Artikel • Auf den Spuren des Prostatakarzinoms

PSMA PET/CT: in der Pole Position

Die Hybridbildgebung aus PET und CT kann bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms ihre Stärken voll ausspielen und Therapien in effektivere Bahnen lenken.

Die Untersuchung des spezifischen Antigens PSMA im PET/CT erlaubt eine deutlich genauere Therapiesteuerung als mit konventioneller Bildgebung und wird in naher Zukunft das diagnostische Verfahren der Wahl sein, ist Prof. Dr. Clemens Cyran überzeugt. Der Radiologe und Nuklearmediziner erklärt, wie die PSMA PET/CT Diagnostik und Therapie voranbringen wird und welche Hürden dafür noch zu nehmen sind.

HiE: Wie wirkt sich die PSMA PET/CT als diagnostisches Verfahren auf die Therapie von Prostatakarzinomen aus?

portrait of clemens cyran
Prof. Dr. Clemens Cyran

Prof. Cyran: "Im Fokus befinden sich aktuell Hochrisiko-Patienten mit einem Gleason-Score größer als 7, einem PSA-Wert über 20 oder dem klinischen Stadium T2c bis T3a. Bei diesen Patienten besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein von Metastasen, etwa in Lymphknoten oder Knochen. Diese werden mit PSMA PET/CT deutlich genauer erkannt als mit konventioneller Bildgebung. Das tatsächliche Tumorstadium lässt sich so deutlich zuverlässiger erfassen und konsekutiv die geeignete Therapie einleiten.

Trotz der schnellen klinischen Translation der PSMA PET/CT und mehr als überzeugender Studiendaten beim Prostatakarzinom sind wir noch weit von einer flächendeckenden Anwendung entfernt. Zum einen stehen in Deutschland zu wenige PET/CT Scanner zur Verfügung, um eine umfassende Versorgung zu gewährleisten, zum anderen werden mehr Radiopharmaziezentren zur Herstellung der PSMA-spezifischen Tracer benötigt. Zumindest stehen mittlerweile 18-Fluor markierte PSMA-Tracer zur Verfügung, die auf Grund der längeren Halbwertszeit auch über längere Distanzen ausgeliefert werden können. Die wahre Versorgungslücke besteht allerdings strukturell, weil flächendeckende Vergütungsstrukturen für die PSMA PET/CT im kassenärztlichen Bereich fehlen. Gesundheitspolitische Realitäten verhindern die Implementierung einer effektiven diagnostischen Methode in die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die auf Basis genauer diagnostischer Information eine effiziente Therapiesteuerung für den Patienten erlauben würde. Dies gilt im Wesentlichen insgesamt für die eingeschränkte Vergütung der PET/CT in der onkologischen Diagnostik durch die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland."

Biochemisches Rezidiv: 67-jähriger Patient mit Z. n. Prostatakarzinom,...
Biochemisches Rezidiv: 67-jähriger Patient mit Z. n. Prostatakarzinom, radikaler Prostatektomie vor 18 Monaten und Radiotherapie, über die letzten Monate steigendes PSA auf 1.5 ng/mL
68Ga PSMA-PET/CT
Morphologisch unauffälliger Lymphknoten rechts iliakal angrenzend die A. iliaca externa mit fokal gesteigerter PSMA-Speicherung

Welchen Stellenwert sehen Sie in der Untersuchung?

"Wir haben es hier potentiell mit einem ‚diagnostic disruptor‘ zu tun. Als Vergleich lässt sich das PSA-Screening anführen, das in den USA 1986 von der FDA zugelassen wurde und in einem Intervall von wenigen Jahren mit einer signifikanten Reduktion der Mortalitätsrate beim Prostatakarzinom um fast 50% einher ging. Das zeigt, wie effektiv hochwertige Diagnostik Krankheitsverläufe populationsbasiert beeinflussen kann. Wir sind fest davon überzeugt, dass die PSMA PET/CT bei den drei wesentlichen Indikationen in der Onkologie – Primärstaging, Therapiemonitoring und biochemische Rezidive – ebenfalls eine signifikante Senkung der Mortalität durch eine optimierte Therapiesteuerung erreichen wird."

Welche Patientengruppe profitiert am meisten?

"Im Moment steht vor allem das biochemische Rezidiv als Indikation im Vordergrund: Wenn bei einem Patienten nach erfolgter Prostatektomie der PSA-Wert erneut ansteigt, weiß der Urologe, dass ein Rezidiv vorliegt, jedoch ohne die Lokalisation der Metastasen zu kennen. Dahinter steckt die im Verhältnis niedrige Sensitivität der Bildgebung mit CT und MRT, insbesondere für kleine Lymphknoten- und Knochenmetastasen. Realiter stellt das Frührezidiv jedoch häufig ein ‚failure of staging‘ dar: Bei dem vermeintlichen Rezidiv handelt es sich um eine im Primärstaging auf Grund zu niedriger Sensitivität nicht detektierte Metastase.

Den positiven Einfluss auf das Therapiemanagement haben bereits mehrere Studien 2018 gezeigt [Roach et al., 2018 ;J Nucl Med und Calais et al., 2018; J Nucl Med]. Konkret änderte sich in 87,8% der Fälle das geplante Bestrahlungsfeld im Vergleich zum CT auf Grundlage zusätzlicher Informationen aus der PSMA PET. Das gilt nicht nur für biochemische Rezidive, sondern greift bereits beim Primärstaging und lässt sich auch auf Salvage-Radiotherapien übertragen. Derzeit läuft dazu in Australien eine prospektive Studie [proPSMA; J Clin Onc 2019], die die Vorteile der PSMA PET/CT gegenüber der aktuell leitliniengerechten Standard-of-Care-Diagnostik und ihr Potenzial als First-Line-Test untersucht."

Wäre eine solche Umstellung auch aus finanzieller Sicht sinnvoll?

Wir gehen davon aus, dass die Kostenträger die integrierte Diagnostik in wenigen Jahren als Voraussetzung für die Indikation von Therapien fordern werden

Clemens Cyran

"Wir sind der Ansicht, dass der Einsatz sensitiver und spezifischer Diagnostik wie der PSMA PET/CT die Kosten der Behandlung senken wird. Kombiniert man die Bildgebung mit Liquid Biopsy, Pathologie und Genetik führt das zu einer genaueren Therapiesteuerung, die wiederum in einer effizienteren Behandlung mündet. Perspektivisch werden Algorithmen umfassende multimodale, diagnostische Daten aufarbeiten und evidenzbasiert Therapieentscheidungen daraus ableiten. Dieses Konzept der ‚integrated diagnostics‘ hat eine enorme sozioökonomische Bedeutung für unsere Gesundheitssysteme. Wir gehen davon aus, dass die Kostenträger die integrierte Diagnostik in wenigen Jahren als Voraussetzung für die Indikation von Therapien fordern werden, um effizienzorientierte Vergütungsmodelle populationsbasiert im Gesundheitssystem zu realisieren."


Profil:

Prof. Dr. Clemens Cyran beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit onkologischer Bildgebung und besonderem Fokus auf Hybridbildgebung. Als Research Fellow forschte er von 2006 bis 2007 am Center for Pharmaceutical and Molecular Imaging der University of California, San Francisco, USA. Seit 2012 ist Cyran Facharzt für Radiologie, seit 2015 mit der Fachkunde Nuklearmedizin, und seit 2013 an der Ludwig-Maximilians-Universität München habilitiert. 2017 folgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. Er wurde mehrfach mit dem ‚RSNA Award for Young Investigators in Molecular Imaging‘ ausgezeichnet und betreut assoziierte Themengebiete im Editorial Board verschiedener internationaler Fachzeitschriften. Bis zum Wechsel zur „Die Radiologie“ in München Anfang 2020 war Prof. Cyran als Geschäftsführender Oberarzt und Bereichsleiter Hybridbildgebung der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der Universität (LMU) tätig.


Referenzen:

[1] Roach et al., 2018: The Impact of 68Ga-PSMA PET/CT on Management Intent in Prostate Cancer: Results of an Australian Prospective Multicenter Study. J Nucl Med 2018; https://doi.org/10.2967/jnumed.117.197160 

[2] Calais et al., 2018: Impact of 68Ga-PSMA-11 PET/CT on the Management of Prostate Cancer Patients with Biochemical Recurrence. J Nucl Med 2018; https://dx.doi.org/10.2967%2Fjnumed.117.202945 

[3] proPSMA: A prospective randomized multi-center study of the impact of Ga-68 PSMA PET/CT imaging for staging high-risk prostate cancer prior to curative-intent surgery or radiotherapy.; J Clin Onc 2019; https://doi.org/10.1200/JCO.2019.37.7_suppl.TPS138 

24.01.2020

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