Durchs Nadelöhr getrieben
Neuregelung der CT-gesteuerten periradikulären Therapien sorgt für Protest
In Deutschland leiden etwa fünf bis acht Millionen Menschen an chronischen Rückenschmerzen.
Die Beschwerden resultieren oft aus einem Bandscheibenvorfall. Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen schlägt dann eine periradikuläre Schmerztherapie (PRT) der Lendenwirbelsäule gut bis sehr gut an, um die Schmerzen zu lindern. Wovon genau der Therapieerfolg abhängt, bleibt unklar. Doch scheint der Therapeut dabei eine entscheidende Rolle zu spielen. Umso kritischer bewertet Univ.-Prof. Dr. Christian Stroszczynski, Direktor am Institut für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg, den Beschluss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Indikationsstellung für die PRT ab April 2013 nur noch von einer ganz bestimmten Ärztegruppe durchführen zu lassen.
Die PRT ist die perkutane Applikation schmerzstillender Medikamente in die Nervenwurzel (Radix), um radikuläre Schmerzen lang anhaltend zu mindern. Sie gilt als besonders komplikationsarm und leicht zu erlernen. Da es sich um ein bildgestütztes Verfahren handelt, ist der Interventionelle Radiologe nach Meinung von Prof. Stroszczynski jedoch der geeignetste aller Therapeuten: „In nichtspezialisierten Krankenhäusern wird der Eingriff zwar auch wahlweise vom Orthopäden, Neurochirurgen oder Anästhesisten durchgeführt, aber diese Facharztgruppen greifen zumeist auf konventionelle Röntgengeräte zurück, die sehr viel weniger präzise sind als Schnittbildverfahren wie CT und MRT. Das kann zur Folge haben, dass die Injektion nicht genau ins Areal des Neuroforamens gesetzt wird und das Medikament deshalb nicht richtig wirkt.“
Darüber hinaus bietet die CT im Niedrigdosisverfahren sehr gute Möglichkeiten zur Dosisreduktion. „Bei der CT-Fluoroskopie in Einzelschusstechnik liegt die Strahlenexposition bei unter 1 mSv“, so der Regensburger Klinikdirektor, „das heißt, wir halten die Dosis so niedrig, dass wir gerade noch die Umrisse der Wirbelkörper und die umliegenden Strukturen erkennen können, um die Radix zu erreichen. Das ist auch insofern wichtig, als dass die Behandlung meist in drei Zyklen im Abstand von drei Wochen durchgeführt wird.“
Aber warum wird die PRT nicht gleich ohne Röntgenstrahlung im MRT erledigt? „Das ist eine Frage der Verfügbarkeit“, erklärt Stroszczynski, „nur wenige Institute verfügen über ein offenes MRT-Gerät, in dem man die bildgestützte Punktion problemlos realisieren kann. Eine Punktion in einem geschlossenen Tunnel ist sowohl für den Radiologen als auch für den Patienten umständlich.“
Ansonsten zählt die PRT zu den wenigen Interventionen, die auch im ambulanten Bereich sehr sicher durchgeführt werden können, weil sie so komplikationsarm und schnell ist. Sie gehört deshalb auch zum Leistungsspektrum vieler niedergelassener radiologischer Praxen. Die Punktion erfordert es lediglich, dass der Arzt im Vorhinein die aktuellen Blutgerinnungswerte des Patienten prüft.
Eine gesetzliche Neuregelung im kassenärztlichen Vergütungssystem führt jedoch dazu, dass die CT-gesteuerte PRT jetzt nur noch von ausgewiesenen Ärzten mit einer Spezialisierung auf die Schmerztherapie gemäß WBO entweder selbst durchgeführt oder überwiesen werden kann. „Darüber schafft man ein sehr enges Nadelöhr, das die Patientenströme nicht nur umlenkt, sondern auch zu längeren Wartezeiten führt“, kritisiert Prof. Stroszczynski. Aus eigener Erfahrung weiß der Interventionelle Radiologe, wie wichtig gerade für chronische Schmerzpatienten eine vertrauensvolle Beziehung zum behandelnden Arzt ist: „Es ist ja eher untypisch für unseren Berufsstand, dass wir eine enge Patientenbindung aufbauen. In dem Fall gibt es aber ein Kollektiv an Patienten, die beispielsweise sehr lange Anfahrtswege auf sich nehmen, nur um von einem speziellen Radiologen behandelt zu werden. Es gibt zwar keine wissenschaftlichen Studien dazu, aber im Alltag zeigt sich immer wieder, dass das persönliche Arztgespräch und die Person des Schmerztherapeuten an sich entscheidend zum Therapieerfolg der PRT beitragen.“ Trotz heftiger Proteste durch die Berufsverbände ist das Gesetz zum 1. April in Kraft getreten.
IM PROFIL
Prof. Dr. Christian Stroszczynski folgte im Oktober 2010 dem Ruf als Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg (UKR). Zuvor war er vier Jahre lang stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt am Institut für Radiologische Diagnostik der Carl-Gustav-Carus-Universität Dresden. Stroszczynski engagiert sich als Mitglied in zahlreichen medizinischen und wissenschaftlichen Gesellschaften und geht einer Gutachtertätigkeit für mehrere Fachzeitschriften wie „Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen“ (RöFo), „Investigative Radiology“, „European Radiology“ und „European Journal of Radiology“ nach. Seine Schwerpunkte bilden die diagnostische und bildgeführte Diagnose und Therapieverfahren bei Lebererkrankungen, Krebserkrankungen und in der Gefäßmedizin.
31.05.2013