Artikel • Interventionelle Radiologie

Pain Points – Die MRT zeigt den Weg vom Symptom zur Quelle

Haben Sie die Videos gesehen? Oder den 20-seitigen Artikel in Radiology gelesen? Dann wissen Sie, dass Sie auf dem MR 2017 Garmisch einen ausgewiesenen Experten des hoch spezialisierten Bereichs „Wirbelsäulenintervention“ treffen werden: Dr. William Palmer, Leiter der Abteilung Muskuloskelettale Radiologie & Intervention am Massachusetts General Hospital, einem Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School.

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Dr. William Palmer

Eigentlich stehe er lieber am Patientenbett als auf dem Podium, so Dr. Palmer, ließ sich für den RSNA im November 2016 aber doch überreden, einen Auffrischungskurs zu muskuloskelettalen Injektionen im Rahmen des Schmerzmanagements zu organisieren. Und zum selben Thema hielt er die Keynote-Rede der wissenschaftlichen Session. Im Dezember erschien in Radiology sein ausführlicher Artikel „How I Do it: Spinal Injections for Pain Management“. Die Online-Veröffentlichung umfasst zwei Videos mit dem kamerascheuen Dr. Palmer höchstselbst. In Garmisch spricht Dr. Palmer über die Korrelation von Patientensymptomen mit MRT-Ergebnissen, über die Differenzierung aktiver Schmerzerzeuger in der Wirbelsäule von nebensächlichen strukturellen Auffälligkeiten und die Formulierung einer Behandlungsstrategie.

„Wir Radiologen mit unserer Expertise in der Bildbefundung und unserer Erfahrung mit bildgesteuerten Interventionen sind prädestiniert für diese Themen. Wir sind darin ausgebildet, die Bildgebung zur sicheren und effektiven Platzierung von Nadeln einzusetzen“, so Palmer.

Wirbelsäulen-MRTs zeigen bei asymptomatischen Patienten häufig auffällige Befunde, insbesondere bei älteren Menschen. Es kann sich hier um mehrere Krankheitsbilder handeln, sei es die Bandscheibendegeneration, der Bandscheibenvorfall oder eine Facettenarthrose.

Wie stellt man als Radiologe fest, wo die eigentliche
Schmerzursache sitzt?

Dr. William Palmer

„Am größten ist die Herausforderung, wenn die MRT-Bilder des schmerzgeplagten Patienten mehrere Befunde aufweisen. Wie stellt man als Radiologe fest, wo die eigentliche Schmerzursache sitzt? Fehlen die klinischen Informationen, wird der diktierte Bericht womöglich zu einer Liste von wenig aussagekräftigen MRT-Befunden, aus der keine fokussierte Schlussfolgerung gezogen werden kann“, fügt Dr. Palmer hinzu. „Bei Wirbelsäuleninterventionen und Schmerzmanagement kann der Radiologe direkt mit dem Patienten sprechen, Symptome abfragen und die MRT-Bilder gezielt prüfen, Symptome mit den Befunden aus der Bildgebung abgleichen und so zu einer Schlussfolgerung bezüglich der Schmerzursache gelangen. Damit kann auch das beste Verfahren festgelegt werden“, erläutert Palmer. „Über die Korrelation von Symptomen und Bildern erschließen sich unter Umständen subtile, aber wichtige MRT-Auffälligkeiten, die eventuell in der Erstbefundung übersehen wurden. Das heißt, sie kann die diagnostische Präzision und die Wirksamkeit der Behandlung verbessern.“

Die axiale MRT-Aufnahme von L3-4 zeigt eine intraforaminale Diskusherniation...
Die axiale MRT-Aufnahme von L3-4 zeigt eine intraforaminale Diskusherniation rechts, die das Nervenwurzelganglion von L3 verschiebt und mit der Radikulopathie in L3 korreliert. Der Bandscheibenvorfall wurde prospektiv nicht erkannt.

Anästhesisten und die sog. physiatrists, so werden in den USA Rehabilitationsmediziner genannt, führen ebenfalls Injektionen im Rahmen des Schmerzmanagements durch. Da sie jedoch eine profunde Ausbildung in der Interpretation von Bildern haben, sind es die Radiologen, die ihr Wissen zur Korrelation von Symptomen und Bildbefunden am besten nutzen können.

Die Präsentation von Dr. Palmer auf dem MR 2017 Garmisch legt den Schwerpunkt auf Wirbelsäulen-MRT aus der Perspektive von Kortikosteroid-Injektionen zum Schmerzmanagement. Die Beantwortung von vier Fragen bestimmt den Erfolg einer Injektion:

  • In wie weit korrelieren Symptome und Bildgebung?
  • In wie weit ist eine Entzündung die Ursache der Schmerzen?
  • Wie zielgerichtet kann das Kortikoid in das entzündete Gewebe gebracht werden?
  • In wie weit ist die Entzündung heilbar?

Mein Ziel ist es, die Patienten vom OP fernzuhalten.

Dr. William Palmer

„Mein Ziel ist es, die Patienten vom OP fernzuhalten“, bekräftigt Palmer. „Haben Sie beispielsweise einen Patienten mit einem Bandscheibenvorfall, dessen Schmerzen mit Physiotherapie nicht zu lindern sind und die für Bewältigung des Alltags zu stark sind, wird dieser Patient meistens früher oder später im OP landen. Kann aber eine Steroidspritze die Entzündung mindern, die diese Schmerzen verursacht, verschwindet der Bandscheibenvorfall unter Umständen von alleine. Der Patient kann dann in die Physiotherapie gehen und dort mit Übungen lernen, die Stärke und Dauer künftiger Schmerzen zu mindern.“


Profil:
William Palmer. M.D. ist Direktor der Abteilung Muskuloskelettale Radiologie & Intervention am Massachusetts General Hospital (MGH). Nach seinem Medizinstudium, das er 1984 mit einem M.D. an der Yale University abschloss, folgten Facharztausbildungen, zunächst zum Internisten (1987, Hospital of the University of Pennsylvania), dann zum Radiologen (1991, MGH). Am MGH, in dessen Radiologieteam er 1991 aufgenommen wurde, durchlief er eine Schwerpunktausbildung MRT. 1995 wurde er zum Direktor der MRT des MGH berufen. Seine klinischen Fachgebiete sind u. a. Bildgebung in der Sportmedizin, Arthrose und Wirbelsäuleninterventionen. Zu seinem Team gehören 9 MSK-Radiologen und 5-7 Fellows. Bill Palmer ist aktueller Präsident der International Skeletal Society und er berät die Boston Red Sox (Baseball), die Boston Bruins (Eishockey) und die New England Patriots (Football).

02.02.2017

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