Bildquelle: BTU/Julia von Maltzahn
News • Rhabdomyosarkom-Forschung
Neuer Behandlungsansatz für Weichteiltumore
Forschende vom Jenaer Leibniz-Institut für Alternsforschung und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg haben einen neuartigen Behandlungsansatz für Weichteiltumore entdeckt, die sehr häufig im Kindesalter auftreten und bösartig sind. Durch die gezielte Veränderung der Tumorzellen hin zu Muskelzellen gelang es ihnen, das Wachstum der Zellen und damit auch die Ausbreitung des Tumors zu stoppen. Daraus ergeben sich völlig neue Therapiemöglichkeiten bei der Krebsbehandlung.
Das Rhabdomyosarkom, ein bösartiger Tumor, ist einer der häufigsten Weichteiltumore im Kindesalter. Die Tumore sind mit der Skelettmuskulatur assoziiert und können überall im Körper entstehen. Folglich ist das Krankheitsbild sehr vielfältig und eine vollständige Entfernung der Tumore durch deren Lage oft schwierig bis nahezu unmöglich, weshalb intensiv nach alternativen Behandlungsansätzen geforscht wird.
Ein Team um Prof. Julia von Maltzahn, ehemals Forschungsgruppenleiterin am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) und nun als Professorin für Stammzellbiologie des Alters an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) tätig, hat einen neuartigen Behandlungsansatz für Rhabdomyosarkome entdeckt, der als Ergänzung zur traditionellen Chemo- und Strahlungstherapie bei dieser Tumorerkrankung eingesetzt werden könnte. Durch die gezielte Veränderung der Tumorzellen zu Muskelzellen gelang es ihrem Team, das Wachstum der Zellen und damit auch der Tumore zu stoppen. Die Forschungsergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Molecular Therapy“ erschienen.
Rhabdomyosarkome können als zwei Subtypen auftreten, als alveolärer und embryonaler Subtyp. Beim embryonalen Subtyp sind die molekularen Ursachen für das Fortschreiten des Tumors bisher weitgehend unbekannt oder sehr divers, was die Entwicklung therapeutischer Ansätze erschwert. Man nimmt an, dass die Tumore aus Muskelvorläuferzellen entstehen. „Durch unsere Studien an humanen Tumorzellen des embryonalen Rhabdomyosarkoms fanden wir heraus, dass der transkriptionelle Repressor TRPS1, ein Protein, das an die DNA binden und so das Ablesen der Gene unterdrücken kann, konstant erhöht ist,“ erläutert Prof. von Maltzahn. Dieser erhöhte TRPS1-Spiegel führt im Muskelgewebe zu einer gestörten Differenzierung der Stammzellen und in den embryonalen Rhabdomyosarkom-Zellen zu einem vermehrten Wachstum der Zellen, was folglich das Tumorwachstum begünstigt.
„Bei der normalen Entstehung und Entwicklung der Skelettmuskulatur muss der TRPS1-Spiegel in den Zellen zu Beginn der Differenzierung herunterreguliert sein, da nur so ein gezielter Aufbau und Wachstum der Muskeln möglich ist,“ ergänzt Dr. Sören S. Hüttner, der die Studien während seiner Doktorarbeit am FLI durchführte. Doch welche genaue Rolle spielt TRPS1 bei der myogenen Differenzierung?
Die Forschenden fanden heraus, dass bei einem übermäßigen Vorhandensein von TRPS1 in normalen Muskelzellen die Muskelbildung (Myogenese) stark beeinträchtigt wird, ähnlich, wie das auch bei der Tumorerkrankung zu beobachten ist. „Der erhöhte TRPS1-Spiegel scheint also einer der Hauptinhibitoren der terminalen myogenen Differenzierung zu sein, der die Entstehung und Entwicklung der Skelettmuskulatur stört,“ berichtet Prof. von Maltzahn. „Das führte uns zu der Idee, dass wir durch Reduktion der TRPS1-Menge in den Tumorzellen eventuell das Tumorwachstum vermindern können.“
Durch Kollaboration mit Dr. Björn von Eyss vom FLI und Prof. Ursula Anderer von der BTU und mit Hilfe verschiedener Methoden (z.B. shRNAs, Crispr/Cas9) gelang den Forschenden tatsächlich - sowohl in Zellkultur als auch im Mausmodell – der Nachweis, dass sich durch die gezielte Absenkung des TRPS1-Spiegels in den Tumorzellen die Differenzierung der Zellen verändern lässt: Aus den Tumorzellen werden Muskelzellen, das heißt, dort, wo vorher ein Tumor vorhanden war, entstehen Muskelzellen, die nicht mehr weiterwachsen können.
„Anhand dieser erfolgversprechenden Ergebnisse glauben wir, einen wirkungsvollen, neuartigen therapeutischen Ansatz zur Behandlung von embryonalen Rhabdomyosarkomen gefunden zu haben, mit dem man zukünftig - neben Chemo- und Strahlentherapie - das Wachstum und die Ausbreitung des Tumors stoppen könnte“, unterstreicht Dr. Hüttner die Relevanz der Ergebnisse.
Es ist davon auszugehen, dass die Forschungsergebnisse weitreichende Auswirkungen auf die Krebsforschung, insbesondere auf die Untersuchung von Weichteiltumoren bei Kindern und die Entwicklung neuer Strategien zur Behandlung von Rhabdomyosarkomen haben werden. Alles deutet darauf hin, dass TRPS1 ein vielversprechendes therapeutisches Ziel mit hohem Potential ist, um Tumorzellen in Muskelzellen zu verwandeln, die sich nicht mehr teilen können und damit zum Stopp des Tumorwachstums beitragen.
Quelle: Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut
26.07.2023