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Pränataldiagnostik: 10 Regeln für die erfolgreiche Anwendung von NIPT

Seit einigen Monaten ist der nichtinvasive molekularbiologische Bluttest (NIPT) zur Pränataldiagnostik auf Trisomien als Kassenleistung zugelassen. Der Test war insbesondere für die Früherkennung einer Trisomie 21 (Down-Syndrom) entwickelt worden. In der berufspolitischen Entscheidung bezüglich dieses Screeningtests wurden die Stellungnahmen und Einwände seitens der Pränataldiagnostiker wenig berücksichtigt, bedauern Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM).

Sie befürchten eine Ablösung des bisherigen Ersttrimesterscreenings, das weit über die Erkennung einer Trisomie 21 hinausgeht. Die DEGUM hat deshalb zehn Empfehlungen erarbeitet, die als qualitätssichernde Maßnahmen bei der Durchführung des NIPT-Tests gedacht sind.

ultrasound image of fetus in the womb
Die sonografische Untersuchung des Ungeborenen ist wichtiger Bestandteil des Ersttrimesterscreenings

Wenn im Rahmen der ärztlichen Schwangerenbetreuung die Frage entsteht, ob eine Trisomie beim Ungeborenen vorliegen könnte, und dies vom Arzt als „unzumutbare Belastung“ für die Schwangere bescheinigt wird, wird die Krankenkasse zukünftig die Kosten für einen nichtinvasiven Pränataltest (NIPT) übernehmen. „Dieser Test wurde insbesondere für die Detektion der Trisomie 21 entworfen“, erklärt Professor Dr. Karl Oliver Kagan, Leiter der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe der DEGUM. „In den Entscheidungen, ob der Test Kassenleistung wird, sind Einwände der Pränataldiagnostiker kaum berücksichtigt worden.“ Das Kernproblem sei, dass vermittelt werde, NIPT sei die bessere Alternative im Vergleich zum Ersttrimesterscreening oder zur diagnostischen Punktion. „Hierbei wird jedoch ignoriert, dass das Ersttrimesterscreening auf weit mehr als „nur“ die Erkennung der Trisomie 21 abzielt.“ Es sei sehr wichtig, dass eine differenzierte Ultraschalluntersuchung noch vor NIPT stattfindet. Die frühe Ultraschallfeindiagnostik – ein elementarer Teil des Ersttrimesterscreenings – gehört zu den etablierten Methoden der Pränataldiagnostik. Das Screening kann zwischen Anfang der zwölften und Ende der 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden und besteht aus einer der sonografischen Untersuchung des Ungeborenen sowie einem umfassenden Bluttest bei der Schwangeren.

Hochrisiko-Schwangerschaften für die spätere Entwicklung einer Präeklampsie könnten ohne Ersttrimesterscreening unerkannt bleiben

Markus Hoopmann

„90 Prozent der fetalen oder kindlichen Fehlbildungen sind gar nicht chromosomalen Ursprungs“, ergänzt Professor Dr. Markus Hoopmann vom Board der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe. Ein Beispiel dafür sei die Spina bifida, der offene Rücken, welcher in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ohne Chromosomenstörung auftritt. „Hochrisiko-Schwangerschaften für die spätere Entwicklung einer Präeklampsie könnten ohne Ersttrimesterscreening unerkannt bleiben.“ Präeklampsie ist eine schwerwiegende Komplikation im Verlauf der Schwangerschaft, die sowohl die Mutter als auch das Ungeborene betrifft. Bei früher Diagnose kann die Erkrankung mittels Gabe von Aspirin erfolgreich behandelt werden. Beide Experten sind sich zudem einig: Der NIPT entspricht nicht den Kriterien eines diagnostischen Tests, sondern müsse, wenn er positiv ausfalle, immer in einer anschließenden invasiven Untersuchung überprüft werden. Daher sei der gezielte Einsatz diagnostischer Punktionen weiterhin unverzichtbar.

Zehn 'goldene Regeln'

Aus diesem Grund hat die Sektionsleitung und das Board der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe in Zusammenarbeit mit dem Vorstand der DEGUM ihre Kernbotschaften in zehn Regeln für die Durchführung eines NIPT-Testes zusammengefasst. „Diese Empfehlungen sollen allen in der Schwangerschaftsvorsorge mit dem Thema involvierten Kollegen als Hilfestellung dienen“, so die Experten abschließend. Die Empfehlungen lauten wie folgt:

  1. Der NIPT erfordert eine ärztliche Aufklärung und genetische Beratung nach dem Gendiagnostikgesetz (GenDG).
  2. Der NIPT erlaubt derzeit zuverlässige Aussagen zur Wahrscheinlichkeit einer Trisomie 21, 18, 13, aber keine Aussagen zu strukturellen Fehlbildungen. Diese machen jedoch den Großteil der perinatal relevanten Anomalien aus. Auch lassen sich die meisten anderen Chromosomenstörungen und syndromale Erkrankungen nicht erkennen.
  3. Der NIPT erfordert eine qualifizierte Ultraschall-Untersuchung, idealerweise vor der Blutabnahme und nach der 12 SSW.
  4. Bei sonografisch nachgewiesenen Fehlbildungen oder erhöhter Nackentransparenz ist die diagnostische Punktion (CVS oder Amniozentese) Mittel der Wahl, um Chromosomenstörungen erkennen zu können und um einen unnötigen Zeitverlust bis zur endgültigen Diagnose zu vermeiden.
  5. Im Rahmen einer NIPT-Untersuchung sollten grundsätzlich der fetale bzw. schwangerschaftsspezifische Anteil an der zellfreien DNA angegeben werden. Die „Fetal fraction“ ist ein Qualitätsparameter mit großem Einfluss auf die Testgüte.
  6. Ein ergebnisloser NIPT ist ein abklärungsbedürftiger Befund. In diesem Kollektiv finden sich mehr Chromosomenstörungen, insbesondere Trisomien 13 und 18 sowie Triploidien.
  7. NIPT ist ein Screening-Test. Bei einem auffälligen NIPT ist eine diagnostische Punktion obligat anzubieten. Die Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch darf nicht auf einem isolierten NIPT-Befund beruhen.
  8. NIPT auf Veränderungen der Geschlechtschromosomen sollte nicht routinemäßig durchgeführt werden.
  9. Der Einsatz von NIPT zur Bestimmung des Risikos für seltene autosomale Aneuploidien, strukturelle Chromosomenstörungen, insbesondere Mikrodeletionen und monogenetische Erkrankungen beim Feten kann derzeit nicht generell empfohlen werden.
  10. Bei Zwillingsschwangerschaften, nach künstlicher Befruchtung und bei Adipositas hat NIPT eine höhere Versagerquote und es liegen nur eingeschränkt Daten zur Testgüte vor.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM)

19.07.2020

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