Artikel • CT oder MRT?
Puzzeln für Fortgeschrittene
Die Bildgebung der Leber gehört zu einem der häufigsten radiologischen Aufgabengebiete und zu einem der vielseitigsten. Je nachdem, welche Erkrankung vorliegt, kommen in einer multimodalen Strategie die unterschiedlichsten Untersuchungsver-fahren zum Einsatz. Das Problem: Welche Erkrankung eigentlich vorliegt, weiß man erst hinterher.
Wie ein Puzzle mit verschiedenen Bausteinen müssen die Informationen deshalb nach und nach gesammelt und zusammengesetzt werden. Die 1-Millionen-Euro-Frage, die sich jeder Radiologe dabei am häufigsten stellt: Liegt ein gutartiger oder ein bösartiger Tumor vor? Ein Patentrezept für die Beantwortung dieser Frage gibt es zwar nicht, aber wer das 1x1 der Leberläsionen beherrscht, der bekommt auch Antworten.
„Wer typische Charakteristika von bestimmten Lebertumoren kennt, der kann seine Untersuchungsprotokolle vorausschauend und zielführend planen“, weiß Prof. Dr. Andrik J. Aschoff, Chefarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Kempten.
„Wenn der Arzt dann mit einem bestimmten Verdacht an den Radiologen herantritt, weiß dieser, mit welchem Puzzlestein aus seinem diagnostischen Repertoire er das Rätsel lösen kann.“ Auf dem Bayerischen Röntgenkongress stellt Prof. Aschoff u.a. die vier häufigsten benignen Lebertumoren vor, die jeder Radiologe kennen sollte. Dazu zählen die Leberzysten, Hämangiome, Adenome und die fokale noduläre Hyperplasie (FNH). Die häufigste Gruppe der bösartigen Läsionen in der Leber stellen Metastasten aus anderen Lokalisationen im Körper dar. Daneben gibt es eine Reihe seltenerer primärer bösartiger Lebertumoren, allen voran das Hepatocelluläre Karzinom.
Auch wenn kein Leberprotokoll dem anderen gleicht, so beginnt der Untersuchungsverlauf doch typischerweise mit dem Ultraschall. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf, betont der Experte: „Für die weitere Planung der Abläufe macht es einen immensen Unterschied, ob es sich bei dem Verdacht auf eine fokale Läsion beispielsweise um einen Zufallsbefund im Rahmen eines Check-ups bei einer jungen Frau ohne Beschwerden handelt oder ob der Patient über 60 Jahre alt ist und ein bereits bekanntes Karzinom im Dickdarm hat.“
Die gängige und auch leitliniengerechte Standardiagnostik zur weiteren Abklärung eines unklaren Leberherdes empfiehlt im zweiten Schritt die Computertomographie. Sie liegt in der Sensitivität gleichauf mit der Magnetresonanztomographie ist jedoch schneller und kostengünstiger. Die MRT wird dagegen nur selten in der allgemeinen Leberdiagnostik gefordert. Allerdings kommt sie zum Einsatz, wenn Strahlenexposition vermieden werden soll, etwa bei Kindern und jungen Erwachsenen. Meist jedoch wird die Magnetröhre im Alltag nur dann eingesetzt, wenn Sonographie und CT zu keinem eindeutigen Ergebnis führen.
„Die Magnetresonanztomographie erfüllt in der Leberdiagnostik zwei große Aufgaben“, erklärt Prof. Aschoff. „Zum einen in der Differenzialdiagnose. Bei Adenomen, FNH und untypischen Hämangiomen zeigt die MRT-Bildgebung zum Beispiel gute Ergebnisse. Zum anderen dient das Verfahren zur Absicherung darüber, ob tatsächlich ein Leberherd vorliegt und wenn ja, wo und wie viele. Gerade vor Operationen, bei denen Teile der Leber entfernt werden und andere Teile bestehen bleiben sollen, sind solche Entscheidungen essentiell.“ Um ganz sicher zu gehen, dass auch kein kleinerer Herd übersehen wird, kommen in der MRT neben den konventionellen Kontrastmitteln auch leberspezifische Kontrastmittel zur Anwendung. Diese speziellen Kontrastmittel verteilen sich nicht nur im Extrazellularraum, sondern werden auch von den Leberzellen aufgenommen und später über die Gallenwege ausgeschieden. Dadurch erhöht sich nicht nur die Sensitivität in der Leber-MRT, sondern es lassen sich auch zusätzliche Informationen über die Art der Leberveränderung gewinnen.
Die Leberdiagnostik folgt einem multimodalen Ansatz, bei dem Sonographie, CT und MRT gleichermaßen unverzichtbar sind
Andrik J. Aschoff
Als weiterer Baustein in der Leberdiagnostik mithilfe des MRT kommt seit neustem auch die Diffusionsbildgebung hinzu. Eine Sequenztechnik, die aus der Schlaganfalldiagnostik übernommen wurde, um weitere Zusatzinformationen über Tumoren zu bekommen. Wenn sich auch mit der ausgeklügelsten Technik keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Art des Lebertumors schließen lassen, bleibt zuletzt immer die Fragestellung, ob sich die Läsion gut biopsieren lässt und wenn ja, mit welcher Bildgebungsmodalität die Entnahme einer Gewebeprobe erfolgen sollte. Meist lassen sich unklare Leberherde einfach und schnell mit Ultraschall oder CT punktieren.
„Die Leberdiagnostik folgt einem multimodalen Ansatz, bei dem Sonographie, CT und MRT gleichermaßen unverzichtbar sind, wenn sie auch unterschiedlich oft genutzt werden“, fasst Prof. Aschoff zusammen. „Insgesamt wird die MRT der Leber meiner Meinung nach aber zu wenig eingesetzt. Zum einen natürlich weil sie zeit- und kostenintensiver ist als Ultraschall und CT. Zum anderen aber auch, weil die Bilder mit ihren verschiedenen Sequenzen in verschiedenen Ebenen für den Nicht-Radiologen schwieriger zu lesen sind. Ein Leber-MRT ist schon die hohe Kunst der Bildgebung.“
Profil:
Prof. Dr. Andrik J. Aschoff leitet seit Dezember 2008 die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Kempten. Der berufliche Werdegang des gebürtigen Berliners ist jedoch eng mit der Stadt Ulm verknüpft. Hier studierte er Medizin und arbeitete von 1994 bis 2008 am Universitätsklinikum. Zuletzt war er dort leitender Oberarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie. Bis heute lehrt Aschoff als außerplanmäßiger Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm. Der 45-jährige Facharzt für Diagnostische Radiologie ist außerdem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft "Gastrointestinale- und Abdominelle Radiologie" der DRG und Mitglied in zahlreichen Fachgesellschaften.
12.10.2011