Strahlentherapie
Verkürzte Bestrahlung bei Brustkrebs bringt Vorteile für Patientinnen
An Brustkrebs erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 72 000 Frauen. Die Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation ist fester Bestandteil der Krebsbehandlung und dauerte bislang sechs bis sieben Wochen. Neue technische Entwicklungen ermöglichen es jetzt, die Zahl der Bestrahlungen zu verringern und auf etwa drei Wochen zu verkürzen. In Lübeck und Kiel startet dazu die größte Strahlentherapiestudie in Deutschland.
Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) erwartet, dass die neue Therapieform mit verkürzter Bestrahlung genauso wirksam ist, wie die bisherige. Die Vorteile für die Patientinnen könnten vor allem darin bestehen, dass sie sich schneller erholen und besser in den Alltag zurückfinden.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jede achte bis zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom. Die Bestrahlung ist ein wichtiger Teil der brusterhaltenden Behandlung. „Gesundes Gewebe unterscheidet sich ganz wesentlich von Tumorgewebe. Gesunde Zellen erholen sich in den Bestrahlungspausen besser von den Strahlen als die bösartigen Tumorzellen“, erklärt Professor Dr. med. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim und DEGRO-Pressesprecher. Diese strahlenbiologischen Unterschiede nutzten die Strahlentherapeuten in der Dosisfraktionierung, also der Aufteilung der Bestrahlung, ergänzt der Experte. Der Effekt sei, dass die Strahlen die Tumorzellen schädigten, während das gesunde Gewebe geschont werde.
Höhere Bestrahlung - kürzere Dauer
Bisher dauerte eine konventionelle Strahlentherapie sechs bis sieben Wochen und bestand aus 30 bis 35 Terminen, auch Fraktionen genannt. Für die Patientinnen bedeutete dies, über Wochen an jedem Werktag zur Bestrahlung zu gehen. Die Strahlendosis – angegeben wird sie mit der Bezeichnung Gray (Gy) – lag zwischen 1,8 Gy bis 2 Gy und einer Wochendosis von 9 bis 10 Gy. In den vergangenen Jahren gelang es Radioonkologen, die Behandlungszeit zu verkürzen. Dabei erfolgte die Bestrahlung mit erhöhter Einzeldosis in weniger Sitzungen. „Diese sogenannte hypofraktionierte Bestrahlung verkürzte die Behandlungszeit auf viereinhalb Wochen, wenn zusätzlich zur Bestrahlung der ganzen Brust auch noch das Operationsgebiet mit einer stärkeren Strahlendosis – Boost genannt – versorgt wurde“, erklärt Professor Jürgen Dunst, Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Große Studien in Kanada und Großbritannien haben gezeigt, dass diese verkürzte, höher dosierte Bestrahlung der konventionellen gleichwertig ist.
Gute Ergebnisse
Mittlerweile liegen Ergebnisse einer Nachbeobachtungszeit von fünf bis zwölf Jahren vor. Sie zeigen deutlich, dass die hypofraktionierte Bestrahlung zu gleich guten Ergebnissen hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle und des Überlebens im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie führt. Auch in Deutschland läuft seit Anfang 2014 an der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Dresden eine vergleichbare Studie namens HypoChoice. Die Brustkrebspatientinnen wählen selbst, ob sie eine normalfraktionierte oder eine hypofraktionierte Strahlentherapie erhalten. Andere Studien sind die KOSIMA-Studie (an der Universitätsklinik Mannheim) und die multizentrische HIOB-Studie (eine Kombination aus intraoperativer Boost-Bestrahlung und hypofraktionierter Nachbestrahlung der Brust).
Eine weitere Verkürzung auf nur mehr etwa drei Wochen und 16 Sitzungen ist möglich, wenn ein neues technisches Verfahren hinzukommt, das mit der Hypofraktionierung kombiniert wird: Der simultan integrierte Boost (SIB). „Die zusätzliche Bestrahlung des Operationsgebietes, die bisher erst nach der Strahlentherapie der ganzen Brust erfolgte, wird bereits auf die einzelnen Termine bei der Strahlenbehandlung der ganzen Brust verteilt“, erklärt Professor Dunst. Bei der Brustbestrahlung mit integriertem Boost beträgt die Strahlendosis 3,0 Gy pro Sitzung. 2,5 Gy plus zusätzlich verabreichter Boost mit 0,5 Gy. Insgesamt erhält die Patientin somit eine Dosis von 48 Gy in 16 Fraktionen.
Klinische Studie
Dieses Kombinationsverfahren soll nun in einer groß angelegten Studie unter Leitung von Professor Dunst geprüft werden. An der klinischen Studie mit dem Name HYPOSIB sind neben der Lübecker und Kieler Klinik für Strahlentherapie, die Klinik für Frauenheilkunde, das Institut für Medizinische Biometrie und Statistik und das Zentrum für Klinische Studien der Universität Lübeck beteiligt. Zusammen mit rund 80 Partnerkrankenhäusern werden die Experten von April 2015 an in den kommenden drei Jahren etwa 2000 Brustkrebspatientinnen behandeln. Die Patientinnen erhalten entweder die bisherige Standardtherapie mit einer Behandlungsdauer von etwa fünf bis sechs Wochen, oder die verkürzten hypofraktionierten Bestrahlung mit integriertem Boost mit einer dreiwöchigen Behandlungsdauer.
Finanziert wird die Multicenter-Strahlentherapiestudie von der Deutschen Krebshilfe. Die Ergebnisse werden in etwa fünf Jahren vorliegen. Dann wird sich erweisen, ob die neue Methode eine adäquate Behandlungsalternative ist.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.
15.04.2015