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Artikel • Oxford-Debatte beim Senologie-Kongress

DCIS: Bestrahlung ja oder nein?

Einen regelrechten Schlagabtausch lieferten sich vier Radiologen und Gynäkologen im Rahmen der Oxford-Debatte beim 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie Anfang Juni in Dresden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob alle Patientinnen mit einem duktalen Carcinoma in situ (DCIS) bestrahlt werden müssen.

Artikel: Sonja Buske

Den Anfang machte Prof. Dr. Christoph Mundhenke, Direktor der Frauenklinik des Klinikums Bayreuth. Er zeigte sich überrascht, dass die Notwendigkeit einer Bestrahlung bei oder nach DCIS überhaupt in Zweifel gezogen werde. „Die Datenlage ist exzellent und legt eine Bestrahlung für alle Patientinnen nahe“, argumentierte der Mediziner. Er bezog sich dabei auf eine große Metaanalyse aus dem Jahr 2010 mit vier klinischen Studien und über 3700 Patientinnen im 10-Jahres-Follow up.1 „Hier hat sich nachhaltig ein günstiger Effekt der Radiotherapie nach brusterhaltender Therapie des DCIS gezeigt. Die Rate an ipsilateralen Events konnte halbiert werden, und zwar nicht nur bei Hochrisikopatientinnen, sondern sogar bei älteren Patientinnen, bei denen häufig diskutiert wird, ob aufgrund des Alters auf eine Bestrahlung verzichtet werden sollte“, führte Mundhenke aus. 

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Eine weitere Metaanalyse von 2015, ebenfalls mit einem 10-Jahres-Follow up, schloss sogar 9000 Patientinnen in 26 klinischen Studien ein2 und zeigte einen statistisch signifikanten Vorteil für eine postoperative Radiatio, sowohl bei DCIS als auch bei invasiven Rezidiven, wie Mundhenke erläuterte. „Das Lokalrezidivrisiko lag nach einer brusterhaltenden Operation bei 25%. Durch eine postoperative Bestrahlung konnte es auf 14% reduziert werden.“ Er bezeichnete die Datenlage als „geradezu erschlagend“, gab aber auch zu bedenken, dass in Grenzsituationen das Alter, die Lebenserwartung und der Wille der Patientinnen diskutiert und berücksichtigt werden müssten. 

Für die Patientinnen ist [eine DCIS-Diagnose] oft lebensverändernd, denn die Angst, ein Rezidiv oder tatsächlich ein invasives Karzinom zu bekommen, belastet die Frauen über Jahre hinweg

Stefanie Corradini

Diesen Aspekt nahm Prof. Dr. Stefanie Corradini direkt auf. Die stellvertretende Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am LMU Klinikum München appellierte an die Zuhörer, die Sicht der Patientinnen nicht zu vergessen. „Eine DCIS-Diagnose kann stark verunsichern. Obwohl es sich nur um eine Vorstufe von Krebs handelt, die eine gute Prognose hat, erfolgt die Behandlung wie bei einem frühen invasiven Mammakarzinom. Für die Patientinnen ist das oft lebensverändernd, denn die Angst, ein Rezidiv oder tatsächlich ein invasives Karzinom zu bekommen, belastet die Frauen über Jahre hinweg“, betonte Corradini. „Wir müssen alles dafür tun, um Rezidive beim DCIS zu verhindern.“ Für die Strahlentherapeutin lautet die Frage daher nicht, ob man bestrahlen sollte, sondern wie. Eine individualisierte Therapie mit einer angepassten Anzahl der Fraktionen und Dosen sowie einer Reduktion des Bestrahlungsvolumen ist für sie das Mittel der Wahl.

Mammogramm einer Patienten mit der Brustkrebs-Vorstufe DCIS
Dieses Mammogramm zeigt die für das DCIS typischen Mikrokalzifikationen (weiße Punkte).

Das sieht Prof. Dr. Bernd Gerber anders. Der Direktor der Universitätsfrauenklinik am Klinikum Südstadt in Rostock kann in der Strahlentherapie beim DCIS weder einen Überlebensvorteil noch einen Einfluss auf Fernmetastasen erkennen. Er setzt daher darauf, das Rezidiv adäquat zu behandeln. „Die operative Therapie ist besser und sicherer geworden. Mithilfe der Mammographie lassen sich die Abgrenzungen der Mikrokalkläsionen genauer erkennen, so dass man sicher in gesunden Grenzen operieren kann“, befand der Gynäkologe. „Es gibt sogar ernsthafte Überlegungen, gar nicht mehr zu operieren, sondern nur zu beobachten und konservativ zu behandeln. Sollte sich ein invasives Rezidiv entwickeln, ist eine Bestrahlung immer noch möglich.“

Hoffnung: molekulare Biomarker

Prof. Dr. Volker Budach von der Privatpraxis RadioOnkologie sprach sich ebenfalls gegen eine Bestrahlung aus, zumindest für Low-Risk-Patientinnen mit niedrigen lokalen Rezidivraten. Bei Hochrisiko-Patientinnen ist die Strahlentherapie allerdings seiner Meinung nach unverzichtbar. Großes Potenzial sieht er jedoch im Einsatz molekularer Biomarker: „Die meisten klinischen Studien nutzen bisher keine molekularen Biomarker zur Therapie-De-Eskalation beim DCIS“, erklärte Budach. „Es existieren inzwischen drei individuell prädiktive molekulare Biomarker-Tests, die eine Einschätzung ermöglichen, ob es zu Lokalrezidiven nach brusterhaltender Operation mit oder ohne Bestrahlung kommt. Um die klinische Validität dieser Biomarker zu prüfen, wird eine sorgfältige prädiktive Modellierung, Kalibrierung und externe Validierung sowie eine Level-1B-Evidenz benötigt.“ 

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Redner und Publikum waren sich am Ende einig, dass das DCIS oft überbehandelt wird und eine Bestrahlung keinen Vorteil für das Gesamtüberleben darstellt. Eine gute Beratung der Patientinnen sei entscheidend. Alle plädierten zudem dafür, die Bezeichnung ‚Karzinom‘ aus dem Krankheitsbild zu entfernen, um Frauen nicht zu verunsichern. 


Literatur:

  1. Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group (EBCTCG): Overview of the randomized trials of radiotherapy in ductal carcinoma in situ of the breast; Journal of the National Cancer Institute. Monographs 2010
  2. Stuart KE, Houssami N, Taylor R, Hayen A, Boyages J: Long-term outcomes of ductal carcinoma in situ of the breast: a systematic review, meta-analysis and meta-regression analysis; BMC Cancer 2015

07.08.2024

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