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News • Im Grundschulalter
Mukoviszidose: Betroffene schon im Kindesalter behandeln
Mukoviszidose ist eine noch immer unheilbare Erbkrankheit, die vor allem die Lungenfunktion beeinträchtigt und die Lebenserwartung stark senkt. Ein vielversprechender neuer Behandlungsansatz ist eine Wirkstoffkombination, die den zugrunde liegenden Defekt korrigiert. Sie konnte jedoch bisher nur bei Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt werden. Eine Studie unter Co-Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin belegt jetzt, dass auch Kinder im Grundschulalter von der Therapie profitieren. Weil Betroffene nun früher behandelt werden können, ist eine deutliche Abmilderung ihres Krankheitsverlaufs wahrscheinlich.
Der Begriff Mukoviszidose bedeutet „zäher Schleim“ – und beschreibt das zugrunde liegende Problem der in Deutschland häufigsten tödlich verlaufenden Erbkrankheit: Ein Defekt im sogenannten CFTR-Ionenkanal auf der Oberfläche von Schleimhautzellen stört deren Salz- und Wassertransport, sie produzieren dadurch zu zähflüssige Sekrete. Das beeinträchtigt vor allem die Lunge, die von dem zähen Schleim verstopft wird und Erreger schlechter abtransportieren kann. Die Folge sind eine chronische Infektion und Entzündung der Atemwege, die zu einem fortschreitenden Verlust der Lungenfunktion und Atemnot führen – im schlimmsten Fall macht das eine Lungentransplantation nötig. Während Betroffene früher noch vor Erreichen des Erwachsenenalters verstarben, beträgt die Lebenserwartung heute etwa 55 Jahre. Dieser Erfolg ist vor allem auf eine bessere Behandlung der Symptome zurückzuführen.
Erst seit wenigen Jahren gibt es mit CFTR-Modulatoren Medikamente, die nicht nur die Symptome, sondern den ursächlichen Defekt angreifen, indem sie die Funktion des Ionenkanals verbessern. Bei knapp 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose wird der Kanal-Defekt durch einen bestimmten Fehler im CFTR-Gen ausgelöst, die sogenannte F508del-Mutation. Seit August 2020 ist in Europa eine Kombination aus drei CFTR-Modulatoren (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) erhältlich, die die Funktion des Ionenkanals bei Erkrankten mit einer Kopie dieser Mutation auf etwa 50 Prozent des normalen Wertes anheben kann und so deren Lungenfunktion und Lebensqualität spürbar verbessert. „Das war ein Meilenstein in der Behandlung der Mukoviszidose“, erklärt Prof. Dr. Marcus Mall, Erstautor der Studie und Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin sowie des Christiane Herzog Mukoviszidose-Zentrums an der Charité. „Allerdings konnten bisher nur Betroffene ab 12 Jahren behandelt werden, weil neue Medikamente traditionell erst bei Erwachsenen getestet und zugelassen werden. Wir wollen die ursächlich wirkende Therapie aber so früh wie möglich im Krankheitsverlauf verabreichen, um irreversible Schäden in der Lunge gar nicht erst entstehen zu lassen. Dazu müssen wir die Patientinnen und Patienten schon im Kindesalter behandeln. Dass das bei Grundschulkindern sicher möglich und sehr effektiv ist, konnten wir jetzt zeigen.“
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Dazu untersuchte Prof. Mall zusammen mit internationalen Partnern die Effekte der Dreifachtherapie an 121 Kindern zwischen 6 und 11 Jahren, die in ihrem Erbgut mindestens eine Kopie der F508del-Mutation aufwiesen. Über etwa ein halbes Jahr hinweg erhielt rund die Hälfte der Betroffenen die Wirkstoffkombination, die andere Hälfte ein Scheinpräparat. Die in zehn Ländern durchgeführte Untersuchung war damit als sogenannte randomisierte Placebo-kontrollierte Studie angelegt, die als Goldstandard in der klinischen Forschung gilt. „Diese Art der klinischen Studien sind in der Entwicklung von Medikamenten für Kinder leider noch viel zu selten“, sagt Mall, der auch die Mukoviszidose-Forschung im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) leitet. „Häufig werden bei Kindern keine Kontrollgruppen untersucht, sondern von Studien mit Erwachsenen auf die Effekte bei Kindern geschlossen. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen, deshalb sind hochqualitative Studien für die Entwicklung sicherer und wirksamer Medikamente sehr wichtig.“
In der aktuellen Studie zeigte sich, dass die Behandlung die Funktionsfähigkeit des CFTR-Ionenkanals signifikant erhöhte und so die Lungenfunktion und auch die Lebensqualität der Kinder verbesserte. Die Therapie zeigte insgesamt ein gutes Sicherheitsprofil und wurde von den Kindern gut vertragen. Die Nebenwirkungen entsprachen denen, die bereits bei älteren Erkrankten beobachtet worden waren. „Es hat mich überrascht und sehr erfreut zu sehen, dass die Kinder trotz des frühen Krankheitsstadiums und der kurzen Behandlungsdauer schon einen positiven Effekt bemerkten“, sagt Prof. Mall. „Diese Ergebnisse haben dazu beigetragen, dass die Europäische Arzneimittelagentur die Dreifachtherapie Anfang des Jahres auch für Kinder ab 6 Jahren zugelassen hat, sodass wir sie bereits jetzt ab diesem Alter einsetzen können. Ich erwarte, dass die nun mögliche frühere Behandlung des Basisdefekts den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose langfristig erheblich verbessert.“
Im nächsten Schritt will das Forschungsteam prüfen, ob sich die Wirkstoffkombination für noch jüngere Kinder eignet. Denn die Mukoviszidose kann mittlerweile im Rahmen des Neugeborenenscreenings innerhalb der ersten Lebenswochen diagnostiziert werden. „Dadurch könnten wir Mukoviszidose-Betroffene heute schon im Neugeborenenalter ursächlich behandeln und so hoffentlich selbst frühe Schäden der Lunge und möglicherweise anderer betroffener Organe wie der Bauchspeicheldrüse verhindern. An dieses Alter tasten wir uns langsam heran. Aktuell prüfen wir die Sicherheit und Wirksamkeit der Dreifachtherapie bei Kindern zwischen 2 und 5 Jahren“, erklärt Prof. Mall.
Die Forschungsergebnisse sind im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine erschienen.
Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin
10.08.2022