News • Gezielte Auslösung der Apoptose

Prostatakrebs: neuer Ansatz zum programmierten Zelltod

Konventionelle Therapien wie Androgenentzug, Chemotherapie oder Strahlentherapie sollen Stress in Prostatakrebszellen auslösen, der den programmierten Zelltod (Apoptose) in Gang setzt.

Die Krebszellen produzieren jedoch viele sogenannte anti-apoptotische Proteine, die wesentliche Elemente des Apoptosewegs blockieren. Dadurch kann es zum Therapieversagen und zur Tumorprogression kommen. In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt haben Wissenschaftler um Philipp Wolf vom Universitätsklinikum Freiburg nun einen neuen Therapieansatz entwickelt, der zur gezielten Reduktion anti-apoptotischer Proteine und zur Auslösung des Zelltodes in Prostatakrebszellen führt.

Die Forschungsergebnisse der Freiburger Wissenschaftler wurden in der Fachzeitschrift Cancers veröffentlicht.

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Ein fein regulierter Signalweg kann in Zellen den programmierten Zelltod auslösen. Dieser intrinsische Apoptoseweg kann aktiviert werden, um überflüssige oder beschädigte Zellen im Körper abzubauen. Konventionelle Krebstherapien, wie Chemotherapie oder Strahlentherapie, zielen daher darauf ab, Stress in Tumorzellen auszulösen, der wiederum zur Aktivierung des intrinsischen Apoptosewegs führt. Viele Tumorzellen produzieren jedoch sogenannte anti-apoptotische Proteine, die wesentliche Elemente dieses Signalwegs blockieren. Dadurch können die Tumorzellen therapieresistent werden, was zum Fortschreiten der Tumorerkrankung führen kann.

Auch beim Prostatakarzinom kommt es durch Hochregulierung anti-apoptotischer Proteine zu Therapieresistenzen. In der Vergangenheit wurden deshalb verschiedene Inhibitoren (sogenannte BH3-Mimetika) getestet, die anti-apoptotische Proteine binden und diese dadurch inaktivieren können. Diese Inhibitoren zeigten in klinischen Studien bisher jedoch kaum Wirkung, da sie nicht alle Arten von anti-apoptotischen Proteinen blockierten oder unspezifisch an andere Proteine banden, was zu unerwünschten Nebenwirkungen führte. Deshalb verfolgte die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Philipp Wolf von der Klinik für Urologie des Universitätsklinikum Freiburg nun in einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt das Ziel, einen neuen Therapieansatz zu entwickeln, der zur vollständigen Inhibition anti-apoptotischer Proteine führen und spezifisch auf Prostatakrebszellen wirken sollte.

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PSMA PET/CT: in der Pole Position

Die Hybridbildgebung aus PET und CT kann bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms ihre Stärken voll ausspielen und Therapien in effektivere Bahnen lenken. Die Untersuchung des spezifischen Antigens PSMA im PET/CT erlaubt eine deutlich genauere Therapiesteuerung als mit konventioneller Bildgebung und wird in naher Zukunft das diagnostische Verfahren der Wahl sein.

Im ersten Schritt entwickelte die Arbeitsgruppe ein sogenanntes Immuntoxin, also ein künstlich hergestelltes Protein, welches aus zwei Abschnitten (Domänen) besteht: Die erste Domäne ist ein Antikörperfragment, welches spezifisch an das Prostataspezifische Membranantigen (PSMA) auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen bindet. Bei der zweiten Domäne handelt es sich um ein Toxin aus dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa, welches enzymatische Wirkung hat und zur Hemmung der zellulären Proteinbiosynthese führt. Das Immuntoxin bindet über die Antikörperdomäne an PSMA und wird in die Tumorzelle aufgenommen. In der Tumorzelle wird das Toxin von der Antikörperdomäne abgespalten und wandert als zelleigenes Protein getarnt zu den sogenannten Ribosomen. Dies sind submikroskopisch kleine Körnchen, die für den Eiweißaufbau in der Zelle wichtig sind. Dort führt das Toxin innerhalb weniger Stunden zu einer Hemmung der Proteinbiosynthese. Zellen ohne PSMA-Expression werden durch das Immuntoxin nicht beeinträchtigt, was die hohe Spezifität des Immuntoxins unterstreicht.

Nach Behandlung mit dem anti-PSMA-Immuntoxin kam die Produktion anti-apoptotischer Proteine mit kurzer Halbwertszeit in den Tumorzellen binnen 48 Stunden komplett zum Erliegen. Deshalb kombinierte das Forscherteam das Immuntoxin mit niedrigen Dosen des BH3-Mimetikum ABT-737, welches anti-apoptotische Proteine mit langer Halbwertszeit blockiert. Während sowohl das Immuntoxin als auch ABT-737 alleine jeweils keine Wirkung zeigten, konnte durch Kombination beider Substanzen der intrinsische Apoptoseweg in Tumorzelllinien aktiviert werden, die unterschiedliche Stadien des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms repräsentieren. Nach 48 Stunden konnte die Anzahl lebender Tumorzellen um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Durch die Kombinationstherapie gelang es Philipp Wolf und seiner Arbeitsgruppe zudem, das Wachstum von Prostatatumoren im Mausmodell deutlich zu verlangsamen, was in einer nahezu doppelten Überlebenszeit der Tiere resultierte.

Die Kombination aus anti-PSMA-Immuntoxin und BH3-Mimetikum ABT-737 stellt den ersten Therapieansatz beim Prostatakarzinom dar, der tumorspezifisch auf Ebene der anti-apoptotischen Proteine wirkt. Für die Arbeiten zum Projekt wurde Philipp Wolf mit dem 2. Preis des Clinical Science Award der Deutschen Gesellschaft für Immun- und Targeted Therapie (DGFIT) 2018 ausgezeichnet. Ziel ist es, den Ansatz in den nächsten Jahren präklinisch und klinisch weiterzuentwickeln, sodass künftig Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom von ihm profitieren können. 


Quelle: Wilhelm-Sanders-Stiftung

22.06.2020

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