Artikel • Q1/Q2-Zertifikat

Mehr Qualität: Zertifizierungen der MR-Prostatographie

In der Prostatadiagnostik hat die multiparametrische MRT (mpMRT oder auch MR-Prostatographie genannt) einen regelrechten Hype ausgelöst. Wermutstropfen war bislang die schwankende Bildqualität, mit der das Verfahren belastet war – nun sollen die von der AG Uroradiologie und Urogenitaldiagnostik in der DRG eingeführten Spezialzertifizierungen Q1 und Q2 Abhilfe schaffen. Wir sprachen mit Privatdozent Dr. Matthias Röthke, Leiter der AG Uroradiologie, über die Qualitätsstandards bei der Bildgebung der Prostata.

Report: Sascha Keutel

portrait of matthias röthke
Privatdozent Dr. Matthias Röthke ist Leiter der AG Uroradiologie in der DRG.

Die großen Hoffnungen, die in das Verfahren gelegt werden, sind durchaus begründet, wie der Experte erläutert: „Die mpMRT gehört zu den am besten evaluierten diagnostischen MRT-Verfahren.“ Der Mehrwert für die Detektion von Prostatakarzinomen ist im Rahmen mehrerer großangelegter multizentrischer Studien belegt worden, die in renommierten Zeitschriften wie Lancet oder dem New England Journal of Medicine (NEJM) erschienen sind. Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage wurde im März auf der europäischen urologischen Fachtagung in Barcelona (EAU 2019) die Prostata-MRT in die Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaften aufgenommen – ein echter Durchbruch, wie Röthke attestiert: „Das zeigt, dass Radiologen durch eine weltweite konzertierte Aktion auf höchstem Niveau mit der Durchsetzung einer neuen Methode Erfolg haben können.“ In Deutschland empfiehlt die aktuelle Interdisziplinäre S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms die Durchführung und Beurteilung einer multiparametrischen MRT der Prostata entsprechend den aktuellen Qualitätsstandards.

Weniger Überdiagnostik und Übertherapie

Eine positive Beurteilung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die Klärung der Erstattungsfrage seitens der Kassen wäre wirklich wünschenswert

Matthias Röthke

Die Vorteile der mpMRT bei der Diagnose von Prostatakrebs sind klar belegt, führt Röthke aus: „Das Verfahren kann kleine abklärungswürdige Herdbefunde früher und besser lokalisieren, die im Anschluss gezielter biopsiert werden können. Dadurch vermeiden wir mindestens ein Drittel unnötiger Biopsien. Der Patient wird demnach nicht überdiagnostiziert und nicht übertherapiert.“ Darüber hinaus wird auch die Anzahl falsch-negativer Befunde gesenkt, das bedeutet, dass eine höhere Genauigkeit erzielt wird. „Die mpMRT weist einen sehr hohen negativen prädiktiven Wert von bis zu 95 Prozent auf.“

Das wirkt sich auch positiv auf die Wirtschaftlichkeit aus: Gesundheitsökonomische Untersuchungen in den USA und der EU ergaben, dass es kosteneffizient ist, zunächst eine MR-Prostatographie durchzuführen, und nur bei einem auffälligen Fund zu biopsieren. „Leider bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen diese Leistung trotz der erdrückenden Studienlage aktuell nicht“, stellt der Radiologe bedauernd fest. „Hier wäre eine positive Beurteilung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die Klärung der Erstattungsfrage seitens der Kassen wirklich wünschenswert.“

Quelle: Shutterstock/Iakov Filimonov

Zweistufiger Qualitätsnachweis

Um die mpMRT sicher anwenden zu können, bedarf es einer guten Schulung und regelmäßiger Übung. Um sicherzustellen, dass fachliche und technische Qualitätsstandards eingehalten werden, hat die AG Uroradiologie ein spezielles Zertifizierungssystem eingeführt: Die Q1- und Q2-Zertifikate, die Radiologen nach Erlangung des Facharztes beantragen können. „Ziel des Q1-Zertifikats ist die Basis-Qualifizierung in der MR-Prostatographie“, erklärt Röthke. „Es richtet sich vor allem an niedergelassene Radiologen, die vorwiegend diagnostische MRT bei der Prostata durchführen wollen. Die Qualifizierung kann im Rahmen der Weiterbildung beginnen, die Antragstellung ist jedoch erst nach erfolgreicher Facharztprüfung möglich.“ Um das Q1-Zertifikat zu erhalten, muss der Radiologe neben 10 CME-Punkten (entspricht 10 Unterrichtseinheiten von je 45 Minuten aus Fortbildungen mit Schwerpunkt Bildgebung und Behandlung des Prostatakarzinoms) sowie mindestens 50 mpMRT-Untersuchungen nachweisen können.

Einen Schritt weiter geht die Q2-Zertifizierung. Sie qualifiziert für eine spezialisierte, eigenverantwortliche Tätigkeit. „Das Zertifikat ist vor allem für Kollegen gedacht, die an großen Zentren arbeiten und dort mit Biopsieplanung, Staging, posttherapeutischen Kontrollen sowie Rezidivdiagnostik beschäftigt sind.“ Radiologen müssen unter anderem 500 durchgeführte und dokumentierte mpMRT-Untersuchungen nachweisen, 50 histologisch gesicherte PCAs sowie die Teilnahme an mindestens jeweils einer Fortbildungsveranstaltung über mpMRT, MR-basierte gezielte Biopsien und Rezidivdiagnostik der Prostata. Diese Punkte, die mehr als 20 CME-Punkten entsprechen, müssen innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung erfüllt sein. Für beide Zertifikate werden Veranstaltungen der Fachgesellschaften (z. B. DRG, ESUR, ECR, RSNA) sowie von der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie evaluierte Veranstaltungen angerechnet.

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Einführung mit Übergangsphase

Das neue Zertifizierungssystem wird in zwei Phasen eingeführt: Für die Zeit bis zum 31. Juli 2020 kann das Q2-Zertifikat ohne vorherigen Erwerb des Q1-Zertifikats direkt beantragt werden. Röthke: „Damit wollen wir schnell eine kritische Masse von Q2-Radiologen ausgebildet sehen, die entsprechenden Zentren dann auch zügig zur Verfügung stehen.“ 

Nach Ablauf der Übergangsphase müssen bei der Antragstellung verpflichtend anonymisierte Bilddaten zur Qualitätssicherung eingereicht werden. Die Anträge werden cloudbasiert geprüft und unterliegen klaren Qualitätskriterien hinsichtlich der technischen Durchführung. „Die Bilder werden derzeit von acht Q2-zertifizierten Radiologen anhand der geforderten Parameter begutachtet“, erörtert der Radiologe und blickt in die Zukunft: „Es wäre schön, wenn wir diese Prüfung einer Künstlichen Intelligenz überlassen könnten, da deren Analyse objektiver ist und den Prozess deutlich beschleunigen würde.“ 

Detaillierte Informationen sowie Unterlagen zur Anmeldung sind auf der Webseite der AG Uroradiologie zu finden: https://www.ag-uro.drg.de/de-DE/4285/zertifizierung/


Profil:

PD Dr. med. Dipl.-Kfm. Matthias Röthke studierte Medizin in Erlangen und Freiburg und absolvierte seine Ausbildung zum Facharzt Diagnostische Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen. Röthke ist Vorsitzender des Vorstands der AG Uroradiologie und Urogenitaldiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft sowie Ärztlicher Geschäftsführer der Conradia Hamburg MVZ GmbH.

29.05.2019

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