Bildquelle: Zoltán Cseresnyés/Leibniz-HKI
News • Invasive Pilzinfektion
Chipmodell zeigt Aspergillose-Verlauf in der Lunge
Mit einem von Jenaer Forschenden entwickelten Chip-basierten Infektionsmodell lässt sich die Schädigung von Lungengewebe durch die invasive Pilzinfektion Aspergillose live unter dem Mikroskop beobachten.
Das Team entwickelte Algorithmen, um die Ausbreitung der Pilzhyphen sowie die Reaktion von Immunzellen zu verfolgen. Die Entwicklung basiert auf einem ebenfalls in Jena entwickelten „lung-on-chip“-Modell und kann dazu beitragen, die Zahl an Tierversuchen zu verringern. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Biomaterials vorgestellt.
Aspergillose ist eine Schimmelpilzinfektion, ausgelöst durch Aspergillus fumigatus, die häufig die Lunge befällt. Insbesondere bei immungeschwächten Menschen kann die Erkrankung tödlich verlaufen. Bei ihnen tritt meist eine invasive Aspergillose auf, bei der Pilzhyphen in Blutgefäße eindringen. Bisher gibt es nur wenige Wirkstoffe, die derartige Pilzinfektionen bekämpfen können. „Deswegen war es uns so wichtig, dieses eindringende Wachstum in einem Modell darstellen zu können“, sagt Marie von Lilienfeld-Toal, die die Studie mit geleitet hat. Die Internistin ist Professorin an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Jena und forscht am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI).
Das neue Aspergillose-Infektionsmodell soll dabei helfen, sowohl das Wachstum des Pilzes als auch die Reaktion des Immunsystems besser beobachten zu können und mögliche neue Ansätze für Therapien zu finden. Außerdem können neue Wirkstoffe getestet werden. In Jena ist die Expertise dafür vorhanden: Am Uniklinikum werden bereits seit langem Organchips entwickelt. Von dort wurde auch das Startup Dynamic42 ausgegründet, das die in der Studie verwendeten Lungen-Chips herstellt. Erstautorin Mai Hoang ist im Anschluss an ihre Promotion ebenfalls bei dem Unternehmen eingestiegen. „Mithilfe des Chips können wir eine Aspergillose in 3D live unter dem Mikroskop beobachten und quantifizieren“, so Studienleiter Marc Thilo Figge. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Systembiologie am Leibniz-HKI und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Das Organmodell besteht aus zwei Zellschichten, die durch eine künstliche Membran getrennt sind. Die eine Schicht ist der Luft ausgesetzt und besteht aus Oberflächenzellen der Lunge. Die andere Schicht besteht aus Blutgefäßzellen, an denen kontinuierlich eine dem Blut nachempfundene Nährstofflösung vorbeiströmt.
Diesem Modell haben die Forschenden die Pilzinfektion beigefügt. „Dadurch haben wir aus dem Organmodell ein Infektionsmodell gemacht“, erklärt Susann Hartung, Mitarbeiterin der Gruppe Infektionen in der Hämatologie/Onkologie am Leibniz-HKI und eine der drei Erstautoren. Die Schwierigkeit sei gewesen, die richtige Schwere der Infektion herzustellen. „Geben wir zu viel Aspergillus fumigatus in das Modell, sterben die Lungenzellen. Ist es zu wenig, sehen wir nichts“, so die Molekularbiologin. Diesem System können dann beispielsweise menschliche Immunzellen oder verschiedene Wirkstoffe zugefügt werden, wie das Forschungsteam in der aktuellen Studie zeigt.
Eine große Herausforderung stellte die Auswertung der dreidimensionalen mikroskopischen Daten dar. „Wenn wir uns die Bilder nur anschauen, bekommen wir ein Gefühl für den Verlauf der Infektion, aber wir können sie nicht quantifizieren. Dafür brauchen wir Algorithmen, die Pilzhyphen oder Immunzellen von Gewebezellen sowie der Umgebung abgrenzen können“, erklärt Zoltán Cseresnyés, ebenfalls Erstautor. Er ist in Figges Team auf automatisierte Bildanalysen spezialisiert.
Damit eine Unterscheidung durch den Computer möglich wird, werden die verschiedenen Zelltypen mithilfe von Fluoreszenzfarbstoffen farbig markiert. „So kann man beispielsweise anhand der Intensität der Fluoreszenz bestimmen, wie viele Pilze eine Immunzelle gefressen hat“, erklärt Cseresnyés. „Natürlich ist dieses Modell eine starke Vereinfachung und kann nicht eins zu eins mit einem vollständigen Organ verglichen werden“, sagt Figge. „Wir denken aber, dass es ein wichtiger Beitrag zur besseren Erforschung von Pilzinfektionen ist, weil damit gleichzeitig Tierversuche teilweise ersetzt werden können.“ Das Modell soll nun noch weiter optimiert werden.
Quelle: Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut
17.04.2022