Projektmitarbeiter Benjamin Hoetter testet den Prototypen
Projektmitarbeiter Benjamin Hoetter testet den Prototypen

Heike Fischer/TH Köln

News • Neue Technologie

Pupillenreflex präzise vermessen

Der Pupillenlichtreflex, also die Reaktion der menschlichen Pupille auf plötzliche Lichtreize, lässt unter anderem Rückschlüsse auf Alkoholkonsum oder erhöhte Schläfrigkeit zu. Da der Reflex sehr schnell erfolgt, wird für eine zuverlässige Auswertung eine Technik mit hoher Messgenauigkeit benötigt. Diese stand bislang noch nicht zur Verfügung. In dem gemeinsamen Forschungsprojekt I-RIS haben die Stellar DBS GmbH und die TH Köln jetzt eine zum Patent angemeldete Methode entwickelt, mit der der Pupillenlichtreflex sehr präzise vermessen werden kann, und damit die Grundlagen für weiterführende klinische Studien gelegt.

Photo
Bildschirm mit Auswertung einer Augenmessung.
Quelle: Heike Fischer/TH Köln

Für die Messungen blickt der Proband durch einen Brillenkorpus, der einer VR-Brille ähnelt. Durch zwei in dem Korpus montierte LED-Streifen wird ein Auge mit einer speziell erarbeiteten Sequenz von Lichtblitzen stimuliert. Kameras filmen die Reaktionen beider Augen und geben die Daten an einen Computer weiter, der den Pupillenlichtreflex analysiert. „Mit unserer Technologie nehmen wir bis zu 1.000 Bilder pro Sekunde auf. Das ermöglicht uns sehr detailreiche und störungsfreie Aufnahmen mit einer bislang nicht dagewesenen Genauigkeit“, sagt Prof. Dr. Gregor Fischer, Projektleiter am Institut für Medien- und Phototechnik der TH Köln.

Nach der fünf Sekunden dauernden Messung stehen die Ergebnisse sofort zur Verfügung. Ausgewertet wird die Öffnung der Pupille hauptsächlich in Bezug auf Schlüsselparameter: die Latenzzeit zwischen dem Einsetzen der Stimulation und dem Zusammenziehen der Pupille, die Dauer des Zusammenziehens, die minimale Pupillengröße sowie die Dauer der Wiederöffnung der Pupille.

Neue Möglichkeiten im Bereich der Schläfrigkeits- und Alkoholmessung

Foto des Projektteams
Das Projektteam (v.l.): Prof. Dr. Gregor Fischer, Nora Schulte und Benjamin Hoetter vom Institut für Medien- und Phototechnik der TH Köln
Quelle: Heike Fischer/TH Köln

„Mit der neuen Technologie eröffnen sich neue Möglichkeiten im Bereich der Schläfrigkeits- und Alkoholmessung. Zudem wird die Pupillenvermessung deutlich praxistauglicher. Innerhalb von kurzer Zeit können Aussagen über den Zustand des Probanden getroffen werden. Das war mit bestehenden Systemen bislang so nicht möglich“, so Fischer. Der Prototyp im Projekt I-RIS wurde so konzipiert, dass er mit geringen Anpassungen auf die Größe einer handelsüblichen VR-Brille miniaturisierbar und somit mobil und unkompliziert einsetzbar ist.

Neben der Konzeptionierung und dem Aufbau des Prototyps entstand im Rahmen des Projektes auch die komplette Software zur Steuerung der Anlage und zur Auswertung der Messungen. Dabei waren vor allem die exakte und schnelle Berechnung der Pupillengröße in jedem Einzelbild sowie die Eliminierung von Störgrößen wie etwa Blinzeln im Fokus. Um die Vergleichbarkeit der Aufnahmen zu garantieren, müssen die entstandenen Aufnahmen zudem mit einem komplexen Algorithmus normiert werden.

Der Pupillenlichtreflex wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Medizinische Studien zeigen, dass dieses System unter anderem von Faktoren wie Schläfrigkeit oder Alkoholkonsum beeinflusst wird. Um den Grad der Beeinflussung und die genauen Auswirkungen auf den Pupillenlichtreflex zu quantifizieren, müssen jetzt sogenannte Biomarker ermittelt werden. Dabei handelt es sich um charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen werden und auf krankhafte Prozesse im Körper hinweisen können.

Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren

Photo

Wenn das Ultra- Hochfeld-MRT zum Mikroskop wird

Nichts bildet die Wirklichkeit sicherer ab als die Histologie – im Auge allerdings nützen Laborverfahren wenig, denn in diesem sensiblen Organ lassen sich keine Gewebeproben entnehmen. Das Ultrahochfeld-MRT könnte Ärzte in Zukunft jedoch in die Lage versetzen, anatomische Strukturen im Auge mit einer atemberaubenden Detailgenauigkeit darzustellen.

Umfangreiche klinische Versuche nötig

„Um Biomarker zu definieren, müssen Messprotokolle entwickelt und die spezifischen körperlichen Reaktionen analysiert werden. Ein erster Biomarker wurde im Forschungsprojekt vordefiniert. Dieser muss jetzt in umfangreichen klinischen Versuchen verifiziert werden. Dies ist ein komplexer Prozess, bei dem diverse Einflussfaktoren eine Rolle spielen können. Daher haben wir einen flexiblen Prototyp entwickelt, der verschiedene Arten der Vermessung ermöglicht, was ein deutlicher Vorteil gegenüber den bestehenden Systemen ist. Somit ist die Grundlage für die weitere klinische Forschung gelegt“, so Fischer.

Wenn Biomarker definiert worden sind, könnte die an der TH Köln entwickelte Technologie langfristig neue Messmethoden ermöglichen, um die Fahrtauglichkeit oder Arbeits- und Reaktionsfähigkeit von Arbeitnehmern zu überprüfen. „Unser Forschungsbeitrag ebnet den Weg für eine schnelle, nicht-invasive, objektive und umfassende Evaluierung, ohne dass medizinisch geschultes Personal erforderlich ist“, erläutert Fischer.

Das Forschungsprojekt I-RIS wurde über zwei Jahre durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert.

Quelle: TH Köln

22.04.2020

Mehr zu den Themen:
Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

News • Forscher untersuchen Zusammenhang

Takotsubo: Schilddrüse als Frühwarnsystem für "gebrochenes Herz"

Um die Takotsubo-Kardiomyopathie, auch bekannt als "Broken Heart Syndrome", besser vorhersagen zu können, wollen Forscher sich Auffälligkeiten der Schilddrüsenfunktion zunutze machen.

Photo

News • Potenzieller Biomarker

Tryptophan-Verbrauch als Laborwert für Entzündungen

Mitglieder des PMI-Exzellenzclusters stellten fest, dass die Aminosäure Tryptophan bei vielen chronischen Entzündungserkrankungen schneller verbraucht wird - und somit als Biomarker dienen kann.

Photo

News • Diagnostik aus Blutprobe

Neue Methode macht Diabetes früh berechenbar

Ein Forscherteam hat belegt, dass eine mathematische Berechnung, die auf nur zwei Werten einer Blutprobe beruht, eine sichere und günstige Diagnostik des Diabetes im Frühstadium ermöglicht.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren