Case Management
Lotse ebnet Flüchtlingen Wege zu spezialärztlicher Versorgung
Zu Beginn kommenden Jahres nimmt ein Flüchtlingslotse seine Tätigkeit am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden auf. Die von den Erlösen des Benefiz-Laufs „Run and Roll – Dresden bewegt sich“ finanzierte Stelle entlastet die Ambulanzen und Stationen des Uniklinikums von einer Vielzahl spezieller, vor der Behandlung der Asylsuchenden notwendigen Aufgaben. Dies sind zum Beispiel das Einholen von Zusagen der Kostenübernahme oder die Organisation von Untersuchungs- und Therapieterminen sowie von Dolmetschern. Dank dieser Lotsenfunktion können Flüchtlinge bei Bedarf unkomplizierter als bisher von einem Spezialisten des Uniklinikums untersucht und behandelt werden. Den Lotsen und sein Aufgabengebiet stellten die Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping, der Medizinische Vorstand des Uniklinikums, Prof. Michael Albrecht, sowie eine Vertreterin vom Organisationsteam des Benefizlaufs am vor.
Als universitäres Krankenhaus der Maximalversorgung ist die Expertise des Dresdner Uniklinikums immer dann gefragt, wenn Flüchtlinge unter besonders schweren Erkrankungen beziehungsweise Komplikationen leiden. Die meisten dieser Fälle betreffen Kinder, die internistisch, chirurgisch oder psychotherapeutisch behandelt werden. Bei der spezialärztlichen Versorgung von erwachsenen Flüchtlingen wurden bisher vor allem Experten der Kliniken für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, für Dermatologie sowie für Frauenheilkunde und Geburtshilfe konsultiert. Ein größerer Teil der dem Uniklinikum vorgestellten Flüchtlinge haben schwere Erkrankungen, die bisher unzureichend oder gar nicht behandelt wurden und deshalb die Ärzte vor besonders große Herausforderungen stellen.
„Als soziales Unternehmen, das zuerst immer das Wohl der Menschen im Blick hat, ist es für das Uniklinikum selbstverständlich, Verantwortung für diejenigen Flüchtlinge zu übernehmen, die ernsthafte gesundheitliche Probleme haben. Zugleich aber muss die Hilfe so organisiert sein, dass wir trotz der zusätzlichen Aufgabe dem grundlegenden Auftrag der Hochschulmedizin gerecht werden können. Wir freuen uns sehr, dass so viele Dresdner mit ihrer Teilnahme an dem Benefiz-Lauf und mit ihren Spenden dazu beigetragen haben, diese zusätzliche Aufgabe zu stemmen“, sagt Prof. Albrecht.
Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping dankte allen Beteiligten für ihr Engagement. „Der Spendenlauf hat ganz deutlich gemacht, Dresden kann sich bewegen und Vieles bewirken. Neben dem ganz konkreten Ergebnis, einen Flüchtlingslotsen einstellen zu können, geht ein starkes Signal von der Aktion aus. Wir brauchen genau dieses Engagement für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit.“ Den Unternehmen komme dabei als Arbeitgeber eine besondere Rolle zu. „Je mehr Vorbilder es gibt, die das Menschsein in den Mittelpunkt stellen, desto besser“, konkretisierte Ministerin Köpping.
„Wir als Organisatoren des Spendenlaufs hatten zwei Absichten: Erstens wollten wir gemeinsam mit den Dresdner Bürgerinnen und Bürgern ein Zeichen für Mitmenschlichkeit und Solidarität setzen und zweitens einen Betrag leisten, um den Zugang zu spezialärztlicher Versorgung für geflüchtete Menschen in Dresden und dem Umland zu erleichtern“, sagt Luise Mundhenke vom Organisationsteam des Laufs: „Das Zeichen, das von diesem 4. Oktober mit über 3.000 Teilnehmerinnen sowie Teilnehmer und einer Spendensumme von rund 75.000 Euro ausgegangen ist, hätte kaum schöner sein können. Nun freuen wir uns sehr, dass das große Engagement von Dresdner Einwohnern, Unternehmern und Ehrenamtlichen in Form der neu geschaffenen Stelle hier am Universitätsklinikum konkrete Gestalt annimmt und hoffen, dass damit auch langfristig ein weiterer wichtiger Schritt für die Eingliederung geflüchteter Menschen in unsere Gesellschaft getan ist.“
Die Stationen und Ambulanzen des Universitätsklinikums werden vor allem dann tätig, wenn die regulären Anlaufstellen, wie zum Beispiel die Flüchtlingsambulanz der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen oder niedergelassene Fachärzte eine spezialärztliche oder stationäre Weiterbetreuung anfordern, die sie selbst nicht leisten können. Diese Aufgabenteilung entspricht weitestgehend den Abläufen, die ganz allgemein im deutschen Gesundheitswesen gelten. Da sich die Kommunikationswege und die Abrechnungsmodalitäten bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen deutlich komplizierter gestalten als im regulären Krankenhausalltag, bedeutet ein zu behandelnder Asylsuchender immer einen erheblichen Mehraufwand an administrativen Leistungen. Da es sich angesichts von jährlich mehr als 60.000 stationär und 270.000 im Uniklinikum ambulant versorgten Patienten um relativ wenige Hilfesuchende handelt, bleiben die Erfahrungen der einzelnen Mitarbeiter – von der Pflegekraft bis zum Oberarzt zu gering, um effizient agieren zu können. Deshalb wird sich ein Pflegespezialist auf diese Fragen konzentrieren. Dank des damit einhergehenden, schnell wachsenden Erfahrungsschatzes kann er den Flüchtlingen leichter den Weg ins Uniklinikum ebnen.
Die Funktion des zentral agierenden Flüchtlingslotsen übernimmt Robert Bitterlich, der bereits mehr als zehn Jahre im Klinikum arbeitet und hier auch seine Ausbildung als Krankenpfleger absolvierte. Nach der Tätigkeit auf der Schlaganfall-Spezialstation – der Stroke unit – und dem Bachelor-Studium „Management für Gesundheitsfachberufe“ arbeitete er als Fallmanager (Case Manager) in der Klinik für Neurologie des Uniklinikums weiter. Bei dieser Aufgabe stand die Überleitung der Schlaganfallpatienten aus der stationären Akutversorgung in die Rehabilitation oder zurück ins häusliche Umfeld im Mittelpunkt.
Als erster Flüchtlingslotse am Uniklinikum nimmt Robert Bitterlich die Anfragen der bisher die Asylsuchenden behandelnden Ärzte entgegen und sichtet sie. Mit den bei Bedarf vervollständigten Unterlagen sucht er im Uniklinikum nach der Fachrichtung und dem Arzt, der den Fall am besten beurteilen kann. Entscheidet dieser Experte, dass eine Behandlung im Uniklinikum sinnvoll und erfolgsversprechend ist, nimmt der Flüchtlingslotse Kontakt zur für den Asylsuchenden zuständigen Behörde auf. Denn es sind die jeweiligen Sozial- oder Jugendämter, die darüber entscheiden, ob die Behandlungskosten übernommen werden oder nicht. Nach dem behördlichen OK organisiert der Lotse die notwendigen Termine sowie einen Dolmetscher. Auch nach der Behandlung bleibt der Case Manager der zentrale Ansprechpartner für die Ämter.
Da das Asylrecht und die Regularien zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen sehr komplex ist, hat Robert Bitterlich vor einigen Wochen damit begonnen, Erstaufnahmelager, Behörden und Flüchtlingsambulanzen im Einzugsbereich des Dresdner Uniklinikums aufzusuchen. In den Gesprächen werden Wissen und Erfahrungen ausgetauscht, um künftig gut zusammenzuarbeiten. Bis zu den Weihnachtsfeiertagen stehen dabei noch eine ganze Reihe an Gesprächen an. „Mich haben schon immer neue Aufgaben gereizt“, sagt Robert Bitterlich, der bereits als Case Manager Neuland im Uniklinikum betreten hatte. „Ich sehe die Probleme, die Ärzte und Pflegende haben, wenn sie einen Flüchtling behandeln. Viele organisatorische Dinge kann ich ihnen nun abnehmen, so dass mehr Zeit für die Patienten bleibt“, erklärt der Flüchtlingslotse. Seine Motivation speist sich auch aus den schweren Schicksalen der Flüchtlinge: „Ich will für Menschen da sein, die Schweres durchgemacht haben. Sie sollen hier die medizinische Versorgung bekommen, die ihnen zusteht.“
Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
17.12.2015