Illustration von zwei würfelförmigen Räumen mit Medizintechnik, Ärzten und...

Bildquelle: EKFZ; © Stephen Gilbert, Rebecca Mathias

News • Sichere Testumgebung für digitale Innovationen

Wie gelingt der Aufbau eines „Living Labs“ in der Medizin?

In einer neuen Publikation stellen Forschende vom Else Kröner Fresenius Zentrum (EKFZ) für Digitale Gesundheit der TU Dresden in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Klinische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Dresden und Mitgliedern der Ethikkommission der TUD einen Fahrplan für die Umsetzung sicherer, regelkonformer „Living Labs“ in der Medizin vor.

Die Autoren betonen die Bedeutung flexibler und sicherer Rahmenbedingungen, um Innovationen in der digitalen, KI-gestützten Gesundheitsversorgung zu beschleunigen. Die Veröffentlichung erfolgte in der Fachzeitschrift „Science Advances“

Living Labs in der Medizin sind reale, kooperative Umgebungen, die dazu dienen, neue Technologien unter nahezu klinischen Bedingungen zu testen. Moderne digitale Geräte sind zunehmend flexibel, vernetzt und voneinander abhängig. Living Labs bieten eine wertvolle Möglichkeit, um zu untersuchen, wie Patienten oder medizinisches Fachpersonal mit digitalen Innovationen – wie beispielsweise künstlicher Intelligenz (KI), mobilen Gesundheits-Apps und tragbaren Sensoren – in klinischen Arbeitsabläufen interagieren. Durch die Erfassung der Nutzerperspektiven und Ergebnisse in einem frühen Entwicklungsstadium tragen Living Labs dazu bei, dass digitale Anwendungen sowohl praktisch sind als auch einen Mehrwert für Patienten haben.

Die Flexibilität, die Living Labs auszeichnet, steht jedoch oft im Widerspruch zu den starren Strukturen der derzeitigen EU-Rechtsvorschriften für Medizinprodukte, die ursprünglich nicht für digitale und adaptive Technologien konzipiert wurden. „Living Labs stehen in einem natürlichen Spannungsverhältnis zur Regulierung“, erklärt Rebecca Matthias, Mitautorin der Veröffentlichung und wissenschaftliche Mitarbeiterin am EKFZ für Digitale Gesundheit. „Flexibilität und Sicherheit schließen sich jedoch nicht aus. Flexibilität in der Bewertung sowie in der Interaktion mit den Patienten geht Hand in Hand mit Sicherheit und ethischen Leitplanken.“ 

Die Veröffentlichung stützt sich auf die Erfahrungen des Teams beim Aufbau eines Living Labs am Dresdner Universitätsklinikum zur Erforschung von Multipler Sklerose (MS). „Unser MS Living Lab ist ein sich ständig weiterentwickelndes Konzept, das in kontinuierlichem Austausch mit allen Beteiligten, einschließlich der Ethikkommission und der Aufsichtsbehörden, steht, um Sicherheit und Compliance zu gewährleisten, ohne dabei die Innovation zu behindern“, sagt Prof. Tjalf Ziemssen, Leiter des Zentrums für Klinische Neurowissenschaften an der Neurologischen Klinik des Dresdner Universitätsklinikums Carl Gustav Carus. 

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Die Veröffentlichung zeigt auf, wie Living Labs – insbesondere solche, die in Universitätskliniken eingebettet sind – wesentliche Sicherheits- und Ethikstandards einhalten und gleichzeitig digitale Innovationen fördern können. Die Autoren argumentieren, dass Umgebungen wie Living Labs und „Regulatory Sandboxes“ – die Entwickler und Aufsichtsbehörden zusammenbringen, um neue Technologien sicher zu testen – für künftige Gesundheitstechnologien unerlässlich sind. Der EU AI Act schreibt die Einrichtung von mindestens einer Regulatory Sandbox pro Mitgliedsstaat bis August 2026 vor und unterstreicht damit die Dringlichkeit der Entwicklung strukturierter, ethischer und skalierbarer Experimentierräume. 

Mit der richtigen Unterstützung können Umgebungen wie Living Labs die Kluft zwischen Regulierung und Innovation überbrücken

Stephen Gilbert

Anders als herkömmliche medizinische Geräte entwickeln sich KI-gestützte digitale Gesundheitstechnologien im Laufe der Zeit weiter und erfordern häufig laufende Anpassungen auf Grundlage neuer Daten. Diese Dynamik macht es den Entwicklern schwer, ihre Tools in vollständig realistischen klinischen Arbeitsabläufen zu bewerten, insbesondere unter den derzeitigen regulatorischen Bedingungen. Infolgedessen werden wichtige Aspekte wie Benutzerfreundlichkeit, Integration in bestehende Krankenhaussysteme und Zusammenspiel mit anderen Geräten oft übersehen. Durch einen sicheren Rahmen für ethische und rechtskonforme Studien können Living Labs dazu beitragen, diese Herausforderungen zu überwinden. Sie unterstützen die Sammlung umfangreicher, realer Daten und helfen den Entwicklern, die Bedürfnisse von Patienten und medizinischem Fachpersonal besser zu verstehen, was letztlich die sichere Umsetzung innovativer Ideen in die klinische Praxis beschleunigt. 

„Die EU hat eine ehrgeizige regulatorische Vision skizziert, um bei der sicheren und ethischen Kontrolle der KI in der Medizin eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Dies erfordert mutige und gut finanzierte Strategien, die kontrollierte Studien unterstützen und Innovationen fördern. Mit der richtigen Unterstützung können Umgebungen wie Living Labs die Kluft zwischen Regulierung und Innovation überbrücken und sicherstellen, dass sich digitale Gesundheitslösungen auf sinnvolle und ethische Weise weiterentwickeln und letztlich den Patienten und den Gesundheitssystemen zugutekommen“, sagt Prof. Stephen Gilbert, Professor für Medical Device Regulatory Science an der TUD und Mitautor der Studie. 


Quelle:  Else Kröner Fresenius Zentrum (EKFZ) für Digitale Gesundheit

15.05.2025

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