann kleiner werden. Das liegt daran, dass die in das Tumorgewebe einwandernden Immunzellen das Gewebe zum Anschwellen bringen. In diesem Fall spricht man von Pseudoprogression. Der klinische Verlauf ist bei diesen Patienten nicht ganz so gut wie bei Patienten mit typischem Response, aber besser als bei Patienten mit Stable Disease oder echter Progression.
Hyperprogression stiftet Verwirrung
Dass neue Läsionen nicht zwangsläufig eine Befundprogression darstellen, widerspricht unseren bisherigen Denkmustern
Marius Mayerhöfer
Noch irritierender ist: Es kann sogar während oder nach der Bildung von neuen Läsionen zu einer Tumorreduktion kommen. „Dass neue Läsionen nicht zwangsläufig eine Befundprogression darstellen, widerspricht unseren bisherigen Denkmustern“, betont Mayerhöfer. Für zusätzliche Verwirrung sorgt, dass es im Zuge einer Immuntherapie auch zu einer sogenannten Hyperprogression kommen kann. Bei den betroffenen Patienten, die eine sehr schlechte Prognose haben, kommt es zu einer mehr als zweifachen Zunahme der Tumorwachstumsrate.
Was die Erkennung des Ansprechens zusätzlich erschwert: es gibt mehrere konkurrierende Systeme, in denen unterschiedliche Response-Kriterien für anatomische bildgebende Verfahren festgeschrieben sind. Bei irRC (Immune-related Response Criteria) wird der Response anhand der Gesamttumormasse beurteilt. Bei iRECIST (basierend auf RECIST – Response Evaluation Criteria In Solid Tumors) werden vor der Therapie vorhandene und eventuell neu aufgetretene Läsionen getrennt betrachtet. Schließlich wurde mit imRECIST ein drittes Klassifikationssystem publiziert, ein Hybrid aus irRC und iRECIST, das freilich laut Mayerhöfer noch kaum angewendet wird. Alle drei sind so komplex, dass sich der Experte außerstande sah, diese Systeme selbst in einem Vortrag vor einem Fachpublikum – am Wiener Radiologischen Symposium 2019 – im Detail zu skizzieren. Immerhin eine wichtige Botschaft konnte er seinen Zuhörern mitgeben: „Die Ergebnisse der Bildgebung hinsichtlich Response müssen nach vier Wochen in einer abermaligen Untersuchung bestätigt werden.“
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PET-Bildgebungsmarker dringend gesucht
Funktionelle Bildgebung ist eine Möglichkeit, das Ansprechen der Immuntherapie besser darzustellen als mit anatomischer Bildgebung. „In manchen Fällen kann PET die anatomische Bildgebung ersetzen – aber es funktioniert leider nicht immer so gut“, bedauert Mayerhöfer. In der Forschung wird derzeit intensiv an der Entwicklung von PET-Tracern gearbeitet, die PD-1 oder PD-L1 markieren. Das Prinzip liegt auf der Hand: Je höher die Aufnahme von PD-(L)1-spezifischen Tracern in der PET, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer kompletten Remission bei Patienten, die mit PD-(L)1 Antikörpern therapiert werden. Überdies könnten auf diese Weise auch jene Patienten erkannt werden, die trotz fehlender oder geringer PD-(L)1-Expression im Primärtumor aufgrund von Rezeptormutationen der Metastasen gut auf PD-(L)1-Antikörper ansprechen. „Die spannenden Forschungen auf diesem Gebiet werden möglicherweise einen PET-Biomarker für Patienten unter Immuntherapie liefern“, bekundet Mayerhöfer. Auch für das frühzeitige Erkennen einer Hyperprogression wird ein PET-Bildgebungsmarker dringend gesucht.
Profil:
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Marius Mayerhöfer, PhD ist Professor an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien, wo er als bereichsleitender radiologischer Oberarzt für PET-CT und MR-PET fungiert. Seit Oktober 2019 ist er hauptberuflich am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York tätig. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der multiparametrischen Bildgebung zur Charakterisierung und zur Beurteilung des Therapieansprechens von Lymphomen, neuroendokrinen Tumoren und Melanomen. Noch während der Facharztausbildung an der Medizinischen Universität Wien schloss er ebendort, wo er zuvor bereits Humanmedizin studiert hatte, ein PhD-Studium in Medical Physics ab.
25.01.2020