Zwei Babys aber nur eine Plazenta
Früher Ultraschall bei Zwillingsschwangerschaft besonders wichtig
Zwillingsschwangerschaften gelten immer als Risikoschwangerschaften. Das Risiko für Komplikationen erhöht sich, wenn sich beide Zwillinge eine Plazenta – auch Mutterkuchen genannt – teilen. Dies können Ärzte im Ultraschall jedoch nur in der Frühschwangerschaft sicher feststellen, belegt eine aktuelle Studie aus den USA. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) empfiehlt Schwangeren, die erste Vorsorge-Ultraschalluntersuchung zwischen der 9ten und 12ten Schwangerschaftswoche unbedingt wahrzunehmen.
„Um das Risiko von Zwillingsschwangerschaften richtig einzuschätzen, ist es wichtig zu wissen, ob sich die Kinder eine Plazenta teilen oder nicht“, erläutert Doktor Kai-Sven Heling, Leiter der DEGUM-Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe. Stellt der Frauenarzt beim ersten Ultraschall eine Mehrlingsschwangerschaft fest, prüft er daher umgehend ob es sich um „monochoriotische“ Zwillinge handelt, also nur eine Plazenta vorhanden ist – das „Chorion“ bezeichnet den kindlichen Anteil der Plazenta. „Die Bestimmung ist jedoch nur bis zur 14ten Schwangerschaftswoche sicher möglich“, erklärt Heling. Beim zweiten Vorsorge-Ultraschall zwischen der 19ten und 22sten Woche lässt sich der keilförmige Ausläufer des Chorions, der für Schwangerschaften mit zwei Plazenten typisch ist, bereits nicht mehr eindeutig erkennen.
Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Stanford University in Kalifornien bestätigt, das der Zeitpunkt des Ultraschalls für die Bestimmung der Chorionizität entscheidend ist. Die Forscher um Yair Blumenfeld hatten bei 545 Frauen, die mit Zwillingen schwanger waren, den Befund des Ultraschalls durch eine Untersuchung der Plazenta nach der Geburt überprüft. Wie die Forscher kürzlich im Fachblatt Journal of Ultrasound in Medicine berichteten, wurde dabei jedes fünfte „monochoriotische“ Zwillingspaar fälschlicherweise als „dichoriotisch“ eingestuft. Die falschen Ergebnisse betrafen vor allem Untersuchungen zwischen der 15. und 20. Schwangerschaftswoche. Bei Untersuchungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche lagen nur halb so viele Fehler vor.
„Eine falsche Bestimmung der Chorionizität kann fatale Folgen haben“, warnt Heling. Denn die Plazenta versorgt die heranwachsenden Föten mit Nährstoffen und Sauerstoff. Teilen sich zwei Kinder eine Plazenta – dies ist bei den meisten eineiigen Zwillingen der Fall – ist das Risiko für Wachstumsverzögerungen, Früh- oder Totgeburt deutlich erhöht. Auch das sogenannte feto-fetale Transfusionssyndrom (FFTS) zählt zu den Komplikationen, die nur monochoriotische Zwillinge betreffen. Hierbei stehen die kindlichen Blutkreisläufe miteinander in Verbindung. Eines der Kinder wird besser mit Blut versorgt als das andere – ein lebensbedrohlicher Zustand für beide Kinder. "Wird das FFTS frühzeitig erkannt, besteht die Möglichkeit, die Gefäßverbindungen per Laser vorgeburtlich zu verschließen oder die Geburt vorzeitig einzuleiten", erklärt Heling.
Nach Erhebungen des AQUA-Instituts führten Ärzte im Jahr 2013 lediglich bei rund 80 Prozent der Schwangeren vor der 13ten Woche erstmals eine Ultraschalluntersuchung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung durch. „Möglicherweise unterschätzen manche Frauen die Bedeutung der frühen Vorsorge“, kommentiert Heling. Grundsätzlich sei beim Ultraschall immer auch die Erfahrung und Qualifikation des Untersuchers entscheidend, betont der Experte. DEGUM-zertifizierte Frauenärzte finden Eltern auf der Homepage der Fachgesellschaft unter www.degum.de.
Quelle: DEGUM
12.05.2015