Über Antiinfektiva hinausgehende Therapien
Grundlegende Mechanismen von Entzündung und Infektion zu verstehen und nutzbar zu machen, ist das Forschungsziel von Prof. Dr. Norbert Suttorp und seinem Team an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité, Berlin. Seit vielen Jahren bearbeitet Prof. Suttorp Fragen zum Thema "Über Antiinfektiva hinausgehende Therapien“. Im Gespräch mit Karoline Laarmann, EUROPEAN HOSPITAL, ging er näher auf diesen Themenkomplex und experimentelle Forschungsansätze bei der Behandlung von Lungenentzündung und Sepsis ein.
„Antiinfektiva retten viele Leben und sind der erste Schritt zur Behandlung von Infektionen. Wenn es aber z. B. zu einer schweren Lungenentzündung kommt, stirbt immer noch einer von zehn Patienten, obwohl die ausgewählten Antibiotika richtig sind und den Erreger treffen. Eine alleinige Antibiotikagabe reicht nicht immer aus. Der Körper unterscheidet nicht zwischen toten und lebendigen Bakterien. Das heißt, wenn Bakterien durch das Antibiotikum sterben, aber immer noch im Organismus sind, kann es weiterhin zu körpereigenen Abwehrreaktionen kommen, die fatale Nebenwirkungen wie Hyperinflammation haben. Tote Bakterien sind noch lange nicht gute Bakterien. Hier gibt es Handlungsbedarf, um die Therapie weiter zu verbessern.“
Eine Grundidee, um Hyperinflammation in der Frühphase einer schweren Infektion abzufangen, ist die Hydrokortison-Therapie. Kortison ist vom Ansatz her unspezifisch und breitgefächert, es wirkt sehr stark und bei Sepsis ist der Einsatz von Kortison bereits relativ weit verbreitet. Die Wirkung des Kortisons bei schwerer Lungenentzündung ist jedoch unklar. Die unübersichtliche Datenlage ist z.T. darin begründet, dass bestimmte Bakterien gezielt die Kortisonwirkung blockieren. Ein anderes gravierendes Problem bei schwerer Lungenentzündung, so Prof. Suttorp weiter, sei aber vor allem die Gefäßundichtigkeit. Deshalb sei es wichtig, ganz neuartige Therapieformen zu entwickeln, um die Barrierefunktion der Endothelzellen (Zellen der Gefässinnenwand) wiederherzustellen. Dann dringt nicht mehr soviel Flüssigkeit in die Lungenbläschen und der Gasaustausch wird weniger behindert. Die Frage nach einem geeigneten Target ist hier entscheidend. Eine wichtige molekulare Zielstruktur, um die Schrankenstörung zu korrigieren, ist beispielsweise Phosphodiesterase-2, weil dieses Enzym nur bei Inflammation hochreguliert wird und dann die Barrierefunktion behindert. Neben innovativen Inhibitoren, die schädliche Moleküle blockieren, werden zu Zeit auch neue Medikamente getestet, die die Barrierefunktion unmittelbar verbessern.
26.01.2010