Patientin mit Gesichtsmaske für die Intensitätsmodulierte Strahlentherapie IMRT (Symbolbild). Auf dem US-amerikanischen Radioonkologie-Kongress ASTRO informierten sich Experten über neueste Forschungsergebnisse und Behandlungsansätze.

Bildquelle: US Air Force from USA, Radiation (10613606134), als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

News • Highlights vom ASTRO-Kongress

Fortschritte in der Radioonkologie

Die Fortschritte der Onkologie in den letzten Jahren sind immens. Dazu trägt die moderne Radiotherapie maßgeblich bei.

Da jede Krebsbehandlung aber in unterschiedlichem Umfang auch eine eine kurz- sowie langfristige therapieassoziierte Morbidität und Mortalität beinhaltet, muss immer der Nutzen gegen mögliche Nachteile abgewogen und im Auge behalten werden. Auf dem größten Kongress für Radioonkologie, der American Societry for Radiation Oncology (ASTRO), die in diesem Jahr in Chicago stattfand, wurden Studienergebnisse vorgestellt, die deutliche Verbesserungen der Therapieergebnisse und Vorteile für die Patienten aufzeigen.

Eine Therapiemodifizierung zur Minimierung von Nebenwirkungen macht aber nur Sinn, wenn dadurch eine eigentlich gute Langzeitprognose nicht verschlechtert wird. Herauszufinden, welche Patienten wirklich von einer Therapieintensivierung oder –deeskalation profitieren, ist ein Ziel der modernen klinischen Forschung in der Radioonkologie. Jede Krebstherapie muss in ihrer Intensität sorgsam abgewogen werden, um weder den Erfolg durch Langzeittoxizitäten zu belasten, noch klinische Effektivitätseinbußen zu riskieren. Zur Optimierung der Therapien werden neue Medikamente oder Technologien entwickelt, Kombinationstherapien erprobt, aber auch Strategien zur Therapiedeeskalationen (im Sinne der Toxizitätseinsparung) oder für individualisierte Therapiekonzepte und eine spezifische Patientenstratifizierung evaluiert.

Bestrahlung sichert die lokale Tumorkontrolle bei Hodgkin-Lymphom

radiation therapy on hodgkin lymphoma patient
Strahlentherapie eines Patienten mit Hodgkin-Lymphom

Zur Primärtherapie früher Stadien des Hodgkin Lymphoms ist eine kombinierte Chemo-Strahlentherapie heute Standard („Combined modality treatment“=CMT). Die multizentrische Phase-III-Studie „HD16“ (16. Studie) der GHSG („German Hodgkin Study Group“) untersuchte in Deutschland, Niederlande, Österreich und der Schweiz eine Individualisierung des Vorgehens. Über 1000 Patienten (18-75 Jahre) wurden in einen Standard- und einen experimentellen Arm randomisiert. Alle erhielten zunächst zwei ABVD-Chemotherapie-Zyklen (Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin), gefolgt von einer Kontrolle des Therapieansprechens mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) – eine Bildgebung, die den Glukosestoffwechsel des Tumors (als Hinweis für noch lebende Tumorzellen) darstellen kann. In der Standard-Gruppe erhielten dann alle (nach ABVD) die übliche Bestrahlung (20 Gy); in der experimentellen Gruppe wurden dagegen nur PET-positive Patienten bestrahlt. Bei Patienten mit positivem PET betrug das 5-Jahres-progressionsfreie Überleben nach CMT 88,1% (wenn ein anderer, gebräuchlicherer Positivitäts-Cut-off-Wert verwendet wurde nur 80,1%). Bei Patienten mit negativer PET betrug das 5-Jahres-progressionsfreie Überleben nach Standard-CMT 93,4% und 86,1% mit alleiniger Chemotherapie. Dieser Unterschied resultierte vor allem aus einem Anstieg der Rückfälle in der früheren Tumorregion (lokale Rezidive). Das Gesamtüberleben nach fünf Jahren war bei PET-negativen Patienten mit CMT und mit alleiniger Chemotherapie ähnlich (98,1% und 98,4%). In einer zwischenzeitlich erschienenen Vollpublikation der Studie in der Zeitschrift Journal of Clinical Oncology empfiehlt die Studiengruppe daher explizit, dass die konsolidierende Strahlentherapie als Standardbehandlung bei den Patienten, die nach 2 Zyklen ABVD ein Ansprechen im PCT zeigen, beibehalten wird.

„Studienziel war zu zeigen, dass für frühe Stadien des Hodgkin Lymphoms eine PET-stratifizierte Deeskalation der kombinierten Standard-Chemo-Strahlentherapie hinsichtlich des Rezidivrisikos nicht unterlegen ist ­– dieses Ziel wurde so leider nicht erreicht“, kommentiert Frau Univ.-Prof. Dr. Stephanie Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Zwar bedeutete ein positives PET erwartungsgemäß einen Risikofaktor für Rückfälle, umgekehrt war ein negatives PET jedoch kein ausreichender Schutzfaktor, der erlaubt, auf die Bestrahlung im Anschluss an die Chemotherapie zu verzichten“, so Prof. Combs. „Die Versuche, Kerbstherapien nach dem aktuellem Wissenstand zu deeskalieren, sind nicht immer erfolgreich – auch das muss aber erst herausgefunden werden. Mit der HD16-Studie trägt die deutsche radiolonkologische Forschung weltweit dazu bei, dass künftig bei der Primärtherapie von Hodgkin-Patienten durch eine Bestrahlungs-Einsparung keine Rückschritte riskiert werden.“

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Lymphome: Mit der FDG-PET/CT sieht man besser

Die Bildgebung ist eine wichtige Grundlage für die Diagnostik von pathologischen Lymphknoten und Organmanifestationen von Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen – von der Erstuntersuchung über die Therapiekontrolle bis hin zur Nachsorge. Hier wird sich das F-18-FDG-PET/CT weiter durchsetzen, ist sich Dr. Melvin D’Anastasi vom Klinikum der Universität München sicher.

Bestrahlung plus Chemotherapie senkt das Metastasierungsrisiko bei Gebärmutterkrebs

Während eine Bestrahlung bei vielen Malignomen maßgeblich zur lokalen Tumorkontrolle beiträgt, kann eine Fernmetastasierung oft besser durch eine Chemotherapie verhindert werden. Dies zeigte sich auch in einer aktuellen Studie bei Gebärmutterkrebs. Das sogenannte Endometriumkarzinom (EC)  geht von der Schleimhaut des Gebärmutterkörpers aus. Ein Hochrisiko-EC (HREC) führt besonders oft zu Rückfällen. Die PORTEC-3-Studie untersuchte bei HREC-Patientinnen den Nutzen einer simultanen und adjuvanten Radio – Chemotherapie (d.h. während und nach der Radiotherapie (CT+RT)) gegenüber der alleinigen Bestrahlung (RT) des Beckens. Sie erhielten 1:1 randomisiert entweder eine CT+RT (zwei Zyklen Cisplatin in den Bestrahlungswochen 1 und 4, gefolgt von vier Zyklen Carboplatin AUC5 und Paclitaxelin 3-wöchigen Intervallen) oder die alleinige RT (48,6 Gy in 1,8-Gy-Fraktionen). 

Im Ergebnis konnten in jeder Gruppe 330 Patientinnen ausgewertet werden: Das 5-Jahres-Gesamtüberleben lag bei 81,4% (für CT+RT) und 76,1% (für RT); das rezidivfreie Überleben betrug 76,5% und 69,1% (p=0.016). Besonders profitierten Frauen mit dem hochmalignen, sogenannten „serösen“ Krebszelltyp, hier verbesserte die Hinzunahme der Chemotherapie gegenüber der alleinigen Bestrahlung das 5-Jahres-Gesamtüberleben von 52,8% auf 71,4%. Sogar im Tumorstadium III verbesserte die Chemotherapie das 5-Jahres-Gesamtüberleben um 10% (HR 0,63). Insgesamt kam es nach CT+RT bei 21,4% der Patientinnen zum Rückfall – gegenüber 29,1% nach alleiniger RT. Die Rezidive traten meist als Fernmetastasen auf, lokale Rezidive im kleinen Becken waren dagegen sehr selten (1,2 %). Wie entscheidend das Verhindern von Rückfällen bei HREC ist, zeigte auch der Verlauf: Das Überleben nach Auftreten eines Rezidivs betrug nur noch 1,2 (CT+RT) bzw. 1,4 (RT) Jahre.

Bestrahlung kann bei Prostatakarzinom-Rezidiv das metastasenfreie Überleben von 6 auf 29 Monate verlängern

Die Evidenzlage spricht bei Patienten mit oligometastasierendem Prostatakarzinom („OMPC“, d. h. nur wenige einzelne Fernmetastasen) für eine vollständige Entfernung (Ablation) der Metastasen oder eine Bestrahlung der Metastasen. Dennoch bleibt das OMPC Gegenstand vieler Studien – gesucht werden beispielsweise Biomarker, um Patienten zu definieren, die am meisten von dem ablativen Vorgehen profitieren – bzw. die, die eher nicht durch eine Maximaltherapie belastet werden sollten. In der Phase-II-Studie „ORIOLE“ wurde untersucht, ob eine stereotaktische (d. h. CT-gesteuerte, computergestützt 3D-geplante) ablative Radiotherapie („SABR“) das Outcome verbessert und ob geeignete Biomarker dies vorhersagen können. Dazu wurden 54 Patienten mit rezidiviertem, hormonsensiblen OMPC 2:1 randomisiert und erhielten entweder eine SABR oder nicht (Observationsgruppe / OBS). Die Bestrahlung ging maximal mit Nebenwirkungen von Grad 1-2 einher.

Nach sechs Monaten hatten in der SABR-Gruppe 19% der Patienten eine Tumorprogression und in der OBS-Gruppe 61% (nach median 5,8 Monaten). In der SABR-Gruppe war bei Patienten mit PET-bestätigter, vollständiger Tumorfreiheit das fernmetastasenfreie Überleben fast 5-mal größer als bei nachgewiesenen Tumorresten (29 versus 6 Monate). Die Bestrahlung induzierte eine systemische Immunantwort gegen Krebszellen und initiale molekulargenetisch-immunbiologische Untersuchungen im Patientenblut konnten das Ansprechen auf die Bestrahlung vorhersagen. Hierbei zeigt sich wieder deutlich, wie z.B. auch beim NSCLC, dass eine hochpräzise lokale Bestrahlung auch bei Vorliegen von Metastasen sinnvoll und effektiv ist.

Geringere Toxizität durch Protonenstrahlung

Die Radiotherapie als Bestandteil der modernen Krebstherapie ist nach wie vor unverzichtbar in der Kombinationstherapie

Rainer Fietkau

In der Strahlentherapie wird zunehmend anstelle der konventionellen Photonenstrahlung (z. B. als intensitätsmodulierte Radiotherapie / IMRT) die sogenannte Protonentherapie (Bestrahlung mit Protonen-Teilchen) eingesetzt, die aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften besonders zielgenau und schonender für das Gewebe in der Tumorumgebung bzw. benachbarte Organe ist. Eine randomisierte Phase-IIB-Studie untersuchte bei Patienten mit Speiseröhrenkrebs im Rahmen einer Strahlenchemotherapie, in welchem Umfang sich die Vorteile einer Protonenbestrahlung (PBT) gegenüber einer IMRT hinsichtlich der klinischen Ergebnisse niederschlagen. Es wurden vom Beginn der Therapie über zwölf Monate insgesamt elf spezifische unerwünschte Nebenwirkungen bzw. Ereignisse monitorisiert und ein Wert für die Gesamttoxizität berechnet (TTB=total toxicity burden). Von 145 Patienten (medianes Alter 66 – 68 Jahre) konnten 105 ausgewertert werden. Im Ergebnis war das progressionsfreie Überleben nach IMRT und PBT nicht unterschiedlich. Aber die Toxizität (TTB-Wert) der IMRT war insgesamt 2,3-mal höher als bei PBT. Patienten, die nach der Radiochemotherapie noch operiert wurden, hatten in der IMRT-Gruppe 7-mal mehr postoperative Komplikationen. Ob eine Protonentherapie im Einzelfall Vorteile hat, muss aber weiterhin in großen prospektiven Studien untersucht werden. Die IMRT bleibt weiterhin der Standard, der hoch effektiv ist und auch exzellente Therapieergebnisse erzielen kann.

„Die Radiotherapie als Bestandteil der modernen Krebstherapie ist nach wie vor unverzichtbar in der Kombinationstherapie, die Studien zeigen, dass durch sie deutliche Fortschritte erzielt werden können bzw. die Patienten besser und länger leben“, kommentiert abschließend Univ.-Prof. Dr. Rainer Fietkau, Erlangen, Präsident der DEGRO. „Ergänzende Diagnostik mit neuen Biomarkern kann bei der Patientenstratifizierung helfen und das individuelle Therapieansprechen vorhersagen.“


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)

09.10.2019

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