Gut gekippt ist gut geblickt

MRT-basiertes Staging weiblicher Beckentumoren

Viele Gynäkologen sehen in der prätherapeutischen Schnittbildgebung mittels MRT zur Beurteilung eines primären Zervix-, Endometrium-, Vulva-, Vaginal- und Ovarialkarzinoms keinen Vorteil und setzen nach wie vor auf den Goldstandard, das klinisch-operative Staging nach den Richtlinien der International Federation of Gynecologics and Obstetrics (FIGO).

Dr. Céline D. Alt
Dr. Céline D. Alt

Lediglich beim Zervixkarzinom ist die prätherapeutische MRT ab dem Stadium FIGO Ib2 und beim Vulvakarzinom ab dem Stadium FIGO II in den gynäkologischen Leitlinien als weiterführende Diagnostik empfohlen. Anders im Universitätsklinikum Heidelberg: Hier haben die Etablierung von speziell auf das gynäkologische Becken abgestimmten MRT-Protokollen sowie eine enge und effektive Zusammenarbeit mit der Gynäkologie für ein Umdenken gesorgt. So gehört die prätherapeutische Becken-MRT auch beim primären Endometrium-, Ovarial- und Vaginalkarzinom zur Basisdiagnostik der Standard Operating Procedures des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen (NCT), um innerhalb des interdisziplinären Tumorboards – das gemeinsam mit den Gynäkologen und Strahlentherapeuten des Klinikums stattfindet – zur individuellen Therapieplanung herangezogen zu werden.

„Grundsätzlich ist die MRT aufgrund des exzellenten Weichteilkontrasts und der hohen Detailgenauigkeit der CT bei der Darstellung der Beckenorgane überlegen. Um diesen Vorteil aber effektiv zum lokalen Tumorstaging nutzen zu können, ist die richtige Kippung der Sequenzen während des Scans unerlässlich“, erklärt Dr. Céline Alt, Fachärztin für Radiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, „gerade das weibliche Becken lässt sich nicht mit Standardeinstellungen im MRT beurteilen. So hängt die Lage des Uterus zum einen von der Blasenfüllung ab, zum anderen kann er ante- oder retroflektiert sein. Jede Untersuchung muss also individuell angepasst und auf den zu untersuchenden Tumor gekippt werden. Beim Endometriumkarzinom muss die transversale Kippung daher parallel zur kurzen Achse des Uterus verlaufen, beim Zervixkarzinom entsprechend parallel zur kurzen Achse der Zervix. Beim Vaginalkarzinom ist auf die kurze Achse der Vagina, beim Vulvakarzinom auf die kurze Achse der distalen Urethra zu planen. Ansonsten ist eine genaue Aussage bezüglich der Tumorausdehnung und der Umgebungsinfiltration nicht möglich.“

Wie genau das lokale Staging mit dem auf jeden Tumor angepassten Protokoll im Vergleich zum histopathologischen Ergebnis ist, das wertet Dr. Alt aktuell im Rahmen von drei Studien in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) aus. Die Protokolle beinhalten neben hochaufgelösten, T2-gewichteten Sequenzen speziell abgestimmte funktionelle Sequenzen wie die Kontrastmitteldynamik und die Diffusionswichtung. „Aber nicht nur für die Primärdiagnostik – auch für die Strahlentherapieplanung und zur Tumornachsorge ist die MRT mit funktionellen Sequenzen wertvoll. Die Erfahrungen in der eigenen Klinik und die Ergebnisse aus internationalen Studien machen das deutlich“, so die Radiologin. Die aktuellen Studien der Heidelberger Arbeitsgruppe – bis Dezember 2012 unter der Sektionsleitung von Prof. Dr. Peter Hallscheidt – werden an einem 3-Tesla-MRT durchgeführt, das einen noch besseren Kontrast und eine höhere Detailgenauigkeit der Beckenorgane im Vergleich zu 1,5 Tesla erlaubt, laut Alt können jedoch auch moderne 1,5-Tesla-Geräte sehr gute Bilder liefern.

„Aktuell werten wir die Ergebnisse unserer funktionellen MR-Untersuchungen hinsichtlich des lokalen Tumorstagings aus. Dabei ist natürlich auch interessant, ob wir die international vorliegenden Daten bestätigen können“, erklärt die Radiologin. Im Fokus wissenschaftlicher Arbeit sieht sie neben der Weiterentwicklung der Kontrastmitteldynamik und der Diffusionswichtung auch die Messung der Tumorperfusion. Für die funktionelle Bildgebung weiblicher Beckentumoren stehen neben der MRT weitere Modalitäten zur Verfügung. Hier ist vor allem die PET-CT zu nennen, die aktuell vor allem in der Lymphknoten-, Metastasen- und Rezidivdiagnostik eingesetzt wird.

„Die bisher vorliegenden Ergebnisse funktioneller Bildgebung bezüglich des Stagings und der Nachsorge gynäkologischer Beckenmalignome sind so vielversprechend, dass die Perspektiven für eine interdisziplinäre und individuelle Therapieplanung sehr gut sind und damit möglicherweise zu einer Verbesserung des Therapieoutcomes der Patientinnen beitragen können“, schließt Dr. Alt.

 

IM PROFIL

Dr. Céline D. Alt, seit Februar dieses Jahres Fachärztin für Radiologie, arbeitet seit November 2006 in der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der MR-Diagnostik gynäkologischer Beckentumoren und in der dynamischen MRT bei Beckenbodendysfunktion. Die heute 33-Jährige absolvierte das Studium der Humanmedizin an der Universität Heidelberg und erhielt 2006 ihre Approbation. Zeitgleich schloss sie ihre Promotion mit „magna cum laude“ ab. Seit 2011 ist sie Prüfärztin für Onkologie.

29.05.2013

Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

Artikel •

Die Zukunft der gynäkologisch-onkologischen Bildgebung

Die MRT ist heute integraler Bestandteil von Diagnose und Management von Patientinnen mit malignen gynäkologischen Tumoren, da diese Technologie sowohl anatomische Details in hoher Auflösung…

Photo

News • Bildgebende Verfahren in der Onkologie

Krebs: Die Rolle der Radiologie

In Deutschland sterben jedes Jahr rund 230.000 Menschen an Krebs. Zum Weltkrebstag spricht Prof. Dr. Stefan Diederich über die zentrale Bedeutung bildgebender Verfahren in der Diagnose und Therapie.

Photo

Artikel • MR & Fusion

Bildfusion von MRT und Ultraschall bei abdominellen Tumoren

Zur Abklärung fokaler Leber- oder Nierenläsionen wird die Sonographie meist als erstes bildgebendes Verfahren eingesetzt. In erster Linie ist dabei die Unterscheidung der benignen von malignen…

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren