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Die Thermoablation – ein vernachlässigtes Verfahren
In Deutschland werden viel zu wenige Thermoablationen in der Leber durchgeführt“, kritisiert Prof. Dr. Thomas Helmberger, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Bogenhausen.
Allein 20.000 bis 25.000 Patienten mit Lebermetastasen bei Kolonkarzinom wären für die Thermoablation geeignet.
Prof. Dr. Thomas Helmberger
Laut dem bundesweiten Register der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DEGIR) werden im Land nicht einmal 3.000 derartige minimal-invasive Eingriffe vorgenommen. Helmberger geht davon aus, dass die Zahl mindestens um den Faktor zehn höher sein müsste: „Allein 20.000 bis 25.000 Patienten mit Lebermetastasen bei Kolonkarzinom wären für die Thermoablation geeignet“, bekräftigt der Münchner Radiologe.
Gleich zwei Studien (EPOC und CLOCC) haben gezeigt, dass bei Lebermetastasen bis zu einem Umfang von drei Zentimetern die Thermoablation chirurgischen Verfahren gleichwertig ist. „Es muss nur aus onkologischer Sicht sinnvoll sein“, betont Helmberger: „Diese Entscheidung sollte in einem interdisziplinären Tumorboard gefällt werden.“ Beim Leberzellkarzinom ist die Thermoablation eigentlich Methode der Wahl: Gemäß den Barcelona-Kriterien, einer europaweiten Konsensus-Empfehlung, ist bei Leberzellkarzinomen mit einer Größe von drei Zentimetern eine Thermoablation empfohlen, bei Tumoren zwischen drei und fünf Zentimetern nach einer vorherigen Chemoembolisation.
Derzeit werden zur Thermoablation drei Verfahren angewandt: Erstens die „klassische“ Radiofrequenzablation im Langwellenbereich (ca. 500 Kilohertz), bei der das Umfeld um die Spitze der Elektrode auf 100 bis 110 Grad Celsius erhitzt wird, das Verfahren, das am längsten im klinischen Einsatz ist. Zweitens die Mikrowellenablation, die mit elektromagnetischen Wellen in Bereich von zwei Gigahertz arbeitet (Helmberger: „Eine schnellere, aber auch schwerer zu kontrollierende Methode, weshalb sie nur in die Hände von erfahrenen Kollegen gehört“). Und drittens erlebt gerade die Kryoablation, in deren Zuge der Tumor bei Temperaturen von minus 80 Grad Celsius eingefroren wird, ein Comeback – insbesondere im Bereich der Behandlung von Nierentumoren.
Der Grund, warum in Deutschland – anders als etwa in den USA – zu wenige Thermoablationen vorgenommen werden, ist ein Mix aus berufspolitischen und ausbildungstechnischen Faktoren. „Oft scheitert der Radiologe an der fehlenden Bereitschaft seiner klinischen Kollegen. Es gibt leider viele Krankenhäuser, in denen der Onkologe oder der Chirurg partout nichts von minimal-invasiven Verfahren wissen will“, erläutert Helmberger: Wer aber mangels Patienten, die zu ihm geschickt werden, keine Thermoablationen durchführe, könne sich auch keine entsprechende Expertise aufbauen und somit den Stellenwert der Thermoablation ins rechte Licht rücken. Sein Ratschlag an die betroffenen Radiologen: „Sie müssen die Möglichkeiten der Thermoablation und anderer tumorablativer Verfahren kompetent im Tumorboard vertreten und ihre Kollegen mit den vorliegenden Daten überzeugen.“
Dazu kommt, dass aus Helmbergers Sicht bei der Facharztausbildung noch zu wenig Aufmerksamkeit auf die interventionellen und interventionell-onkologischen Verfahren im Besonderen gelegt wird, so dass es zu wenige Radiologen gebe, die diese Verfahren überhaupt anbieten können. „Wenn nicht genügend Radiologen für die Thermoablation ausgebildet sind und diesen wenigen die Durchführung in vielen Krankenhäusern nicht ermöglicht wird, dann ist es mit dem Beitrag der Interventionellen Radiologie an der Tumortherapie in jener Qualität, wie wir sie heute an den Hochleistungszentren haben, bald zu Ende“, warnt der Münchner Mediziner. Auch jene Radiologen, die lieber keine Interventionen vornehmen, müssten über ihren Schatten springen, meint Helmberger: „Wir müssen gewärtigen, dass sich die Rolle der bildgebenden Diagnostik durch die Radiologie in den nächsten zehn bis 15 Jahren vermutlich deutlich wandeln wird, hierbei mögen unter anderem molekulargenetische Analyseverfahren oder semiautomatische Befundsysteme eine Rolle spielen.“ Um nicht aufs Abstellgleis zu geraten, müssten die Radiologen sich eben verstärkt den interdisziplinären Aspekten und Kompetenzen des Faches, wofür eben auch die Interventionelle Radiologie steht, zuwenden.
Profil:
Prof. Dr. Thomas Helmberger ist Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Bogenhausen in München. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der interventionellen Onkologie, der abdominellen Bildgebung (Leber, Pankreas, Intestinum) sowie der vaskulären Bildgebung und Intervention. Der Radiologe ist Mitglied zahlreicher deutscher und internationaler Fachgesellschaften. Er ist Gründungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) und war 2011 Präsident des Bayerischen Röntgenkongresses und des CIRSE.
Veranstaltungshinweis:
Raum: Conference 4
Samstag, 15. Oktober 2016, 13:30–13:50 Uhr
Session: Symposium 17
Intervention 2 – Tumor
Thermoablation der Leber – Ein Kochbuch für jedermann?
13.10.2016