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Der onkologische Versorgungsbedarf in Deutschland
Eine bessere Versorgung der ländlichen Regionen, Interdisziplinäre onkologische Teams und telemedizinische Strukturen werden gebraucht, um die Krebsprävention künftig zu stärken.
In der aktuellen Studie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) „Deutschlandweite Prognose der bevölkerungsbezogenen Morbiditätserwartung für häufige Krebserkrankungen. Auswirkungen auf die Versorgung“ wurde deutlich, dass infolge der demografischen Entwicklung in Deutschland und des medizinischen Fortschritts auf dem Gebiet der Onkologie die Anforderungen in der Versorgung von Krebspatienten immer vielfältiger werden. Der Anstieg neu diagnostizierter Krebspatienten wird voraussichtlich um die 10 Prozent betragen. Aber auch die Zahl der Menschen, die mit Krebs leben, wird stark zunehmen ebenso wie Krebserkrankte mit chronifizierten Begleiterkrankungen. Aus den aktuellen Zahlen der Studie ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen für die deutsche Gesundheitspolitik.
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Die DGHO nutzt für ihre Studie unterschiedliche Datenquellen wie Bevölkerungsregister und epidemiologische Krebsregister und bildet so die voraussichtliche Entwicklung der wichtigen Kenngrößen wie Krebsneuerkrankungen und Prävalenzen bis auf Landeskreisebene ab. „Dadurch werden sehr genaue und sehr differnzierte Aussagen zu den Trends bei der Krebsversorgung in Deutschland möglich, die sonst nicht ohne Weiteres ersichtlich wären“ betont Prof. Dr. med Carsten Bokemeyer, Vorsitzender der DGHO und Direktor der II. medizinsichen Klinik und Poliklinik für den Bereich Onkologie, Hämatologie und Knochenmarkstransplantation mit Sektion Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. In die Analyse flossen nur geprüfte Fälle ein, sodass von einer Überschätzung der Ausgangszahlen nicht ausgegangen werden kann. Laut Schätzung des RKI erreichen nicht alle Bundesländer für die Entitäten in 2014 eine Vollständigkeit der Meldungen von 90%. Es ist daher davon auszugehen, dass die Werte sowohl für die Inzidenz als auch die davon abgeleitete Prävalenz tatsächlich noch etwas höher als im Bericht angegeben ausfallen. Eventuelle regionale Entwicklungen, die nicht durch den Altersaufbau und die Geschlechterverhältnisse verursacht werden, blieben unberücksichtigt. Neue Therapieansätze und innovative Behandlungen, die zukünftig zu einer Verbesserung der Überlebensrate führen werden, blieben ebenfalls unberücksichtigt.
Die wichtigsten Ergebnisse der neuen DGHO-Studie wurden von Studienleiter Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann kompakt zusammengefasst. Grundlage aller Hochrechnungen ist die demografische Entwicklung der deutschen Bevölkerung. So sei davon auszugehen, dass die Gesamtbevölkerung in Deutschland zwischen 2014 und 2025 um etwa 1,3 Millionen Menschen anwachsen werde, so Hoffmann. Dies geschehe aber nicht gleichmäßig über alle Altersstufen verteilt. Vielmehr wird erwartet, dass die Zahl der Männer bzw. Frauen, die 60 Jahre und älter sind, um 21 bzw. 15 Prozent steigt. Bei den Männern bzw. Frauen, die 80 Jahre und älter sind, beträgt der Zuwachs voraussichtlich sogar 51 bzw. 26 Prozent. In absoluten Zahlen ist das ein Zuwachs von 1,6 Mio in 2025 gegenüber 2014. Parallel dazu kommt es bei den 10- bis 59-Jährigen beiderlei Geschlechts zu einer Abnahme der Bevölkerungszahl im einstelligen Prozentbereich.
Klar ist, dass der Bedarf an Spezialistinnen und Spezialisten durch die steigenden Erkrankungszahlen und die zunehmend komplexeren Therapien in den nächsten Jahren steigen wird
Maike de Wit
Altersbedingte Tumore werden deshalb häufiger und die Komplexität der Krebsfälle nimmt bei vielen Patienten zu. Mit Blick auf die häufigsten Tumorerkrankungen lassen sich folgende Prognosen formulieren. Die Anzahl der Krebsneuerkrankungen steigt zwischen 2014 und 2025 voraussichtlich um 10 Prozent und wird im Jahr 2025 auf dann über 520.000 pro Jahr zunehmen. Bei Männern wird besonders der Prostatakrebs und bei Frauen der Brustkrebs im Alter zunehmen. Die 10-Jahresprävalenz von Krebserkrankungen nimmt zwischen 2014 und 2025 deutlich zu. Hier wird eine Steigerung um 8 Prozent auf beinahe 3 Millionen Patienten erwartet.
Es wird auch erwartet, dass die Zahl der Patienten, die neben einem onkologischen Leiden auch mindestens an einer weiteren chronischen Erkrankung leiden, erheblich steigt. Das Gutachten berechnet hierzu Zahlen von Patienten mit Krebs, die gleichzeitig an Diabetes Mellitus, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), koronarer Herzerkrankung, Adipositas, Niereninsuffizienz oder an einer Demenz leiden.
Eine Verbesserung der Versorgungsstrukturen auf dem Land ist dringend erforderlich. Denn es zeichnet sich heute schon ab, dass überproportional viele ältere Menschen in ländlichen Regionen leben werden. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Bedarf an fachkundiger Krebstherapie steigen wird. „Klar ist, dass der Bedarf an Spezialistinnen und Spezialisten durch die steigenden Erkrankungszahlen und die zunehmend komplexeren Therapien in den nächsten Jahren steigen wird. Wir müssen in Deutschland Versorgungsstrukturen schaffen, die es erlauben, die Kompetenz der spezialisierten Zentren auch in der Fläche verfügbar zu machen, wenn wir nicht riskieren wollen, dass ganze Landstriche oder alte Menschen bei der Krebsversorgung abgehängt werden“, betonte Prof. Dr. Maike de Wit von der Arbeitsgemeinschaft der Hämatologen und Onkologen im Krankenhaus e. V. (ADHOK). Sinnvoll wäre daher eine weitere Delegation ärztlicher Leistungen sowie mehr Anstrengungen in Richtung einer Implementierung Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) auch an kommunalen Krankenhäusern.
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Krebs: die Innovationswelle rollt
In der Hämatologie und Medizinischen Onkologie gibt es laufend Neues. Die zunehmende Stratifizierung der Krebstherapien stellt jedoch für die klinische Forschung eine große Herausforderung dar. Tumorzellen sind durch Mutationen genetisch veränderte Zellen und müssten daher eigentlich von Immunsystem erkannt und zerstört werden.
Es wurde ebenfalls deutlich, dass die ambulante Betreuung von Krebspatienten flächendeckend und in hoher Qualität ermöglicht werden muss. „Um die flächendeckende Versorgung von Patienten mit Tumorerkankungen zukünftig weiter gewährleisten zu können, benötigen wir mehr niedergelassene Krebsspezialisten, die den steigenden Bedarf an ambulanter onkologischer Versorgung abdecken“, sagte PD Dr. med. Ingo Tamm vom Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen In Deutschland e.V. (BNHO). Eine besondere Herausforderung stellt die zunehmende Krebsprävalenz dar. „So führen beispielsweise die sehr guten Therapiemöglichkeiten bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) dazu, dass die Prävalenz dieser Patientinnen und Patienten enorm steigt, auf 20.000 und mehr in den nächsten Jahren. Bei ihnen müssen wir die ambulante, orale Therapie weiter optimal organisieren“, so Tamm.
Auch die Zunahme der Komorbiditäten führt zu einer komplexeren Versorgungssituation im ambulanten Bereich. Folglich müssen Krebspatienten immer individueller behandelt, hinsichtlich des Auftretens von Zweitneoplasien stärker überwacht und im fortgeschrittenen Stadium auch palliativmedizinisch optimal versorgt werden. In dieser Komplexität der Krebstherapie und Versorgungslandschaft nehmen ambulant praktizierende Hämatologen und Onkologen neben den spezialisierten Zentren zur Krebstherapie eine Schlüsselrolle ein. Wichtig ist daher, dass diese Fachärzte durch spezialisierte onkologische Pflegekräfte, palliative Versorgungsteams sowie geschulte Hausärztinnen und Hausärzte onkologisch mitbetreut werden. Das telemedizinische Versorgungsangebot sollte ebenfalls ausgebaut werden. „Nicht zuletzt sind die Ergebnisse der DGHO-Studie ein Aufruf an jeden von uns zu und an die Politik, die Krebsprävention voranzutreiben“, betonte der DGHO-Vorsitzende Bokemeyer abschließend. „Das Krebsrisiko steigt mit dem Alter deutlich an, aber es ist nicht unbeeinflussbar.“
Quelle: Deutschlandweite Prognose der bevölkerungsbezogenen Morbiditätserwartung für häufige Krebserkrankungen Auswirkungen auf die Versorgung; Positionspapier der DGHO zu den Herausforderungen durch den demografischen Wandel für künftige Anforderungen in der onkologischen Versorgung in Deutschland
23.08.2019