Die Endosonografie (Endoscopic Ultrasound; EUS) wird von vielen als...
Die Endosonografie (Endoscopic Ultrasound; EUS) wird von vielen als "Königsdisziplin" angesehen, denn sie ist stark von Ausbildung, Erfahrung und Interpretation des Untersuchers abhängig. a) EUS im B-Modus, b) kontrastverstärkte EUS, c) Elastografie, d) endosonografische Feinnadelpunktion

Bildquelle: Prof. Dietrich

Artikel • Bildgebung in der Viszeralmedizin

Endosonografie: KI als Helfer für die „Königsdisziplin“

Die Endosonografie stellt Untersucher vor besondere Herausforderungen, denn hier müssen gleich zwei anspruchsvolle Disziplinen gemeistert werden. Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) könnte dazu beitragen, die notorisch langsame Lernkurve des Verfahrens zu beschleunigen, sagt Prof. Dr. Christoph F. Dietrich. Der Experte erklärt auf dem Viszeralmedizin-Kongress in Hamburg, wie KI der Endosonografie zu schnelleren und besseren Diagnosen, Standardisierung der Bilder und besserer Überprüfbarkeit der Befunde verhelfen kann – und welche Hürden der Einführung der Technik noch entgegenstehen.

Artikel: Wolfgang Behrends

„Endosonographie ist in gewisser Weise die Königsdisziplin, da sie Endoskopie und Ultraschall auf höchster Ebene miteinander kombiniert“, sagt der Chefarzt des Departments Allgemeine Innere Medizin der Kliniken Hirslanden Beau-Site, Salem und Permanence in Bern. „Das Verfahren ist nicht ganz einfach zu erlernen, denn viele Parameter sind nicht standardisiert und die Beurteilungskriterien bei manchen Erkrankungen – insbesondere bei der Bauchspeicheldrüse –schwierig. Künstliche Intelligenz könnte dabei helfen, standardisierte Schnitte einzustellen und Qualitätsparameter für Darstellbarkeit und Beurteilbarkeit zu etablieren.“ 

Ein Beispiel ist die Entscheidungshilfe bei diffusen Auffälligkeiten in der Pankreas-Bildgebung: Hier können Frühformen der Fibrose mit Entzündungen auf degenerative Veränderungen im Sinne einer chronischen Pankreatitis hinweisen. Mit bloßem Auge sind diese Veränderungen jedoch kaum zu erkennen. KI könnte wertvolle Zusatzinformationen liefern, um solche Befunde bereits in einem frühen Stadium zu identifizieren und einzuordnen.

Wachsamer Blick auf Elastizität und Perfusion

Eine stärkere Vaskularisierung [deutet] in der Regel auf einen entzündlichen oder eher gutartigen neoplastischen Prozess, da diese mit erweiterten oder vermehrten Gefäßen einhergehen

Christoph F. Dietrich

Weitere denkbare Einsatzbereiche betreffen die Elastografie, bei der die KI ungewöhnliche Verhärtungen im Gewebe registriert und den Untersucher gezielt auf diese suspekten Areale hinweist. Auch eine Analyse der Vaskularität und des Perfusionsverhaltens bei einer Kontrastmittel-Sonografie könnte von Algorithmen profitieren, führt Dietrich aus – und nennt einige Beispiele: „Eine geringere Kontrastmittel-Anreicherung im Pankreas-Parenchym liefert einen Hinweis auf ein duktales Adenokarzinom, da dieses in der Regel nur ein Drittel der normalen Gefäßdichte hat. Auf der anderen Seite deutet eine stärkere Vaskularisierung in der Regel auf einen entzündlichen oder eher gutartigen neoplastischen Prozess, da diese mit erweiterten oder vermehrten Gefäßen einhergehen.“ Die Elastografie-Indikatoren gelten im Übrigen nicht nur für die Bauchspeicheldrüse, sondern lassen sich prinzipiell auf alle Organe anwenden, von der Schilddrüse über die Mamma bis hin zur Leber, ergänzt der Experte. Weiches Gewebe schließt ein Pankreaskarzinom aus. 

KI kann zudem eine wertvolle Hilfestellung für unerfahrene Untersucher sein: So könnte eine automatische Beurteilung der Einstellungsparameter sicherstellen, dass das Ultraschallsignal eine ausreichende Eindringtiefe und bessere Aussagekraft erreicht. Eine KI-gestützte Segmentierung anatomischer Strukturen könnte als Navigationshilfe dienen und gezielt auf Strukturen hinweisen, die von der Regel abweichen.

KI-Auswertung von Endosonografie-Bildern am Beispiel eines...
KI-Auswertung von Endosonografie-Bildern am Beispiel eines gradientengewichteten Klassenaktivierungsmapping (Grad-CAM): links das Original-Ultraschallbild, rechts das Grad-CAM-Bild mit den als relevant eingestuften Arealen.

Bildquelle: Tonozuka et al., Diagnostics 2021 (CC BY 4.0)

Vorbehalte überwinden

Aktuell befinden sich diese Anwendungen noch im experimentellen Stadium. Prof. Dietrich zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass zukünftig Untersucher von der Hilfestellung durch KI profitieren können: „Aktuell stehen wir noch ganz am Anfang. Allerdings ist es schon jetzt wichtig, sich mit den Möglichkeiten der Technologie zu befassen, eine Annäherung zu Methoden des selbstständigen Lernens, Mustererkennung und welchen Mehrwert sie für unsere Patienten haben können.“ Das laufe erfahrungsgemäß nicht ohne Vorbehalte ab, so der Experte; gerade Mediziner, die die Endosonografie seit vielen Jahren mit konventionellen Methoden nutzen, seien meist skeptisch gegenüber KI-Assistenten. 

Um die Diskussion über Für und Wider der neuen Technik auf ein solides Fundament zu stellen, arbeitet Dietrich aktuell gemeinsam mit einer Gruppe von 25 Experten an einem ‚Position Paper‘ der World Federation for Ultrasound in Medicine and Biology (WFUMB) – ein Dokument, das den Umgang mit der neuen Technik in geordnete Bahnen lenken soll: „Es geht einerseits darum, mithilfe von KI Grenzen zu überwinden und den neuen Möglichkeiten offen zu begegnen. Andererseits gilt es, die ethischen und juristischen Aspekte insbesondere der Datensicherheit zu beachten, die sich daraus ergeben. Kurzum: Wir müssen wissen, mit welchen Spielregeln wir es zu tun haben.“ 

11.10.2022

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