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News • Krankheitsverlauf, Risiken, Komplikationen
Die Subtypen der Prädiabetes
Prädiabetes ist nicht gleich Prädiabetes: Bei Menschen im Vorstadium des Typ-2-Diabetes gibt es sechs klar abgrenzbare Subtypen, die sich in der Krankheitsentstehung, dem Risiko für Diabetes und der Entwicklung von Folgeerkrankungen unterscheiden.
Das zeigt eine Studie des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen, des Universitätsklinikums Tübingen und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Die Ergebnisse sind jetzt in 'Nature Medicine' erschienen. Die neue Einteilung kann künftig helfen, durch eine gezielte Prävention die Diabetes-Entstehung bzw. die Entstehung von Diabeteskomplikationen zu verhindern.
Wie beim manifesten Diabetes gibt es auch im Vorstadium des Diabetes unterschiedliche Krankheitstypen, die sich durch Blutzuckerhöhe, Insulinwirkung und Insulinausschüttung, Körperfettverteilung, Leberfett sowie genetischem Risiko unterscheiden
Robert Wagner
Diabetes ist eine weltweite Pandemie. Seit 1980 hat sich die Zahl der Menschen mit Diabetes weltweit vervierfacht. Allein in Deutschland leiden 7 Mio. Menschen daran. Tendenz weiter steigend. 2040 könnte sich die Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes auf bis zu 12 Mio. erhöhen. Doch Typ-2-Diabetes entwickelt sich nicht von einem Tag auf den anderen. Oft durchlaufen die Personen eine längere Vorstufe des Diabetes, in der die Blutzuckerwerte bereits erhöht, aber die Menschen noch nicht krank sind. „Bisher konnte man bei Menschen mit Prädiabetes nicht vorhersehen, ob sie einen Diabetes entwickeln und Risiken zu schweren Folgeerkrankungen wie Nierenversagen haben, oder nur eine harmlose Form von leicht höheren Blutzuckerwerten ohne bedeutsames Risiko aufweisen“, erläutert Prof. Dr. Hans-Ulrich Häring, der die Studie vor 25 Jahren initiiert hat. Eine solche Unterscheidung ist jedoch wichtig, um der Stoffwechselerkrankung gezielt vorbeugen und so der Diabetes-Pandemie entgegenwirken zu können. Forschenden aus Tübingen ist jetzt ein wichtiger Durchbruch gelungen. Sie haben mit Hilfe der Clusteranalyse* bei Menschen mit Prädiabetes sechs verschiedene Subtypen mit unterschiedlichem Diabetes-Risiko entdeckt. Eine differenzierte Einteilung des Prädiabetes und des Diabetes ermöglicht es, eine an die Krankheitsentstehung angepasste individuelle und frühe Prävention und Therapie von Diabetes und seinen Folgeerkrankungen zu betreiben.
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Die Arbeitsgruppe um Prof. Häring und Prof. Fritsche im Universitätsklinikum in Tübingen hat den Stoffwechsel von noch als gesund geltenden Personen mit Prädiabetes detailliert untersucht. Die Probanden (n=899) stammen aus der Tübinger Familienstudie und der Studie des Tübinger Lebensstilprogramms, die in den vergangenen 25 Jahren in Tübingen wiederholt intensiv klinisch, laborchemisch, kernspintomografisch und genetisch untersucht wurden. Anhand von für den Stoffwechsel wichtiger Kerngrößen wie u.a. Blutzuckerwerten, Leberfett, Körperfettverteilung, Blutfettspiegel und genetisches Risiko konnten die Forschenden sechs Subtypen des Prädiabetes identifizieren. „Wie beim manifesten Diabetes gibt es auch im Vorstadium des Diabetes unterschiedliche Krankheitstypen, die sich durch Blutzuckerhöhe, Insulinwirkung und Insulinausschüttung, Körperfettverteilung, Leberfett sowie genetischem Risiko unterscheiden“, fasst Erstautor Prof. Dr. Robert Wagner vom DZD Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen das Ergebnis der Untersuchung zusammen.
Drei dieser Gruppen (Cluster 1, 2 und 4) zeichnen sich durch ein niedriges Diabetes-Risiko aus. Die Probanden des Cluster 1 und 2 waren gesund. Dabei gehören dem Cluster 2 vor allem schlanke Menschen an. Sie haben ein besonders niedriges Risiko, an Komplikationen zu erkranken. Das Cluster 4 bilden übergewichtige Menschen, deren Stoffwechsel jedoch noch relativ gesund ist. Die drei übrigen Subtypen (Cluster 3, 5 und 6) gehen mit einem erhöhten Risiko für Diabetes und/oder Folgeerkrankungen einher. Menschen, die dem Subtyp 3 angehören, bilden zu wenig Insulin und haben ein hohes Risiko an Diabetes zu erkranken. Menschen aus dem Cluster 5 weisen eine ausgeprägte Fettleber und ein sehr großes Diabetesrisiko auf, weil ihr Körper resistent gegen die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin ist. Beim Subtyp 6 treten bereits vor einer Diabetesdiagnose Schädigungen der Niere auf. Hier ist auch die Sterblichkeit besonders hoch.
Doch lässt sich die Einteilung in sechs Prädiabetes-Subtypen auch in anderen Kohorten bestätigen? Um das zu untersuchen, haben die Forschenden das Verfahren auf beinahe 7000 Probanden der Whitehall II Kohorte in London ausgeweitet und dort ebenfalls die sechs Untertypen des Prädiabetes identifiziert.
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Gezieltere Vorbeugung
Die Forschenden planen schon weiter. „In den nächsten Schritten werden wir zuerst in prospektiven Studien prüfen, wie weit die neuen Erkenntnisse für die Einteilung von einzelnen Personen in Risikogruppen anwendbar sind“, berichtet Prof. Dr. Andreas Fritsche vom Universitätsklinikum Tübingen. Sollte dies der Fall sein, könnten Menschen mit hohem Risikoprofil künftig früh erkannt und spezifisch behandelt werden. „Ein Ziel des DZD ist es, präzise Präventions- und Therapiemaßnahmen zu entwickeln, d. h. die passende Prävention oder Behandlung für die richtige Personengruppe zur richtigen Zeit. Die Verbindung aus tiefgehender klinischer und molekularer Forschung mit modernster Bioinformatik hat dieses auch international wichtige Ergebnis ermöglicht. Die Identifizierung von Subtypen im Vorstadium des Typ-2-Diabetes ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer Präzisionsmedizin bei der Prävention des Diabetes und seiner Begleiterkrankungen“, sagt DZD-Vorstand Prof. Martin Hrabě de Angelis.
Diese Ergebnisse basieren auf der seit über 25 Jahre andauernden Arbeit der Diabetesforschung in der Universitätsklinik Tübingen, Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko zu charakterisieren. Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Land Baden-Württemberg gefördert.
Quelle: Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
05.01.2021