© Prof. Heiko Witt / TUM
News • Bauchspeicheldrüsenentzündung
Forscher identifizieren Auslöser für Pankreatitis
An der Entstehung einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) sind Mutationen in einem Ionenkanal in der Zellmembran beteiligt, der eine spezifische Durchlässigkeit für Kalziumionen besitzt.
Diese bahnbrechende Entdeckung machte ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) zusammen mit weiteren Gruppen aus Deutschland, Japan und Frankreich. Damit könnten sie den Weg für neue Therapeutika zur Behandlung und Prävention der chronischen Pankreatitis ebnen.
Die Forscher veröffentlichten ihre Erkenntnisse jetzt im Journal Gastroenterology.
An einer chronischen Pankreatitis leiden Menschen, deren Bauchspeicheldrüse sich immer wieder oder dauerhaft entzündet. „Ursache hierfür ist häufig ein jahrelanger Alkohol- oder Zigarettenkonsum. Auch erbliche Faktoren, bestimmte Medikamente oder erhöhte Fett- und Kalziumwerte im Blut können eine Bauchspeicheldrüsenentzündung auslösen“, erklärt Heiko Witt, Professor für Pädiatrische Ernährungsmedizin am Else Kröner-Fresenius Zentrum (EKFZ) der TUM und einer der beiden Studienleiter. Der Hauptfokus der bisherigen Forschung lag auf den so genannten Azinuszellen der Bauchspeicheldrüse, die die Verdauungsenzyme herstellen. Bei vielen Erkrankten mit erblich bedingter Pankreatitis lassen sich Mutationen in Verdauungsenzymen oder in Molekülen feststellen, welche die Wirkung dieser Enzyme hemmen.
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In der aktuellen Untersuchung bei europäischen und japanischen Patientinnen und Patienten mit nicht-alkoholischer chronischer Pankreatitis stellte sich heraus, dass Gendefekte, die die Funktion des Kalziumkanals TRPV6 stark beeinträchtigen, eine früh einsetzende chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung verursachen. „Ein erblicher TRPV6-Defekt ist ein weltweit auftretender, schwerer Risikofaktor für eine chronische Pankreatitis“, sagt Prof. Witt. „Mit der Identifikation von Veränderungen des Kalziumkanals werden nun auch die Gangzellen im Konzept der Krankheitsentstehung berücksichtigt.“ Gangzellen kleiden die Kanäle aus, welche die Verdauungsenzyme vom Produktionsort in den Darm leiten.
Im Mausmodell konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ein Fehlen des betreffenden Gens meist mit einer Entzündung sowie der Entwicklung einer bindegewebigen Umwandlung der Bauchspeicheldrüse, wie es typisch für chronische Entzündungen ist, einherging.
Die Entdeckung, dass die gestörte Funktion eines Kalziumkanals zur Entwicklung einer Pankreatitis beiträgt, bietet einen neuen Angriffspunkt für therapeutische Interventionen. Die Forschungsergebnisse werden zudem Eingang in die genetische Routinediagnostik der erblichen Pankreatitis finden. Darüber hinaus eröffnet sich ein neues Forschungsfeld in der Ursachenforschung der Pankreatitis – weg von den Azinuszellen und den Verdauungsenzymen hin zu Gangzellen und Kanälen beziehungsweise zum Kalziumstoffwechsel.
Mit der Identifikation von Mutationen eines Kalziumkanals als krankheits(mit)verursachender Faktor rücken andere Kalziumkanäle sowie Proteine, die in dem Kalziumstoffwechsel relevant sind, in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. „Derzeit untersuchen wir diese Gene auf Erbveränderungen in einem großen europäischen Patientenkollektiv von über 1.100 Betroffenen“, lässt Prof. Witt wissen. „Die Entschlüsselung der erblichen Grundlagen einer Pankreatitis wird unser Verständnis dieser Formen der genetisch bedingten Bauchspeicheldrüsenentzündung wie auch unser Verständnis der alkoholisch bedingten Pankreatitis entscheidend beeinflussen und neue Forschungsansätze eröffnen, die in der Zukunft möglicherweise auch zu neuen Behandlungsmöglichkeiten führen.“
Quelle: Technische Universität München (TUM)
14.05.2020