Mit vereinten Kräften – über die innovative Stroke-Versorgung in München
In ihrer bayerischen Metropole finden die Münchener eine engmaschige Versorgung mit ärztlichen Zentren jeder Couleur vor. Das trifft auch auf den Schlaganfall zu. Gleich vier Neurologische Kliniken mit eigener überregionaler Stroke-Einheit stehen über die Stadt verteilt zur Verfügung.In gemeinsamen Fortbildungen und Aktionen findet ein intensiver Austausch zwischen den vier Teams statt.
Derzeitiger Sprecher und Anlaufstelle für diese Kooperationen ist Prof. Dr. Helge Topka, Chefarzt der Klinik für Neurologie, Klinische Neurophysiologie und Stroke Unit am Klinikum Bogenhausen, der dieses Jahr auf dem Bayerischen Röntgenkongress zu Gast ist.
Prof. Topka und sein Team behandeln am städtischen Klinikum Bogenhausen jedes Jahr 1.000 Schlaganfall-Patienten aus dem nordöstlichen Einzugsgebiet Münchens bis an die Grenzen von Ingolstadt und Passau. Auf den engen Kontakt zu den drei anderen zertifizierten Schlaganfall-Stationen am Universitätsklinikum Großhadern (Prof. Dr. med. Marianne Dieterich), am Universitätsklinikum rechts der Isar (Prof. Dr. Bernhard Hemmer) und am städtischen Krankenhaus Harlaching (Prof. Dr. med. Roman Haberl) legt Prof. Topka großen Wert: „Es finden regelmäßige Meetings zwischen unseren Abteilungen statt. In unserem Fach gibt es permanent Weiterentwicklungen und Neuerungen, sei es in den Leitlinien oder bei den Untersuchungstechniken. Dafür wollen wir stets einen gemeinsamen Konsens finden, der den aktuellen wissenschaftlichen Stand widerspiegelt, damit wir auch weiterhin an der qualitativen Spitze stehen.“
Einen besonderen Höhepunkt bildet jedes Jahr der gemeinsam ausgerichtete Stroke Unit Tag.
Eine Fortbildungsveranstaltung zu der die Fachteilnehmer aus ganz Bayern anreisen, um sich über innovative Strategien beim Stroke Management zu informieren. Der 13. Stroke Unit Tag steht am 12. November 2011 an.
Aber auch das Bewusstsein der über 1.350.000 Stadtbewohner von München versucht man mit vereinten Kräften zu schärfen. In einer noch nie da gewesenen Großaktion in Bayern starteten die vier Münchner Stroke Units deshalb zusammen mit Partnern wie der Deutschen Stiftung Neurologie (DSN) und der AOK Bayern im Oktober 2010 eine sechsmonatige Kampagne unter dem Motto „München gegen den Schlaganfall – Verlier keine Zeit!“. In verschiedenen Veranstaltungsreihen, Broschüren, mit Plakaten und Informationsfilmen an öffentlichen Plätzen wurde an vorderster Front über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten beim Schlaganfall aufgeklärt und darüber berichtet, wie man sich im Notfall richtig verhält.
Mit großem Engagement zur Seite stehen den Schlaganfallstationen auch die Münchner Rettungsdienste, betont Prof. Topka: „Auch hier schreiben wir uns die Ausbildung auf die Fahnen. Denn je geschulter das medizinische Personal auf den Straßen ist, desto mehr Zeit spart man beim Patiententransport. Die Fragen, die die Rettungssanitäter in den Work Shops an uns stellen, sind vor allem praktischer Natur, wie: Habe ich es mit einer Erkrankung zu tun, für die ich den Notarzt anfordern muss oder kann ich hier selbst handeln? Gerade beim Schlaganfall ist es – wenn keine lebensbedrohliche Komplikation auftritt – viel sinnvoller, den Notarzt nicht zu involvieren, sondern gleich in die nächste Stroke Unit zu fahren.“
Prof. Topka begrüßt es auch, dass in den ländlichen Regionen rundum München zurzeit kleine neurologische Abteilungen in den Krankenhäusern entstehen, die eine zeitnahe Schlaganfallversorgung vor Ort ermöglichen. Schon heute lasse sich mithilfe telemedizinischer Dienste bereits ein Großteil der Patienten selektieren, die für eine intravenöse Thrombolyse in Frage kommen. Trotzdem bleibt das Leistungsspektrum dieser kleinen Stroke-Einheiten durch die fehlende neuroradiologische Kompetenz begrenzt.
Für Topka dagegen stellt die Neuroradiologie nicht nur ein unverzichtbares Diagnostik-Tool dar, sondern erweitert auch seinen Handlungsspielraum in der Akuttherapie enorm: „Wir haben in den letzten zehn Jahren viel darüber gelernt, welche Schlaganfallpatienten für eine Intervention geeignet sind und welche nicht. Wir haben auch gelernt, dass das Zeitfenster für die Therapiezulassung durch Bildgebungsmodalitäten ausgedehnt werden kann. Dadurch haben sich die Aussichten für dramatische Erkrankungen wie die Basilaristhrombosen, die früher zu einem katastrophalen Ausgang für die Patienten geführt haben, deutlich verbessert. Die Interventionen haben also stark zugenommen.“ Aber, so räumt der Experte ein, nicht immer sei das technisch Mögliche auch am sinnvollsten: „Jeder Schlaganfall-Patient ist ein Unikat. Da brauchen wir enge Abstimmungsprozesse zwischen Neurologen und Neuroradiologen.“
Und natürlich freut sich Prof. Topka über die technische und handwerkliche Präzision seiner Kollegen aus der Neuroradiologie: „Noch stärker als in anderen Fachdisziplinen bedarf es in der Neurologie, wo der Radiologe die Katheterspitze durch feinste Gefäßverästelungen führt, großer Treffsicherheit bei gleichzeitiger Schnelligkeit. Hier verlasse ich mich ganz auf das Können meiner Kollegen.“
12.10.2011