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Medizinstudium: Neuroanatomie digital vermitteln
Vielen Medizinstudierenden fällt es zu Beginn des Studiums schwer, das zentrale und periphere Nervensystem mit seinen zahlreichen Komponenten und Strukturen zu durchdringen, deren Zusammenwirken zu verstehen und das Wissen später im Berufsalltag auf das klinische Bild realer Patienten zu übertragen.
PD Dr. Mohammed Banat, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), hat nun ein innovatives Lehrprojekt entwickelt, um Studierenden das Erlernen der funktionellen Neuroanatomie mit Hilfe verschiedener Modalitäten, unter anderem mit digitaler Technik zu erleichtern und ihnen die Übertragung des theoretischen Wissens in die klinische Praxis nachhaltig näherzubringen. Das Projekt wird im Rahmen der Ausschreibung „DiLL#24 – Digitales Lehren und Lernen“ des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn mit einer Summe in Höhe von 100.000 Euro über die kommenden zwei Jahre gefördert.
Neuroanatomische Kenntnisse und ein Verständnis für die funktionelle Bedeutung von neuroanatomischen Strukturen sind unerlässlich, um im ärztlichen Berufsalltag neurologische und psychiatrische Erkrankungen schnell erkennen und adäquat behandeln zu können. Auch die Planung operativer Eingriffe, unter anderem Zugangswege, beispielsweise an Gehirn und/oder Rückenmark, sind ohne tiefgehende Kenntnisse der kleineren Strukturen des Gehirns und ihre Nachbarschaftsbeziehungen, beispielsweise von Hirnnerven und benachbarten Gefäßen, nicht möglich.
„Wir als Lehrende sehen jedoch eine erhebliche Schwierigkeit bei vielen Studierenden der Humanmedizin, die physiologisch-anatomischen und die Zusammenhänge verschiedener Untersuchungstechniken unter einen Hut zu bringen. Deshalb haben wir ein Lehrprojekt entwickelt, das Inhalte aus den Gebieten der funktionellen Neuroanatomie, der funktionellen Bildgebung und der Neurochirurgie so miteinander kombiniert, dass Studierende bereits im vorklinischen Studienabschnitt ein tieferes Verständnis für die Bedeutung der anatomischen Verhältnisse entwickeln können“, erläutert PD Dr. Banat, der neben seiner neurochirurgischen Tätigkeit am UKB auch an der Universität Bonn lehrt und das Projekt leitet.
Der Einsatz dieser Technik kann die theoretische Lehre in der Medizin sehr gut unterstützen, da durch solche 3D-Modelle eine höhere Anschaulichkeit und damit ein besseres Verständnis von Körpermodellen, Organen, oder kleineren Strukturen des Nervensystems erzielt werden kann
Mohammed Banat
Im Rahmen des Lehrprojekts sollen Studierenden deshalb schon frühzeitig diese Zusammenhänge vermittelt werden. Dafür arbeitet er mit Stefanie Kürten, Professorin für Neuroanatomie am Anatomischen Institut des UKB und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life and Health“ der Universität Bonn, Prof. Tobias Raupach, Direktor des Instituts für Medizindidaktik des UKB und Prof. Veit Braun, Neurochirurg und Lehrender für Medizinische Informatik an der Universität Siegen, zusammen. Banat begleitet die Studierenden in den Anatomie- und Präparierkursen der ersten Vorkliniksemester. Dort lernen Studierende an Körperspendern und Modellen den Aufbau des Menschen kennen – und können so beispielsweise ein statisches Bild von Aufbau und Funktion des Gehirns und des Rückenmarks zu entwickeln.
Ein weiteres Ziel der Arbeitsgruppe ist es auch, dass die Studierenden bereits zu Beginn des Studiums neben der Anatomie auch wichtige Untersuchungstechniken erlernen, um später akute und chronische medizinische Konstellationen schneller erkennen zu können. Im Lehrprojekt sollen die Studierenden deshalb die Gelegenheit haben, das anatomische Grundwissen direkt anzuwenden und zu verstehen, wie es im klinischen Alltag für die Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden kann. So können zum Beispiel Dermatome, also Hautbereiche, die von Rückenmarksnerven versorgt werden, wichtige Hinweise für die Diagnostik eines Bandscheibenvorfalls geben. Um die Zusammenhänge und die passenden Untersuchungstechniken zu vermitteln, setzt die Arbeitsgruppe auch digitales Lernmaterial ein, beispielsweise Material aus der funktionellen Bildgebung durch Computer- und Magnetresonanztomografe (CT, MRT) oder Lernvideos, die während neurochirurgischer Operationen am UKB und Siegen produziert werden.
Perspektivisch ist auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Augmented Reality (AR) geplant. Am Kooperationsstandort der Universität Siegen findet derzeit ein Forschungsprojekt zur fMRT-Darstellung des Musikgedächtnisses statt, das funktionelle Informationen mit künstlicher Intelligenz und hochauflösenden MRT-Daten kombiniert und mittels AR-Brillen als 3D-Bild im Raum darstellt. „Der Einsatz dieser Technik kann die theoretische Lehre in der Medizin sehr gut unterstützen, da durch solche 3D-Modelle eine höhere Anschaulichkeit und damit ein besseres Verständnis von Körpermodellen, Organen, oder kleineren Strukturen des Nervensystems erzielt werden kann,“ ist Banat mit den Kooperationspartnern überzeugt.
Zu Beginn des Jahres hatte das Studiendekanat der Medizinischen Fakultät Bonn Lehrende mit der Ausschreibung „DiLL#24“ dazu aufgerufen, innovative digitale Lehr- und Lernkonzepte zu entwickeln und damit die digital-gestützte Lehre nach vorne zu bringen. Die Qualitätsverbesserungskommission (QVK) der Medizinischen Fakultät Bonn hat sieben Projekte aus den Einreichungen für eine Förderung ausgewählt. Ziel ist es, die Lehrqualität durch den Einsatz digitaler Medien zu verbessern. Die Förderung läuft zwei Jahre mit Option auf Verlängerung für ein drittes Jahr.
Quelle: Universitätsklinikum Bonn
14.08.2024