Dirk Blondin
Interview • Krebs-Detektion
Prostata-MRT: Wissenschaftliche Daten allein genügen nicht
Die Qualität der Prostata-MRT und warum diese Methode noch immer nicht von den Krankenkassen bezahlt wird: ein Gespräch mit Prof. Dr. Dirk Blondin, Städtische Kliniken Mönchengladbach.
Sie sprechen auf dem RadiologieKongressRuhr über Prostatabildgebung. Worauf werden Sie dabei den Fokus legen?
Blondin: Auf die Primärdiagnostik mittels Magnetresonanztomographie (MRT). Ich möchte an die Kollegen appellieren, dabei besonders auf die Qualität der Bilder und der Befunde zu achten. Die Prostata-MRT ist nicht nur eine Detektionsuntersuchung, sondern dient gleichzeitig als lokales Staging. Beschrieben wird also nicht nur, in welcher Region ein Tumor liegt, sondern auch der Kontakt zur Kapsel und die Kapselkontaktlänge, da beides Ausdruck des Risikos einer möglichen Kapselüberschreitung darstellt. Außerdem geht es um auffällige Lymphknoten oder Veränderungen im Knochen des Beckenskeletts. Ein guter Befund sollte daher ein solches lokales Staging enthalten.
Die Prostata-MRT wird nach wie vor nicht von den Krankenkassen bezahlt. Welche Methode wird denn dann für das lokale Staging eingesetzt?
Es gibt keine andere Methode, die das T-Stadium so exakt beschreiben könnte. Bei Risikopatienten, die einen deutlich erhöhten PSA-Wert oder einen Gleason-Score ≥8 in der Biopsie aufweisen, wird mittels CT nach Lymphknoten- oder Knochenveränderungen im Abdomen gesucht, in einigen Fällen auch das Skelett zusätzlich mittels Knochenszintigraphie untersucht. Dies wird zukünftig wohl vom PSMA-PET übernommen, wenn die wissenschaftliche Datenlage valide ist und die Methode in der neuen S3-Leitlinie einen entsprechenden Stellenwert erhält. Aber die Prostata selbst kann ohne Zweifel am besten mit der MRT abgeklärt werden, das PSMA-PET zeigt bei Entzündung falsch positive Anreicherungen und außerdem fehlt dem Verfahren die ausreichende Ortsauflösung. Auch die Frage nach einem T3b- (Infiltration der Samenblasen) oder T4-Stadium (Infiltration anderer Organe wie z.B. der Harnblase) können mit der MRT exakt beantwortet werden. Neben der guten Ortsauflösung hat das MRT bekanntermaßen den besten Weichteilkontrast.
Warum hat das Verfahren dann noch immer nicht Eingang in die normale Versorgung gefunden?
Das liegt nicht am Verfahren selbst. Es gibt mehrere moderne diagnostische Verfahren, die noch keinen Eingang in den EBM-Katalog gefunden haben und damit nicht als Kassenleistung zur Verfügung stehen – zum Beispiel die MRT-Herzbildgebung oder die CT-Angiographie. Dabei kommen diese Verfahren längst in der täglichen Routine zum Einsatz, weil darüber mit den Füßen abgestimmt wurde. Nicht nur die Kollegen anderer Fachabteilungen, sondern auch die Patienten bekommen mit, dass diese Verfahren sinnvoll und valide sind.
Vielmehr liegt das an den Hürden, die aufgestellt wurden, um eine neue Methode als Kassenleistung freizugeben. Da gibt es Institutionen wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die zum Teil leider mit unverständlichen Maßstäben bzw. Ansätzen messen. Wenn man zum Beispiel die auf MRT-Daten basierende Fusionsbiopsie mit der systematischen Standard-Biopsie hinsichtlich der Mortalität als Endpunkt vergleicht, kann es keinen Unterschied geben. In der ausreichend vorhandenen wissenschaftlichen Literatur hat man hingegen untersucht, ob aggressive Tumoren durch das MRT und die gezielte Biopsie häufiger gefunden und ob unnötige Biopsien vermieden werden können. Diese relevanten Punkte machen die Qualität der Methode aus und haben dazu geführt, dass in der aktuellen europäischen (EAU) und der englischen (NICE) Leitlinie die MRT vor jeder Biopsie, auch in der Primärdiagnostik, empfohlen wird.
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Könnte es auch sein, dass einfach zu wenig Daten vorliegen?
Es gibt sehr gute Studiendaten (NCI-Studie, USA – JAMA 2015; PROMIS, GB – Lancet 2017; FUTURE-Trail, NL – Eur Urol 2018; MRI-FIRST, Frankreich – Lancet Oncol 2018; 4M-Trail, NL - Eur Urol 2018; PRECISION – NEJM 2018) die zeigen, dass die MRT-Prostatographie funktioniert und mehr klinisch relevante Karzinome diagnostiziert. Die deutsche S3-Leitlinie wird gerade überarbeitet und die hier tätigen Kollegen werden die aktuellen Studien berücksichtigen und die Leitlinie weiterentwickeln. Man wird sehen, in wieweit und in welchen Punkten die S3-Leitlinie den beiden oben beschriebenen Guidelines folgen wird. Das Problem ist: Institutionen, die in Deutschland entscheiden, ob eine Methode Kassenleistung wird oder nicht, wenden Kriterien an, für die es teilweise gar keine Daten gibt.
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Es gibt keine klaren Vorgaben, dass Bildgebung nur mit modernen Geräten durchgeführt werden darf. In Deutschland ist das eine oder andere MRT-Gerät in Betrieb, das zwar sehr gute Bilder von Gelenken, der Wirbelsäule oder dem Kopf liefert, aber die Qualität für eine Untersuchung der Prostata, die tief im Becken liegt, reicht nicht aus. Der wirtschaftliche Druck in den Praxen und auch in vielen Kliniken ist hoch und daher muss oft auf die Messzeit geachtet werden. Leider dauert eine gute Bildgebung der Prostata wesentlich länger als Untersuchungen des Kopfes oder der Gelenke. Und nicht jeder kann ein High-end-3T-MRT installieren, nur um auch spezielle Untersuchungen mit akzeptabler Messzeit durchzuführen - jedenfalls dann nicht, wenn das Gesundheitssystem solche Spezialuntersuchungen nicht entsprechend honoriert.
Wie könnte man da entgegensteuern?
Man muss wenigstens darüber nachdenken, ob spezielle Untersuchungen nur in zertifizierten Zentren angeboten werden sollten. Die hier tätigen Ärzte müssten eine entsprechende Qualifikation aufweisen. Diesbezüglich sind wir auf einem guten Weg – Stichwort Q-Zertifizierung. Zertifizierte Zentren würden aber - ähnlich wie bei der Brustbildgebung – unter anderem das Problem der Ausbildung verkomplizieren, wenn Leistungen eben nicht mehr überall ausreichend angeboten werden können. Bei der Prostata sollte ein Zentrum über gezielte Biopsie-Methoden (Fusion oder in-bore) entscheiden und die kooperierende Urologie Zugang zu modernen therapeutischen Systemen haben. Aber ob dies die richtige Lösung ist, muss natürlich offenbleiben und sollte bitte nur als Grundlage für den Ideenaustausch verstanden werden. Hier gibt es noch eine Menge zu tun.
Profil
Prof. Dr. Dirk Blondin schloss sein Studium der Medizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Jahr 2000 ab. Er promovierte 2001 und habilitierte 2010. Zwischen 2011-2014 war Blondin Leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Seit 2014 ist er Chefarzt der Klinik für Radiologie, Gefäßradiologie und Nuklearmedizin der Städtischen Kliniken Mönchengladbach. Blondin ist Mitglied in mehreren Verbänden, unter anderem in der Deutschen Röntgengesellschaft, der Euopean Society of Radiology sowie der Cardiovascular and Inverventional Radiological Society of Europe (CIRSE).
05.11.2020