Nahaufnahme der Oberfläche eines Stents mit weißen Ringen und Wirbeln
Die Oberfläche eines Harnwegstents weist Mikrostrukturen mit scharfen Kanten auf, wie beispielsweise Flimmerhärchen. Durch Ultraschallaktivierung dieser Mikrostrukturen wird eine effiziente Strömung erzeugt.

© Cornel Dillinger, Pedro Amado

Video • Biofilm-Beseitigung

Ultraschall und Flimmerhärchen reinigen implantierte Stents und Katheter

Neues Verfahren könnte Lebensqualität von Patienten verbessern und finanzielle Belastung des Gesundheitssystems verringern

Harnwegstents und -katheter sind in der Human- und Veterinärmedizin weit verbreitet und dienen der Ableitung von Urin in oder aus der Blase. Ureterstents werden eingesetzt, wenn der Harnleiter, als der Gang zwischen Niere und Blase, durch Tumore, Schwangerschaft, Steine oder anatomische Verengungen blockiert ist. Verstopfungen durch bakteriellen Biofilm oder kristalline Ablagerungen – sogenannte Verkrustungen – zählen zu den häufigsten Komplikationen nach der Implantation. Diese Ablagerungen entstehen an Innen- und Außenwänden solcher Stents und Katheter und können schmerzhafte Infektionen oder gar Versagen dieser Geräte verursachen. Um diese Probleme zu vermeiden, müssen Harnwegstents und -katheter alle zwei bis sechs Monate ausgetauscht werden, was nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränkt, sondern auch zu einer großen Belastung der Spitäler und hohen Kosten führt. 

In einer aktuellen Studie unter der Leitung von PD Dr. Francesco Clavica vom ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern und der Universitätsklinik für Urologie am Inselspital, Universitätsspital Bern, sowie Prof. Daniel Ahmed aus der Gruppe Acoustic Robotics for Life Sciences and Healthcare der ETH Zürich hat das interdisziplinäre Team die Architektur und die Strömungsverhältnisse von gestenteten Harnleitern nachgebildet. Sie konnten zeigen, dass durch Ultraschall aktivierte künstliche Flimmerhärchen auf der Oberfläche des Stents Biofilme und Verkrustungen effizient entfernen können. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.

In allen Tests konnten typische Verkrustungen und Biofilme, wie sie in Harnwegstents und -kathetern vorkommen, mit unserer Technologie innerhalb von Minuten oder sogar Sekunden entfernt werden

Daniel Ahmed

"Mit Unterstützung des Innovation Office der Universität Bern haben wir die Grundlagenforschung meiner ETH-Doktorarbeit in eine anwendungsnahe Technologie überführt", erklärt Dr. Cornel Dillinger, UniBE Venture Fellow. Er teilt sich die Erstautorenschaft mit Pedro Amado, beide vom ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern. Die Forschenden möchten neue medizinische Geräte mit winzigen Flimmerhärchen an den Innen- und Außenwänden ausstatten, die durch gezielte Ultraschallreize eine reinigende Strömung erzeugen, die Bakterien und Kristalle von den Oberflächen löst und wegspült. Auf diese Weise könnten Stents und Katheter nicht-invasiv gereinigt werden, was das Risiko einer Verstopfung deutlich verringern würde.

Die Forschenden konnten zeigen, dass Ultraschallwellen, die auf glatte Oberflächen treffen, kaum Strömung erzeugen. Weist die Oberfläche hingegen markante Mikrostrukturen auf, wie zum Beispiel Flimmerhärchen, entsteht eine sehr effiziente Strömung, die als akustische Strömung bezeichnet wird. Die Ergebnisse der Mikrofluidik-Experimente übertrafen die Erwartungen der Forschenden bei weitem. 

"In allen Tests konnten typische Verkrustungen und Biofilme, wie sie in Harnwegstents und -kathetern vorkommen, mit unserer Technologie innerhalb von Minuten oder sogar Sekunden entfernt werden", erklärt Daniel Ahmed, Ko-Leiter der Studie. Diese Technologie könnte nicht nur in der Urologie, sondern auch in anderen Bereichen wie beispielsweise der Viszeralchirurgie oder der Tiermedizin eingesetzt werden, wo die Reinigung implantierter medizinischer Geräte ebenfalls entscheidend ist.

Die nicht-invasive Reinigung durch Ultraschallaktivierung birgt das Potential, invasive Folgeeingriffe zu reduzieren und damit sowohl die Lebensqualität von Patienten zu verbessern als auch das Gesundheitssystem zu entlasten. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sind vielversprechend. "Bis zu einem marktreifen Produkt, von dem die Betroffenen profitieren können, ist es jedoch noch ein weiter Weg", betont Francesco Clavica, Ko-Leiter der Studie. Mit einem BRIDGE-Beitrag des Schweizerischen Nationalfonds über 2 Millionen Franken wird nun ein Prototyp entwickelt, der in Tiermodellen getestet werden soll. "Wir denken bereits jetzt über Fragen der Skalierbarkeit und nachhaltigen Produktion nach", fügt Clavica an. 

Längerfristig plant das Forschungsteam die Gründung eines Spin-off-Unternehmen. "Die bahnbrechenden Ergebnisse unseres Projekts sind ein Beispiel für die erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit am Medizinalstandort Bern – zwischen Forschenden der Universität Bern, klinischen Experten des Inselspitals und dem sitem-insel, dem Schweizerischen Institut für translationale Medizin und Unternehmertum, das neue Lösungen an die Patienten bringt", so Clavica abschließend. 


Quelle: Universität Bern

30.04.2025

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