Artikel • Diagnostisches Chamäleon

Lungenzysten: einfaches Bild – viele Ursachen

Unter Zysten versteht man normalerweise flüssigkeitsgefüllte Hohlräume. In der Lunge allerdings ist das anders: Lungenzysten sind dünnwandige Höhlen, die mit Luft gefüllt sind. Sie treten häufig auf, wobei es sich meist um einen Zufallsbefund handelt. „Im Leben eines Radiologen gibt es spannendere Themen als Lungenzysten – aber wenn man eine findet, lohnt es sich, über die Ursache nachzudenken“, bekräftigt Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck, ehemaliger Vorstand des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie am Wilhelminenspital in Wien.

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Zwei simple Lungenzysten (zarte Wand, glatt begrenzt) im rechten Unterlappen. CT-Zufallsbefund.

Was hinter einer Lungenzyste steckt, ist gar nicht so einfach herauszufinden. Mostbeck bezeichnet Lungenzysten daher als „diagnostisches Chamäleon“. Im Rahmen seines Vortrages beim Bayerisch-Österreichischen Röntgenkongress präsentiert der Wiener Radiologe eine Systematik, mit deren Hilfe man beim Vorliegen dieser morphologischen Veränderung gut zur richtigen Diagnose kommt.

Zysten können einzeln oder in gehäufter Form auftreten. Singuläre Zysten der Lunge sind in der CT ein häufiger Zufallsbefund, bis zu acht Prozent der untersuchten Patienten, die älter als 40 Jahre sind, haben eine Zyste. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. „Hier ist es wichtig, zystischen Lungenkrebs von simplen, harmlosen Zysten zu unterscheiden“, betont Mostbeck. Kriterien für diese – überwiegend Adenokarzinomen entsprechenden – malignen Zysten sind Unregelmäßigkeiten der Zystenwand, Septierungen und Knoten der Wand und Milchglas-Muster um die Zyste.

Die häufigste Ursache für multiple Lungenzysten ist wahrscheinlich eine Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die laut Weltgesundheitsorganisation WHO zu den häufigsten Erkrankungen weltweit gehört. Hier sind Bronchiektasen häufig, also sackförmige oder zylindrische Ausweitungen der mittelgroßen Atemwege. Bronchiektasen können allerdings auch angeboren sein.

Es gibt aber auch äußerst seltene Erkrankungen, die mit multiplen Lungenzysten einhergehen. „Diese sollte man als Radiologe zumindest einmal gesehen haben – dann erkennt man diese multiplen Zysten, sobald man sie abermals vor sich hat“, betont Mostbeck.

Seltene Erkrankungen

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Zahlreiche, diffus verteilte Lungenzysten bei Lymphangioleiomyomatose (LAM).

Eine dieser Erkrankungen ist die fast ausschließlich bei Rauchern auftretende adulte pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose (PLCH). Es handelt sich um eine seltene histiozytäre Lungenerkrankung mit Ansammlung von Langerhans-Zellen und anderen Entzündungszellen in den kleinen Atemwegen unter Bildung nodulärer entzündlicher Herde. Diese typischen zystischen Veränderungen treten vor allem in den Oberlappen im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auf, in der frühen Krankheitsphase erfolgt die Diagnose durch den Nachweis charakteristischer nodulärer Muster im Röntgenbild oder im hochauflösenden Thorax-CT. Wenn die Patienten mit dem Rauchen aufhören, bildet sich die Erkrankung meist teilweise oder sogar vollständig zurück. Bei einigen Patienten schreitet die Krankheit aber trotz Beenden des Rauchens fort.

Eine zweite seltene Erkrankung die mit dem Auftreten von Lungenzysten verbunden ist, ist die Lymphangioleiomyomatose (LAM). Diese wird durch einen spontan erworbenen oder vererbten Gendefekt verursacht. In der Folge kommt es zu einer überschießenden Wucherung glatter Muskelzellen in Lymphgefäßen und Bronchialwegen, die das gesunde Lungengewebe zerstören. In der High-Resolution-CT sind hier diffus verteilte, dünnwandige Zysten die zentralen radiologischen Diagnosekriterien. Die Therapie beschränkt sich meistens auf die Behandlung der Symptome, am häufigsten in Form einer Langzeit-Sauerstofftherapie.

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Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck, ehemaliger Vorstand des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie am Wilhelminenspital in Wien.

Noch eine seltene Erkrankung, die mit der Bildung von typischen Zysten einhergeht, ist die Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie. „Früher ist diese Erkrankung oft bei AIDS-Kranken aufgetreten“, erinnert sich Mostbeck. Mit der Etablierung der antiretroviralen Kombinationstherapie, seit der – zumindest in Mitteleuropa – kaum mehr ein HIV-Infizierter das AIDS-Vollbild entwickelt, sind auch die Zahlen der Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie deutlich zurückgegangen.


Profil:
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck war bis Mai dieses Jahres Vorstand des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie am Wilhelminenspital in Wien und des Instituts für Röntgendiagnostik am Otto-Wagner-Spital, ebenfalls in der österreichischen Hauptstadt. Seine klinisch-radiologischen Schwerpunkte liegen im Bereich der Thorax-Radiologie, der Radiologie des Abdomens, der urogenitalen Radiologie sowie der Mamma-Diagnostik und der Radiologie in der Onkologie. Die wissenschaftlichen Schwerpunkte des Facharztes für Radiologie, der von 2006 bis 2008 Präsident der Österreichischen Röntgengesellschaft und von 2002 bis 2005 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM) war, liegen in der Thoraxradiologie und Radiologie in der Onkologie.

Veranstaltungshinweis:
Freitag, 27. September 2019, 10:30-10:45 Uhr
Raum: Chiemgau
Session: Symposium 2 –Differentialdiagnose von Lungen-erkrankungen
Zystische Lungenerkrankungen – ein diagnostisches Chamäleon
Prof. Dr. Gerhard Mostbeck (Wien)

26.09.2019

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