Video • Patient experience und Empowerment

Giraffe Gerda nimmt Kindern Angst vor der Radiologie

Wie bereitet man ein Kind am besten auf eine radiologische Untersuchung vor? Dieser Gedanke scheint in der Vergangenheit wenig Beachtung gefunden zu haben, gibt es doch kaum Material, dass kindgerecht vermittelt, was auf die kleinen Patienten zukommt.

Artikel: Sonja Buske

Dabei kann die richtige Vorbereitung nicht nur Ängste nehmen, sondern auch Zeit und Geld sparen sowie Risiken minimieren. Mit dem Projekt „Giraffe Gerda“, das auf dem ECR in Wien erstmals präsentiert und mit dem UX Design Award des Internationalen Design Zentrums Berlin (IDZ) ausgezeichnet wurde, nimmt Siemens Healthineers die Kinderradiologie in den Fokus und will langfristig Familien im Gesundheitswesen stärken.

Sowohl Firmen als auch Krankenhäuser dürfen nicht mehr nur auf die anonyme Großgerätemedizin und die Technologie schauen, sondern müssen die Bedürfnisse der Patienten mehr in den Mittelpunkt rücken und bereits in den Entwicklungsprozess miteinbeziehen, ist sich Alexandra Zahn, Director Humanizing Healthcare Design bei Siemens Healthineers sicher. „2020 haben wir angefangen, uns intensiver mit der Kinderradiologie zu beschäftigen, da wir hier sowohl großen Handlungsbedarf als auch viel Potenzial gesehen haben.“ In einem multidisziplinären Team bestehend aus Radiologen, Psychologen, Child Life Specialists, Eltern, Erziehern und Kindern wurde das Projekt „Giraffe Gerda“ ins Leben gerufen, um Drei- bis Zehnjährige optimal auf den Ablauf im MRT, eine Durchleuchtungsuntersuchung oder einen CT-Scan vorzubereiten. „Erfahrungen und Studien haben gezeigt, dass die Untersuchungen deutlich länger dauern, wenn die kleinen Patienten unvorbereitet auf die enorme Geräuschkulisse oder die Enge in der Röhre treffen. Die ungewohnte, sterile Atmosphäre, oft in einem Keller ohne Fenster, macht zudem vielen Angst. An einen reibungslosen Ablauf ist dann kaum noch zu denken und die Kinder müssen im schlimmsten Fall sediert werden, damit sie während der Untersuchung still liegen“, weiß Zahn zu berichten. „Neben dem Zeitfaktor und dem Risiko für die Kinder spielen zudem auch Kosten eine Rolle, denn für eine Sedierung muss zusätzliches Personal hinzugezogen werden.“

Wandgestaltung eines MRT-Eingangsbereichs mit Giraffe Gerda und ihren Freunden

Bildquelle: Siemens Healthineers

Dschungel in der Radiologie

Angefangen hat das Team mit der Umgestaltung der Wände in den Warte- und Untersuchungsbereichen, um ein kindgerechtes, freundliches Ambiente zu schaffen. Im Mittelpunkt steht die Giraffe Gerda, die auf viele tierische Freunde aus dem Dschungel trifft. Damit die Vorbereitung aber schon zuhause beginnen kann, wurden zusätzlich ein Buch, ein Hörspiel und ein Mut-Mach-Song in Workshops direkt mit Kindern entwickelt. „Wir wollten in den verschiedenen Medien die Sprache verwenden, die auch die Kinder sprechen“, erklärt Anna Weidner, User Experience Designer bei Siemens Healthineers. „Deshalb haben wir mit Handpuppen Untersuchungen nachgespielt und dadurch erfahren, welche Ängste die Kinder haben oder wie sie jemandem erklären würden, dass man unbedingt still liegen bleiben muss.“ Das Buch gibt es auf Deutsch und Englisch, mit zusätzlichen Hinweisen für die Eltern. Hörspiel und Song können direkt über einen QR-Code abgespielt werden. „Im Idealfall überreicht schon der überweisende Arzt das Buch an seine Patienten, damit die Vorbereitung so früh wie möglich beginnen kann“, sagt Weidner. 

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In zwei deutschen Krankenhäusern wurde das „Gerda-Konzept“ bereits komplett umgesetzt, eine weitere große Klinik hat Interesse bekundet und auch in den USA ist man auf das Projekt aufmerksam geworden. Es besteht auch die Möglichkeit, die mutmachende Giraffe nur teilweise in die Radiologie einziehen zu lassen: „Statt einer kompletten Wandbemalung kann man zum Beispiel auch nur mit Projektionen oder Aufstellern arbeiten, und so die Räumlichkeiten nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene nutzen“, ermutigt Zahn die Entscheider im Gesundheitswesen, sich intensiver mit den Möglichkeiten des Konzepts auseinanderzusetzen.

Ausweitung auf andere Patientengruppen

Eltern sind heutzutage bereit, einen weiten Weg auf sich zu nehmen, um ihre Kinder in einer Klinik behandeln zu lassen, die sich auf deren Bedürfnisse einlässt, da positive Berührungspunkte enorm wichtig sind

Alexandra Zahn

Nach Abschluss der Untersuchung bekommen die kleinen Patienten eine Gerda-Mut-Medaille, wer häufiger kommen muss, soll bald zudem in einer Stempelkarte Sticker sammeln können, so die Idee. Die Zielgruppe im Alter von drei bis zehn Jahren soll dadurch den Aufenthalt mit positiven Erfahrungen verbinden. Doch wie geht es nach der Untersuchung weiter? Wie kommuniziert man eine – vielleicht schwerwiegende – Diagnose gegenüber einem Kind? „Hier wollen wir ansetzen und das Projekt weiter ausbauen. Gerda könnte die Kinder über die gesamte Zeit der Erkrankung begleiten“, blickt Zahn in die Zukunft. Denkbar wäre ebenfalls die Übertragung auf weitere Patientengruppen, die eine besonders einfühlsame Behandlung benötigen, wie Autisten oder Demenz-Erkrankte. Studien zum laufenden Projekt sollen bei der Weiterentwicklung helfen. 

„Eltern sind heutzutage bereit, einen weiten Weg auf sich zu nehmen, um ihre Kinder in einer Klinik behandeln zu lassen, die sich auf deren Bedürfnisse einlässt, da positive Berührungspunkte enorm wichtig sind“, weiß Zahn. „Die Familie muss im Gesundheitssystem eine größere, wichtigere Rolle spielen. Deshalb sehe ich es als unseren Auftrag an, bereits im Gestaltungsprozess den einzelnen Menschen, ob groß ob klein, und dessen Bedürfnisse mit einzubeziehen.“

06.09.2022

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