Bildquelle: Adobe Stock/lenetsnikolai
News • Herausforderung Hypertonie
Bluthochdruck: Eine Frage des Alters (und des Geschlechts)
Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Dennoch tritt sie nicht in allen Altersklassen gleich häufig auf, die Prävalenz steigt mit dem Alter. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle und führt zu einem unterschiedlichen Risikoprofil.
Viele verschiedene Faktoren begünstigen die Erkrankung, einige liegen sogar vor der Geburt. Dennoch wird Bluthochdruck einem nicht als unabwendbares Schicksal in die Wiege gelegt, sondern das Risiko für Bluthochdruck lässt sich beeinflussen. Die Prävention sollte aber so früh wie möglich beginnen. Auf dem Deutschen Hypertonie-Kongress in Berlin befassten sich Experten mit gender- und altersspezifischen Aspekten der Erkrankung.
Die arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) ist eine häufige Erkrankung. Die Gesamtprävalenz beträgt etwa 30%, insgesamt sind in Deutschland also 20-30 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheitshäufigkeit ist allerdings stark altersabhängig, die Zahl der Erkrankten steigt mit den Lebensjahren. In jungen Jahren ist die Hypertonie (noch) sehr selten, nur etwa 3% der Kinder sind betroffen, bei betagten Senioren über 80 Jahren liegt die Rate bei bis zu 80%.1
Bei den meisten Kindern besteht eine sogenannte sekundäre Hypertonie, also ein Bluthochdruck, der Folge einer anderen Erkrankung ist. Erst mit dem Schulalter und bei Jugendlichen tritt dann die primäre (essenzielle) Hypertonie in den Vordergrund, ein Bluthochdruck, der „einfach so“ entsteht und nicht Folge einer anderen Krankheit ist.
Gerade wenn es um die Themen gesunde Ernährung, Rauchentwöhnung und Bluthochdruck geht, müssen wir junge Frauen dafür sensibilisieren, dass sie damit nicht nur in die eigene, sondern auch in die Gesundheit ihrer Kinder investieren
Elke Wühl
Das Blutdruckniveau im Kindes- und Jugendalter ist prädiktiv für die Blutdruckgesundheit im Erwachsenenalter. Das bedeutet: Kinder mit Hypertonie nehmen ihre hohen Blutdruckwerte meistens mit ins Erwachsenenalter.2 Die Schlussfolgerung, die Frau Prof. Elke Wühl, Heidelberg, Kongresspräsidentin des 47. Wissenschaftlichen Jahreskongresses der Deutschen Hochdruckliga 2023, daraus zieht, lautet: „Man kann mit der Vorsorge nicht früh genug beginnen.“
Erst recht, wenn man weiß, dass es verschiedene Einflussfaktoren gibt, die bereits vor der Geburt die Weichen auf „Bluthochdruck“ stellen können. Dazu zählen ein niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit, mütterliche Risikofaktoren während der Schwangerschaft, wie z. B. eine Präeklampsie, Bluthochdruck, Übergewicht oder Nikotinkonsum der Mutter, aber auch genetische Faktoren. Dadurch, dass das kardiovaskuläre Risiko teilweise intrauterin festgelegt wird, haben Kinder bereits bei ihrer Geburt unterschiedliche Startpunkte, was ihre Gesundheitsperspektive angeht.3 „Wer ungünstige Voraussetzungen hat und später nicht dagegenarbeitet, hat ein großes Risiko, dass es zu frühzeitigen kardiovaskulären Ereignissen kommt. Gerade wenn es um die Themen gesunde Ernährung, Rauchentwöhnung und Bluthochdruck geht, müssen wir junge Frauen dafür sensibilisieren, dass sie damit nicht nur in die eigene, sondern auch in die Gesundheit ihrer Kinder investieren“, erklärte Prof. Wühl. Die Kongresspräsidentin verwies auch auf entsprechende Beiträge zum Thema „Hypertonie in der Schwangerschaft“ auf dem Kongress, da immer noch Unsicherheit bezüglich der Blutdruckeinstellung und Blutdrucktherapie in der Schwangerschaft bestehe.
Doch auch wenn das Risiko für Bluthochdruck bereits in die Wiege gelegt wird, kann man trotzdem viel dagegen tun, betonte Prof. Wühl. „Durch äußere Umstände kann die Aktivierung des Erbguts beeinflusst werden, man nennt das Phänomen epigenetische Modifikation. Wir können mit der richtigen Lebensführung Einfluss darauf nehmen, ob eine bestimmte Erbinformation vermehrt oder vermindert ausgelesen wird.“ Für das Hypertonierisiko heißt das: Wer vorbelastet ist, kann zum Beispiel durch Ernährung und Bewegung gegensteuern.
Ein weiteres Thema auf dem Kongress ist daher auch die kardiovaskuläre Prävention bei Kindern und Jugendlichen, unter anderem wird die neue AWMF-Leitlinie4 diskutiert. Da mit Zunahme der Prävalenz von Übergewicht auch das Hypertonierisiko bei Kindern zunimmt, ist es wichtig, frühzeitig gegenzusteuern. Zu den Kernempfehlungen gehören unter anderem ausreichend körperliche Bewegung, eine gesunde Ernährung (mit 2-3 Portionen Gemüse und Obst pro Tag), ausreichend Schlaf (9-12 Stunden) sowie ein auf 30-60 Minuten täglich begrenzter Medienkonsum.
Auch syndromale Erkrankungen, wie etwa das Turner-Syndrom, sowie genetische Krankheiten, die zu einer Hypertonie führen können, sind Gegenstand des Kongresses. Denn oft ist unklar, welche Diagnostik erforderlich ist. Perspektivisch ist eine genaue Diagnose wichtig, da zielgerichtet behandelt werden sollte. „Bei monogenetischen Bluthochdruckerkrankungen sehen wir beispielsweise, dass die klassischen Antihypertensiva gar nicht wirken. Zum Beispiel beim Liddle-Syndrom: Dabei handelt es sich um einen Bluthochdruck aufgrund einer Funktionsstörung der Nierenkanälchen, die mit einem Diuretikum wie Amilorid behandelt werden sollte.“
Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren
Artikel • Gendermedizin
„Frauen müssen stärker in Studien und Leitlinien einbezogen werden“
Frauen und Männer sind unterschiedlich. Kaum jemand wird diese Aussage anzweifeln, dennoch spielt das Geschlecht in der Medizin eine untergeordnete Rolle. Weder in der Forschung noch in der Prävention noch in der Therapie wird dieser Unterschied angemessen berücksichtigt. „Das ist nicht länger akzeptabel“, findet Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek.
Die Hypertonieprävalenz ist außer vom Alter auch abhängig vom Geschlecht. In jungen Jahren sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen, doch in den mittleren Lebensjahren holen die Frauen auf. Nach den Wechseljahren sind gleich viele Frauen wie Männer betroffen, im höheren Alter sind dann sogar die Frauen in der Überzahl.1
Man unterscheidet zwischen biologischem Geschlecht (engl. „sex“) und sozialem Geschlecht („gender“) – und beide können Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen nehmen. Während das biologische Geschlecht Frauen sogar einen Vorteil verschafft – sie haben bis zum 75. Lebensjahr zum Beispiel weniger Gefäßverkalkungen als Männer und weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren –, sind es die „Gender-Faktoren“, die das Pendel in die andere Richtung ausschlagen lassen: Die Krankheitspathophysiologie ist bei Frauen schlechter untersucht, die Diagnose- und Behandlungsstrategien sowie die medikamentösen Therapien sind oft nicht auf Frauen ausgelegt. Daher erhalten Frauen immer wieder eine schlechtere medizinische Behandlung mit weniger invasiven und intensivmedizinischen Behandlungen.5 Auch die Studien zu den etablierten Bluthochdruckmedikamenten sind an mehr männlichen Patienten als weiblichen Patientinnen durchgeführt worden. „Wir streben eine personalisierte Medizin an, haben aber lange Zeit nicht einmal nach Geschlecht differenziert. Zum Glück hat hier nun ein Umdenken eingesetzt“, erklärte Prof. Elke Wühl abschließend.
Literatur:
- Holstiege J, Akmatov MK, Steffen A, Bätzing J. Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der vertragsärztlichen Versorgung - aktuelle deutschlandweite Kennzahlen. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 20/01. Berlin 2020.
- Theodore RF, Broadbent J, Nagin D et al. Childhood to Early-Midlife Systolic Blood Pressure Trajectories: Early-Life Predictors, Effect Modifiers, and Adult Cardiovascular Outcomes. Hypertension 2015;66(6):1108-15
- Kruger R, Gafane-Matemane LF, Kagura J. Racial differences of early vascular aging in children and adolescents. Pediatr Nephrol 2021;36(5):1087-1108
- S2k-Leitlinie „Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter“. AWMF-Registernummer 023–049.
- Regitz-Zagrosek V, Gebhard C. Gender medicine: effects of sex and gender on cardiovascular disease manifestation and outcomes. Nat Rev Cardiol 2023;20(4):236-247
Quelle: Deutsche Hochdruckliga
02.12.2023