Nicht ohne Konkurrenz, aber immer besser: interventionelle Onkologie
Die interventionelle Onkologie ist bei der Behandlung von Tumorerkrankungen in Deutschland weiter auf dem Vormarsch und ihre Bedeutung wird in Zukunft aufgrund der steigenden Zahl von Tumorpatienten sicherlich noch weiter zunehmen. Derzeit ist es nicht möglich, exakte Zahlen über die Eingriffe zu bekommen.
Etwa 200 der bundesweit fast 2.000 Krankenhäuser arbeiten jedoch mit der Qualitätssoftware der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) und dokumentieren damit ca. 10.000 interventionell onkologische Eingriffe.
Nach wie vor besonders akzeptiert und erfolgreich ist die interventionelle Onkologie bei der Behandlung des Leberzellkarzinoms. Hier muss bundesweit von mehreren Tausend Behandlungsfällen jährlich ausgegangen werden. Die neuen internationalen Leitlinien für die Behandlung sehen dabei die interventionellen Maßnahmen ganz vorne, mindestens ebenbürtig zu den klassisch chirurgischen Verfahren.
„Das ist nicht verwunderlich, da die klassische Onkologie bei diesen Tumoren an ihre Grenzen stößt. Aber auch bei anderen Tumormanifestationen sind die interventionellen Radiologen auf dem Vormarsch, allerdings dabei immer abhängig von der Aufgeschlossenheit des Umfeldes. Von daher kann man leider immer noch nicht von einer generalisierten Akzeptanz der Verfahren sprechen“, erklärt Prof. Thomas Helmberger, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Klinikum München-Bogenhausen und Gründungsmitglied der DeGIR.
Prof. Thomas Helmberger, einer der weltweit führenden Spezialisten in der minimalinvasiven Tumortherapie, blickt trotzdem positiv in die Zukunft seiner Disziplin. Das ist nicht zuletzt auch den immer weitergehenden technischen Innovationen zu verdanken. So wurden in den letzten zwei Jahren etliche neue ablative Verfahren entwickelt bzw. weiterentwickelt, von denen sich Helmberger einen deutlichen Gewinn im Hinblick auf Effizienz und Zeitaufwand bei der Thermoablation verspricht.
So zeichnen sich z.B. drei neue Mikrowellenablationssysteme durch höhere Leistung, effizientere Leitungsführung und verbesserte Sonden aus. Bei anderen Verfahren, z.B. der transarterielle Embolisation oder dem hochintensiv-fokussierter Ultraschall, konsolidiert sich die Entwicklung und der Fokus richtet sich auf die Bestimmung des klinischen Stellenwertes. Dies ist dringend notwendig, da es teilweise immer noch an validen Daten mangelt. Allerdings sind zahlreiche nationale und internationale Studien, die den Stellenwert dieser Technologien definieren werden, in der Planung oder schon am Laufen.
Ein weiterer erfolgsversprechender Ansatz zeigt sich bei den Chemoablationsverfahren. Hier gibt es neue, kleinere Mikropartikel, die mit Chemotherapeutika angereichert werden können und mit denen dann noch tiefer ins Tumorgewebe hinein embolisiert werden kann, als das bisher der Fall war. „Das sind spannende Entwicklungen und derzeit werden Studien durchgeführt, die das hohe Potenzial dieser beladenen Partikel zeigen werden“, so Thomas Helmberger. Im Bereich der Radioembolisation hat es in den letzten Jahren eine Konsolidierung der Daten gegeben. „Als Ergebnis größerer und längerfristiger Studien kann der frühzeitige Einsatz der Radioembolisation insbesondere bei Lebermetastasen empfohlen werden. Daraus resultieren moderne Studienkonzepte mit Erstlinieneinsatz der Radiofrequenzembolisation zusammen mit modernen Chemotherapieregimen.
Erfreulich sind hierbei die Fünfjahresdaten für das metastasierte kolorektale Karzinom. Nationale und internationale Studien zeigen bei der Kombinationsbehandlung des Karzinoms mit Chemo- und Radiofrequenzablation eine mediane Überlebensdauer nach fünf Jahren von 55 Prozent. „Da es sich bei diesen Patienten im Regelfall um die ungünstigeren, inoperablen Fälle handelt, ist das eine sehr respektable Zahl“, erklärt der Münchener Chefarzt.
Hier gibt es im Unterschied zur Gefäßmedizin auch kaum Kompetenzstreitigkeiten mit den Chirurgen, im Gegenteil, die Patienten werden gegenseitig zugewiesen. Die Therapieentscheidungen und -möglichkeiten werden dabei immer komplexer. Die sich immer weiter in die verschiedensten Bereiche der Onkologie vorwagende interventionelle Onkologie konkurriert teilweise mit dem Markt der sich rasend schnell entwickelnden Biologicals, deren klinischer Stellenwert ja ebenfalls überprüft werden muss. Es zeichnet sich aber jetzt schon sehr deutlich ab, dass die besten Behandlungserfolge durch ein geschicktes Miteinander verschiedener Therapieformen zu erzielen sind, so dass der Schlüssel zum Erfolg in multimodalen Therapiekonzepten liegt.
Dass dabei Studien und Interessen verschiedener Disziplinen konkurrieren können, ist normal. „Das ist ein Prozess, der ständig stattfindet. Da es auf keinem Gebiet einen Stillstand gibt, konkurrieren unter Umständen viele Verfahren miteinander. Das führt gelegentlich zu gewissen Hypes, die aber auch ebenso wieder abklingen, andererseits bringt diese Konkurrenz das ganze Feld nach vorne“, so Thomas Helmberger.
Veranstaltungshinweis
Saal Eberlein
Fr. 18.05. 08:00 – 09:30 Uhr
Helmberger T / München (Vorsitz)
Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz
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Im Profil
Bevor Prof. Dr. Thomas Helmberger im Jahr 2007 seinen Dienst als Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Bogenhausen, München, aufnahm, leitete er zweieinhalb Jahre die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin und das damalige medizinische Leistungszentrum Strahlenmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.
Prof. Dr. Thomas Helmberger ist Mitherausgeber der Fachzeitschriften Der Radiologe und CardioVascular and Interventional Radiology (CVIR) und engagiert sich als Gutachter für weitere Publikationen wie RöFo oder European Radiology. Er ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) und aktiv in vielen Fachgesellschaften, darunter die International Liver Cancer Association (ILCA), die ESR und CIRSE.
10.05.2012