RECIST

Warum eine radiologische Tumor-Response-Beurteilung nicht ausreicht

Für eine strukturierte onkologische Befundung sind objektive, quantitative und reproduzierbare Standards unabdingbar. Seit ihrer Einführung im Jahr 2000 haben sich die Response Evaluation Criteria In Solid Tumors, kurz RECIST, zu solch einem internationalen Standard entwickelt, um das Ansprechen von soliden Tumoren auf eine Therapie zu dokumentieren. Allerdings basieren diese Standards allein auf einer Messung der Tumorgröße anhand anatomischer Bilder und auf der nachfolgenden Dokumentation einer relativen Größenveränderung unter Therapie. Dieser Ansatz ist nicht mehr ganz zeitgemäß, sagt Univ.-Prof. Dr. Thomas Beyer, stellvertretender Leiter am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien. Er fordert deshalb einen Blick über den eigenen Tellerrand.

Verlaufsstudie von Patient mit multiplen FDG-aviden Läsionen vor und nach der...
Verlaufsstudie von Patient mit multiplen FDG-aviden Läsionen vor und nach der Therapie, University of Pittsburgh Medical Center, USA.

„Das Problem bei der größenbasierten Tumor-Response-Beurteilung ist, dass Läsionen bei modernen Therapieformen nicht unbedingt ihren Durchmesser verändern, sondern primär ihre metabolischen Aktivitäten einstellen“, erklärt Prof. Beyer, „die Tumorgröße allein ist nicht unbedingt ein primäres Indiz für den Erfolg oder Misserfolg einer Behandlung. Deshalb reichen die RECIST-Kriterien zum Therapiemonitoring allein nicht mehr aus. Oder anders ausgedrückt: Radiologische Verfahren mit rein morphologischen Bildinformationen sind oft für modernes Therapiemanagement unzureichend. Es braucht ergänzende Diagnoseverfahren, die die Stoffwechselprozesse im Tumor sichtbar machen.“

Damit meint der Medizinphysiker konkret die Einbeziehung von SPECT und PET in den Befundungsprozess, also die Erweiterung um nuklearmedizinische Bildgebungsmethoden in der Response-Beurteilung. Beide Verfahren, SPECT und PET, nutzen radioaktiv markierte Biomoleküle (Tracer), die je nach ihren chemischen oder biologischen Eigenschaften an verschiedenen biodynamischen Prozessen im Körper teilnehmen und Hinweise darauf geben, ob die Krebszellen noch metabolisch aktiv sind oder nicht. Diese funktionellen Bildgebungstechniken bedingen neue standardisierte Kriterien, wie sie beispielsweise mit den PERCIST-Vorgaben (PERSIST = Positron Emission Response Criteria in Solid Tumors) seit dem Jahr 2009 auch schon vorgegeben wurden.

Wird RECIST also in Zukunft durch PERCIST abgelöst? „Das ist unwahrscheinlich“, meint Thomas Beyer, „PERCIST-basierte oder ähnlich zu etablierende Kriterien sind erforderlich, sobald nuklearmedizinische oder hybride Bildgebungsmethoden verwendet werden. Mit der PET/CT und der PET/MR stehen uns zwei solche Verfahren zur Verfügung, die es ermöglichen, während nur eines Untersuchungsgangs morphologische, metabolische, dynamische und molekulare Daten zu generieren. Daraus ergeben sich umfassende zusätzliche Informationen, die über eine einfache Bildfusion hinausgehen, die mit RECIST nicht mehr und mit PERCIST noch nicht vollständig eingebunden werden können.“

Grundlegende Voraussetzung, um eine multimodale Bildgebung zu betreiben, ist jedoch, dass beide Expertisen, radiologische und nuklearmedizinische, an einem Ort zugänglich sind. Aus vielfältigen Gründen ist diese interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht immer möglich oder nicht einfach umzusetzen. Neben vielfältigen organisatorischen Gründen sind es bis dato auch fachliche Verschiedenheiten, die eine solche Kooperation anfangs infrage stellen können, weiß der Experte: „Zum Beispiel sehen nuklearmedizinische und radiologische Bilder sehr unterschiedlich aus, den sie enthalten ganz verschiedene Informationen. Während radiologische Bilder räumlich hochaufgelöst, aber dabei relativ unspezifisch in Bezug auf die Tumoraktivität bleiben, sind nuklearmedizinische Bilder häufig sehr spezifisch, haben dabei aber eine räumliche Unschärfe; das heißt, sie werden sehr häufig als verschwommen und damit minderqualitativ wahrgenommen. Die räumliche Unschärfe dieser Bilder wird durch die intrinsische räumliche Auflösung der nuklearmedizinischen Verfahren (etwa 5 bis 8 Millimeter) bedingt; selbige ist aber allein nicht ausschlaggebend für die Sensitivität dieser Methode. In nuklearmedizinischen Untersuchungen – und damit auch in Hybridverfahren – können Läsionen von 2 Millimetern Durchmesser detektiert werden, solange der gewählte Tracer spezifisch ist und damit seine relative Aufnahme in der Tumorläsion um ein Vielfaches höher als im umliegenden Gewebe ist. Ein Tracer ist also kein radiologisches Kontrastmittel, sondern ein intrinsischer Biomarker. Da muss man sich erst reindenken.“

Wie würde also nach Thomas Beyer eine ideale Zusammenarbeit in der Klinik aussehen? „Zum Beispiel, dass die Hybridgeräte gleichberechtigt betrieben werden, mit wechselnden Befundern aus beiden Fächern und zwei Fachärzten aus beiden Disziplinen, die die Befunde gegenlesen. Nur so können wir zum Wohl des Patienten heute das Beste aus beiden diagnostischen Welten herausholen.“


PROFIL:
Prof. Dr. Thomas Beyer studierte in Leipzig Physik, absolvierte danach ein PhD-Studium an der University of Surrey in England. Er hat das weltweit erste kombinierte PET/CT-System in den USA mitentwickelt und arbeitete unter anderem als PET/CT-Koordinator in international führenden akademischen Zentren wie der Universität Duisburg-Essen und an der Universität Kopenhagen und war Professor im Fach Experimentelle Nuklearmedizin an der Universität Duisburg-Essen. Im März 2013 trat Beyer die Professur für Physics of Medical Imaging am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien an.

Veranstaltungshinweis:
Raum: Mozart 3
Donnerstag, 1. Oktober 2015, 14:15–15:45 Uhr
Imaging beyond RECIST
Th. Beyer, Wien/Österreich
Workshop 3

25.09.2015

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