Schädigt ein Marathonlauf im Alter das Herz?

Myokardiale Funktion bei älteren Marathonläufern -
Beurteilung durch Echokardiografie und Biomarker
Dr. Fabian Knebel et al., Berlin

Immer mehr ältere Menschen nehmen an Langstreckenläufen teil. In zunehmendem Maße werden Kardiologen mit der Frage konfrontiert, ob Marathonläufe zu Schädigungen des Herzens führen können und ob im höheren Alter eine solche Ausdauerbelastung überhaupt empfohlen werden kann.

Dr. Fabian Knebel (l.) und PD Dr. Adrian C. Borges
Dr. Fabian Knebel (l.) und PD Dr. Adrian C. Borges

In den vergangenen Jahren wurden Untersuchungen publiziert, die eine belastungsinduzierte
„systolische und diastolische myokardiale Dysfunktion“ nach einem Marathonlauf gefunden haben. Im Gegensatz dazu ist aus großen epidemiologischen Studien bekannt, dass regelmäßiger Sport – auch Langstreckenlauf – nicht nur gesund ist, sondern auch lebensverlängernd wirkt. Deshalb wollten wir in einer Untersuchung älterer Läufer klären, ob mit den derzeit besten echokardiografischen Methoden ein Anhalt für eine myokardiale Schädigung zu belegen ist.

Seit kurzem erlauben neue echokardiografische Methoden die Beantwortung der Frage, ob es unmittelbar durch einen Marathonlauf zu einer relevanten myokardialen Dysfunktion kommt: Miniaturisierte Echogeräte (Vivid i, GE Ultrasound) mit Gewebedoppler-Funktion erlauben vor Ort eine genaue Analyse der Herzfunktion. Des Weiteren stellt die Speckle-Tracking (= 2D Strain)-Echokradiografie eine neue Methode der winkelunabhängigen Analyse der regionalen links- und rechtsventrikulären Funktion dar.

Wir haben 78 männliche Teilnehmer des Berlin-Marathon 2006 eingeschlossen. Untersucht haben wir Läufer, die bereits einen Marathon in der Vergangenheit absolviert haben und die auch klinisch und in der Ergometrie keinen Anhaltspunkt für eine Herzerkrankung boten. Die Läufer wurden zu drei Zeitpunkten untersucht (Echokardiografie, Biomarker Troponin T and NT-proBNP, Fragebogen): in Ruhe zwei Wochen vor dem Lauf, direkt nach dem Lauf und zwei Wochen nach dem Lauf. 28 Läufer über 60 Jahre wurden mit jüngeren Kontrollpersonen verglichen.

Wir konnten zeigen, dass es eine altersunabhängige Zunahme der Kontraktilität nach dem Marathonlauf gibt (Zunahme des Fractional-Shortening, p < 0,001) bei unveränderten basalen linksventrikulären Gewebegeschwindigkeiten. Das E/E’- Verhältnis als Parameter des linksventrikulären Füllungsdruckes ändert sich nicht signifikant, das E/E’ in beiden Gruppen ist statistisch äquivalent. Die Dezelerationszeit des E (DT) und das E’ sinken in beiden Gruppen signifikant, was am ehesten einer vorübergehenden Adaptation an Dehydratation und Tachykardie unmittelbar nach dem Rennen entspricht. Die rechtsventrikuläre Funktion (TAPSE, RV-Strain) bleibt unverändert. 32 Prozent der jungen Läufer und 29 Prozent der älteren Läufer hatten erhöhte NT-proBNP-Spiegel (p = 0,75, altersabhängige Grenzwerte), 44 Prozent der jüngeren und 29 Prozent der älteren Läufer zeigten einen Anstieg des Troponin T (p = 0,18). Es gab keine Korrelation der Troponin- und NT-proBNP-Anstiege. Ferner gab es keinen Zusammenhang zwischen Biomarker-Anstiegen und echokardiografischen Veränderungen, Trainings-Intensität, Laufzeit oder Nierenfunktion. Alle echokardiografischen und Labor-Parameter normalisierten sich nach zwei Wochen wieder.

Echokardiografie unmittelbar nach dem Marathon-Lauf

Zusammenfassend weisen unsere Daten darauf hin, dass die myokardiale Funktion bei älteren Marathon-Läufern erhalten bleibt und es lediglich zu einer altersunabhängigen Anpassung der diastolischen Funktion an die Dehydratation und Tachykardie kommt. Da es keine Korrelation der Biomarker NT-proBNP und Troponin T sowie keinen Zusammenhang der Biomarker-Anstiege bei einigen Läufern mit echokardiografischen Parametern gibt, werten wir die Biomarker-Anstiege nicht als Ausdruck einer relevanten myokardialen Schädigung. Die
Befürchtung, dass Marathonlaufen besonders im Alter gefährlich sein könnte, können wir anhand unserer Daten nicht belegen.

16.04.2009

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