Tomasz Bienias an seinem Arbeitsplatz im Homeoffice
Tomasz Bienias an seinem Arbeitsplatz im Homeoffice

Bildquelle: Siemens Healthineers

Interview • Neue Arbeitswelt in der Radiologie

MTR im Homeoffice: Auch aus der Ferne nah am Patienten

Das Homeoffice ist im Verlauf der Corona-Pandemie für viele zum neuen Arbeitsplatz geworden. Sogar Medizinische Technologen für Radiologie (MTR) können ihrer Tätigkeit aus den eigenen vier Wänden nachgehen, wie Tomasz Bienias vom LMU-Klinikum München aus eigener Erfahrung berichtet. Im Gespräch erklärt der MTR, wie er dank moderner Technik sowohl fachlich als auch menschlich ganz nah bei seinem Team ist – und welche Vorteile das Arbeiten im Homeoffice aus radiologischer Sicht bringt.

Interview: Wolfgang Behrends

HiE: Sie sind gerade in ihrem Büro zuhause in Frankfurt; die MRT-Scanner, die Sie steuern und überwachen, sind mehr als 300 Kilometer Luftlinie entfernt – wie funktioniert das?

Bienias: „Das funktioniert sogar ganz ausgezeichnet. Mein Arbeitsalltag beginnt mit dem Einloggen an meinem PC in das Klinikportal. Nachdem ich mich über meine Aufgaben für den Tag informiert habe, kann ich mich zu meinen Kollegen vor Ort dazuschalten. Wir nutzen das ‚syngo Virtual Cockpit‘-System von Siemens Healthineers. Für die nötige Sicherheit sorgt dabei eine spezielle Art der Zwei-Faktor-Authentifizierung in unsere Klinik sowie der Zugriff über ein Virtual-Desktop-System. 

An der LMU arbeiten wir nach einem Modell, das wir liebevoll den ‚Münchener Standard‘ getauft haben: Die Kliniker vor Ort betreuen den Patienten und bereiten ihn auf die Untersuchung vor. Als Remoter übernehme ich den operativen Teil – dabei kann ich mich ohne Ablenkung von außerhalb ganz auf diesen Patienten konzentrieren. Ich kontrolliere die Parameter der einzelnen Sequenzen und achte auf das Auftreten von Artefakten oder ähnliche Störungen. In der früheren Routine wurden diese Tätigkeiten durch Zeitnot oder externe Störfaktoren oft erschwert. Seitdem wir mit der Remote-Unterstützung arbeiten, ist dies nicht mehr der Fall.“

Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich für Ihr Berufsbild?

„Als MTR ist man, salopp gesagt, immer ein bisschen die eierlegende Wollmilchsau. Die Kerntätigkeit ist zwar das Durchführen der Scans, aber natürlich gehört noch sehr viel mehr dazu: Wir müssen den Patienten auf die Untersuchung vorbereiten, auf sichere Kleidung, Implantate und dergleichen achten. Auch die adäquate Positionierung des Patienten liegt in unserer Verantwortung. 

Einige Untersuchungen – etwa das MRT des Herzens – sind sehr anspruchsvoll. Gleichzeitig muss die MTR aber auch mit dem Arzt und dem Patienten in Kontakt sein, dafür sorgen, dass die Bilder anschließend verschickt werden, der Patient weiß, wie es für ihn nach der Untersuchung weitergeht und die Räumlichkeiten für den Nächsten vorbereiten.“

Der zunehmende Fachkräftemangel dürfte sich mit einem derart breiten Aufgabenspektrum nur bedingt vertragen, oder?

„Ich bin seit 2010 MTR und immer mit Leidenschaft dabei. Seit dem Tag, an dem ich in diesem Beruf angefangen habe, gibt es einen enormen Personalmangel – überall; egal, in welcher Klinik ich war. Für alle Beteiligten bedeutet das eine große Herausforderung, und man muss ganz klar die nötige Leidenschaft mitbringen und sich dazu berufen fühlen, um das aushalten zu können. 

Einige befürchten, dass mit der Technik Arbeitsplätze eingespart werden sollen. Das geht klar an der Wirklichkeit in den Kliniken vorbei, denn hier ist der Mangel an Fachkräften aktuell das weit größere Problem

Tomasz Bienias

Das Remote-Arbeiten ist insofern für mich ein echter Game-Changer; nicht nur, was die Work-Life-Balance angeht. Auch die Art, wie wir im Team arbeiten, hat sich dadurch verändert – sowohl vor Ort als auch für den Kollegen, der sich remote dazuschaltet. Wir können die Abläufe klar und fair aufteilen. Das alles trägt dazu bei, das Personal zu entlasten. 

Einige begegnen dem Remote-MTR mit Skepsis und befürchten, dass mit der Technik Arbeitsplätze eingespart werden sollen. Das geht klar an der Wirklichkeit in den Kliniken vorbei, denn hier ist der Mangel an Fachkräften aktuell das weit größere Problem.“

Ist die räumliche Distanz zum eigentlichen Ort des Geschehens ein Nachteil?

„Tatsächlich gehört der Abstand zum klinischen Alltag sogar zu den Vorteilen des Remote-Arbeitens. Das klingt vielleicht etwas paradox, deshalb erkläre ich es mal an einem Beispiel, das unserem Team vor einiger Zeit widerfahren ist: Von einem Hersteller lag uns ein Implantatausweis vor, bei dem die Angaben überhaupt nicht zu den Werten unserer Scanner passten. Weil mir das aufgefallen ist, konnte ich die Firma kontaktieren und hatte gleich am nächsten Tag die richtigen Dokumente vorliegen. Dank unseres Remote-Konzepts sind wir in der heutigen Zeit in der Lage, solche komplexen Situationen schneller einzuschätzen und abarbeiten zu können.“

Bildquelle: Siemens Healthineers

Kann bei einer Remote-Tätigkeit überhaupt ein Teamgefühl aufkommen?

„Uns war es bei diesem Projekt wichtig, dass es nicht nur um Digitalisierung geht, sondern auch die Menschlichkeit im Vordergrund steht. Deshalb haben wir uns ein Einarbeitungs-Konzept überlegt, bei dem ich für zwei Monate in München war, um das Team vor Ort und ihre Abläufe kennenzulernen. Das war nicht nur eine tolle Zeit für uns alle, sondern hat auch dazu geführt, dass wir uns als Team verstehen und wissen, dass man sich im klinischen Alltag aufeinander verlassen kann. Und auch, wenn ich jetzt im Homeoffice arbeite, bin ich nie allein – ich stehe die ganze Zeit über mit den Kollegen vor Ort in Kontakt.“ 

Natürlich ist meine Work-Life-Balance jetzt eine ganz andere als beim Arbeiten vor Ort: Seitdem ich das Remote-Projekt angefangen hab, habe ich wieder Zeit für Sport. Ich gehe einmal die Woche joggen und fühle mich dadurch fitter und ausgeglichener. Und weil ich gewissermaßen den kürzesten Arbeitsweg der Welt habe, habe ich natürlich auch mehr Zeit für häusliche Dinge. Früher kam ich oft nach der Arbeit nach Hause und bin direkt ins Bett gegangen, weil ich einfach keine Energie mehr für irgendetwas hatte. Das ist jetzt völlig anders. Auch meine Freundin ist deshalb super happy mit dem neuen Modell. Unterm Strich ist diese Art zu Arbeiten eine große Bereicherung auch für den familiären Bereich. In der Weihnachtszeit konnte ich sogar meine Eltern besuchen, ich habe in meiner Heimat Freunde getroffen und konnte zeitgleich meine Arbeit in München ausüben.“

Weihnachtliches Ambiente: Festbeleuchtung und Lebkuchen am Arbeitsplatz des MTR
Weihnachtliches Ambiente: Festbeleuchtung und Lebkuchen am Arbeitsplatz des MTR

Bildquelle: Privat/Tomasz Bienias

Die Umsetzung einer Remote-Stelle ist mit viel Technik-Vorarbeit verbunden – lohnt sich aus Ihrer Sicht dieser Aufwand?

„An dieser Stelle muss ich unserer IT ein riesengroßes Lob aussprechen, denn ohne sie hätte die Umsetzung nicht funktioniert. Unterm Strich lautet die Frage aber nicht mehr, ob oder wann Remote kommt, sondern wie. Wir haben schon über anderthalb Jahre täglich Erfahrungen gesammelt, und möchten deshalb die Technik allen Interessierten nahebringen und dieses Wissen gerne weitergeben, weil wir wirklich durchgehend positive Erfahrungen gemacht haben.“

20.03.2023

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