Artikel • Pädiatrie

Aua, Bauchweh! - Abdominale Notfälle im Kindesalter

Wissen Sie, was eine Purpura Schönlein- Henoch ist? Wenn nicht, sind Sie sicher kein Kinderradiologe. In der Pädiatrie gibt es Krankheitsbilder, die man bei Erwachsenen selten bis gar nicht findet, genau wie Krankheitsbilder, die auch bei Erwachsenen vorkommen, die man jedoch völlig anders handhabt.

Bericht: Karoline Laarmann

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Prof. Dr. Andreas Saleh ist Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Kinderradiologie am Städtischemn Klinikum Schwabing in München.

Deshalb erfüllen Kinderradiologen eine wichtige Aufgabe innerhalb des klinischen Versorgungsspektrums. Mit ganz eigenen Herausforderungen, welche die kleinen Patienten so mit sich bringen, weiß Prof. Dr. Andreas Saleh, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Kinderradiologie am Städtischemn Klinikum Schwabing in München.

Dies trifft auch auf abdominale Notfälle zu: „Bei noch kleinen Kindern sind werden Bauchschmerzen in zwei Drittel der Fälle nicht durch eine Krankheit im Abdomen hervorgerufen, sondern beispielsweise durch einen Infekt der oberen Atemwege. In diesem Alter können Kinder den Schmerz noch nicht genau lokalisieren – alles kann sich wie Bauchschmerz anfühlen. Deshalb lässt sich die Ursache nicht durch eine klinische Untersuchung klären, sondern nur durch die Bildgebung. Es erfordert dann oft neben der diagnostische Gewissheit auch Mut zu sagen: Ich sehe nichts, also ist da auch nichts.“

Darüber hinaus ist der Bauchschmerz ein unspezifisches Symptom, das viele Ursachen haben kann – wie etwa die Purpura Schönlein- Henoch: „Das ist eine Vaskulitis, von der die verschiedensten Organe betroffen sein können, u.a. auch der Gastrointestinaltrakt. Dort kann es zu Darmlähmungen, Durchblutungsstörungen, Perforation usw. kommen. Wenn man die Erkrankung nicht kennt, weiß man auch nicht, wonach man suchen soll.“

Ultraschallbild einer Invagination bei einem 4-jährigen Buben mit Purpura...
Ultraschallbild einer Invagination bei einem 4-jährigen Buben mit Purpura Schönlein-Hennoch. Seit gestern Bauchschmerzen, heute zunehmend Durchfall, Erbrechen, Mikrohämaturie.

Im Allgemeinen treten abdominale Akutsituationen im Kindesalter seltener auf als Notfälle aus dem neurologischen oder respiratorischen Bereich. In jeder Altersstufe von 0 bis 18 Jahren gibt es jedoch abdominelle Notfälle, die für ein bestimmtes Lebensalter besonders typisch sind. Im Säuglingsalter handelt es sich dabei vor allem um Erkrankungen, die im Zusammenhang mit Frühgeburtlichkeit stehen, wie die nekrotisierende Enterokolitis oder Erkrankungen, die durch Entwicklungsstörungen auftreten, wie Malrotationen, Atresien oder Stenosen des Darms. Bei Kleinkindern bis zwei Jahren tauchen Invaginationen am häufigsten auf. Bei Schulkindern – aber auch über alle anderen kindlichen Altersstufen hinweg – stellt eine Appendizitis mit Abstand die häufigste Diagnose dar. Bei Jugendlichen ist die Hodentorsion bzw. Ovarialtorsion eine häufig auftretende Komplikation.

Nicht selten werden medizinisch lebensbedrohliche Situationen im Kindesalter anders gehandhabt als im Erwachsenenalter, berichtet Andreas Saleh: „Der Umgang mit polytraumatisierten Kindern unterscheidet sich erheblich von dem mit polytraumatisierten Erwachsenen. Während man bei Erwachsenen eine unkritische Maximaldiagnostik durchführt, also eine Ganzkörper-Spiral-CT fährt, tut man dies bei Kindern nicht. Ein Grund ist die Strahlenhygiene, ein anderer die Tatsache, dass die Spontanverläufe bei Kindern viel günstiger ausfallen als bei Erwachsenen. Eine Organlazeration heilt bei ihnen viel häufiger folgenlos aus.“ Dass eine CT-Diagnostik fast immer vermieden werden kann, zeigt die Kinderklinik München Schwabing eindrucksvoll: Nur drei Abdomen-CT-Untersuchungen im Jahr finden hier im Durchschnitt statt.

Bei einem Zweijährigen besteht ein äußerst ungünstiges Verhältnis zwischen körperlicher Wehrhaftigkeit und geistiger Einsichtsfähigkeit

Andreas Saleh

Der Ultraschall ist das wichtigste Arbeitstool des Kinderradiologen: „Technisch unterscheidet sich die Ultraschalluntersuchung bei Kindern nicht groß von der bei Erwachsenen. Ein gut ausgestattetes Gerät, das man in der Erwachsenenmedizin verwendet, ist auch dafür geeignet, Kinder zu untersuchen. Es ist die Übung des Untersuchers, die den Unterschied macht. Bei uns im Haus wird der Ultraschall deshalb routinemäßig von der Kinderradiologie durchgeführt.“

Dabei machen es die kleinen Patienten dem Facharzt nicht immer leicht. Nicht jeder zeigt siche besonders kooperativ oder wie es Prof. Saleh ausdrückt: „Bei einem Zweijährigen besteht ein äußerst ungünstiges Verhältnis zwischen körperlicher Wehrhaftigkeit und geistiger Einsichtsfähigkeit.“ Dann sind Geschick, Einfühlsamkeit und Zielstrebigkeit gefragt. Manchmal hilft Ablenkung durch ein Spielzeug, manchmal das Herantasten mit dem Schallkopf an den Bauch über Körperteile, die nicht wehtun. Einen ultimativen Geheimtipp wie man zum "Kinderflüsterer" wird, hat der Experte allerdings nicht: „Es sind zwei Aspekte, die hier entscheidend sind. Zum einen muss ich die Situation annehmen. Ich darf nicht genervt davon sein, dass das Kind nicht mitmacht. Zum andern muss ich genau wissen, was ich suche, um schnell an mein Ziel zu kommen. Dafür braucht es Übung.“


Profil:

Prof. Dr. Andreas Saleh, geboren 1969 in Frankfurt a. M., verfügt neben dem Facharzt für Radiologie auch über die Schwerpunktbezeichnungen Kinderradiologie und Neuroradiologie. Er ist seit 2011 Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Kinderradiologie, seit 2013 außerdem Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Städtischemn Klinikum Schwabing, München. Zuvor war er Leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. 2010 wurde er zum Aplapl. Professor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ernannt.


Veranstaltungshinweis:

Raum: Hörsaal 2

Freitag, 29. September 2017, 10:40–11:00

Symposium 1 - Kinder

Abdominale Notfälle

Andreas Saleh (München)

29.09.2017

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