Charcot-Fuß

Diabetischer Fuß – schnelles Handeln gefordert

Die Diagnostik des Charcot-Fußes im Röntgenbild und in der MRT

Patienten mit einem langjährigen Diabetes haben ein Risiko, an einem diabetischen Fußsyndrom zu erkranken, an dem in Deutschland circa 80.000 Patienten leiden.

Charcot-Fuß mit aufgepfropfter Osteomyelitis. Einzelne tarsale Knochen und...
Charcot-Fuß mit aufgepfropfter Osteomyelitis. Einzelne tarsale Knochen und Teile von Talus und Kalkaneus zeigen niedrige Signalintensitäten im T1-w-Bild. Nach Gabe von Kontrastmitteln kommen sie signalintensiv zur Darstellung (Ghost-Zeichen).

Eine neben der Arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) ursächliche sensorische Polyneuropathie, und damit der Verlust des Schmerzempfindens, kann bei weiterer Belastung des Fußes zu ausgeprägten Destruktionen der Knochen und Gelenke führen, die im schlimmsten Fall, besonders wenn sich Osteomyelitiden aufpfropfen, eine Teilamputation erforderlich machen.

Die neuropathische Osteoarthropathie (Charcot-Gelenke) entsteht, wenn Gelenke ohne Schmerzwahrnehmung weiter belastet werden. Wird die neuropathische Osteoarthropathie jedoch frühzeitig entdeckt, können durch konservative Maßnahmen die Gelenkdestruktionen herausgezögert oder verhindert werden. Prof. Dr. Rainer Erlemann, Chefarzt des Instituts für Radiologie der Helios St. Johannes Klinik in Duisburg-Hamborn, appelliert, auch in anderen Skelettregionen bei relativ stark zerstörten Gelenken, die von den Patienten als nicht ausreichend schmerzhaft wahrgenommen werden, an eine neuropathische Osteoarthropathie zu denken. Sehr viele Diabetiker – egal, welchen Typs – entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung nach etwa zehn bis 15 Jahren eine Polyneuropathie. Dabei haben sie typischerweise in den Füßen bis etwa zur Mitte des Unterschenkels ein Missempfinden und kein adäquates oder gar kein Schmerzempfinden mehr. Daraus erwachsen zweierlei Gefahren: Zum einen werden Verletzungen, wie sie schon durch drückende Schuhe entstehen können, nicht mehr wahrgenommen, Wunden können sich unbemerkt entzünden und Bakterien können tief in die Weichteile eindringen. Zudem spüren neuropathische Patienten aber auch nicht mehr, wie die Belastungssituation ihrer Fußgelenke beim Laufen ist. Wenn keine adäquate Schuhversorgung erfolgt, kommt es zu einer Fehlbelastung der Fußgelenke, die anfänglich dem Bild einer Arthrose ähnelt, in Wirklichkeit aber die Gelenke rasch zerstört. „Auch beim normalen Laufen kann es vorkommen, dass das obere Sprunggelenk etwas kippt und nicht genau in der Achse steht. Im Gegensatz zu einem gesunden Fuß, der die falsche Belastung mithilfe der Muskeln ausgleichen kann, werden die Füße eines Patienten mit sensorischer Polyneuropathie dauerhaft falsch belastet. Dadurch kann eine neuropathische Osteoarthropathie des Fußes, auch Charcot-Fuß genannt, entstehen, ohne dass der Patient es bemerkt“, schildert Prof. Erlemann.

Das Risiko der Diabetiker mit Fußsyndrom, einen Charcot-Fuß zu entwickeln, ist mit etwa 70 Prozent enorm groß. Tatsächlich leiden jedoch nur etwa fünf Prozent der Diabetiker mit Fußsyndrom, in Deutschland etwa 4.000 Menschen, an einem Charcot-Fuß. Im intermediären und späten Stadium lässt sich die neuropathische Osteoarthropathie gut im Röntgenbild diagnostizieren, das Frühstadium jedoch nur in der MRT. Im Röntgenbild finden sich typische Veränderungen an den Gelenken, die meist eine eindeutige Diagnose erlauben. „Der Vorteil der MRT besteht darin, dass man nachweisen und mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auch ausschließen kann, ob ein Infekt in den tiefen Weichteilen, den Knochen oder den Gelenken vorliegt“, so Erlemann. Die frühe Detektion von Infektionen ist sehr wichtig, um Osteomyelitiden zu vermeiden. Denn Entzündungen stellen für den Diabetiker eine besondere Gefahr dar, da sie schlecht ausheilen und nicht selten zu Osteomyelitiden führen, bei denen häufig Teilamputationen des Fußes erforderlich werden. Während oberflächliche Infektionen klinisch gut diagnostiziert werden können, benötigt man die MRT, um zu erkennen, wie weit die Infektion in die Tiefe geht, ob die Muskulatur von Abszessen betroffen ist oder ob Entzündungen im Knochen oder in den Gelenken vorliegen.

„Viele Mediziner wissen leider nicht, wie gefährlich das diabetische Fußsyndrom für den Patienten werden kann. Diabetiker sollten deshalb unbedingt einen Diabetologen aufsuchen, der auch die Füße untersucht. Denn wenn Diabetiker einen Charcot-Fuß entwickelt haben, betragen die 5-Jahres-Mortalität statistisch zwischen 30 und 40 Prozent und die durchschnittliche restliche Lebenserwartung nur noch rund acht Jahre. Das ist viel schlimmer als das, was man sich gemeinhin unter einem diabetischen Fuß vorstellt“, resümiert der Radiologe.

Wenn der Kliniker einen Patienten mit Verdacht auf neuropathische Osteoarthropathie zur Abklärung an den Radiologen überweist, muss dieser unbedingt wissen, ob und seit wann ein Diabetes vorliegt – oder eine andere Erkrankung, die ebenfalls für die Symptomatik verantwortlich sein könnte, wie eine starke Alkoholabhängigkeit. Allerdings sind in Deutschland andere Erkrankungen wesentlich seltener Ursache einer neuropathischen Osteoarthropathie als ein Diabetes mellitus.

IM PROFIL

Prof. Dr. Rainer Erlemann leitet seit 1991 als Chefarzt das Institut für Radiologie der St. Johannes Klinik in Duisburg-Hamborn. Seine Facharztausbildung hat er am Clemens-Hospital und am Universitätsklinikum in Münster absolviert. Der Facharzt für Radiologie und Neuroradiologie hat sich 1990 an der Universität Münster habilitiert und wurde 1996 zum außerordentlichen Professor ernannt. Erlemann wurde unter anderem mit dem Felix-Wachsmann-Preis der DRG, dem Preis der Association pour l’Etude et la Recherche en Radiologie und mehrmals mit dem Editor’s Recognition Award der Fachzeitschrift „Radiology“ ausgezeichnet. Seit Herbst dieses Jahres ist er Vorsitzender der AG Knochentumoren.

Veranstaltungshinweis:

Sa., 09.11.2013

09:00–09:30 Uhr

Neuropathische

Osteoarthropathie

Session: Muskuloskelettal

Congress-Saal

 

 

07.11.2013

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