Großer Andrang bei der 'langen Nacht der Robotik' im Universitätsklinikum Münster.

Foto: HiE/Behrends

Artikel • Chirurgische Systeme aus Patientensicht

OP-Roboter: Von Technik und Teamwork

Was passiert im OP, wenn man als Patient unter einem Roboter liegt? Wie viel Maschine, wie viel Mensch steckt noch hinter dem Eingriff? Wie sicher ist die Technik vor Manipulation von außen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen kamen im August wieder etwa 700 Besucher zur ‚langen Nacht der Robotik‘ ins Universitätsklinikum Münster (UKM). Wir sprachen mit Dr. Jens Peter Hölzen über die Möglichkeiten und Grenzen der robotischen Chirurgie, Ängste der Patienten vor den Maschinen und die Rolle der Technik bei komplexen Eingriffen.

Bericht: Wolfgang Behrends

Die robotische Chirurgie ist im Kommen: Etwa 250 OP-Roboter sind allein in Deutschland im Einsatz, weltweit werden jedes Jahr Millionen chirurgischer Eingriffe mit robotischer Unterstützung durchgeführt.

Portraitfoto von Dr. Jens Peter Hölzen
Dr. Jens Peter Hölzen

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„Viele Menschen verfolgen diesen technischen Fortschritt mit großem Interesse“, erklärt der stellvertretende Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie sowie Bereichsleiter des Robotikzentrums am UKM. „Ich glaube, dass sich viele Menschen mehr und mehr Gedanken darüber machen, wie moderne Operationen aussehen, wie kommuniziert wird und wie die Interaktion zwischen Mensch und Maschine abläuft.“ 

Technisches Interesse sei aber nur ein Aspekt für den hohen Zulauf zur Info-Veranstaltung, weiß der Experte zu berichten: Oft seien auch Patienten mit bevorstehender OP oder deren Angehörige unter den Besuchern, die wissen wollen, ob sie durch den Einsatz von Robotik besser behandelt und schneller entlassen werden können. Typische Fragen drehen sich um die Kosten, aber auch darum, wie autonom der Roboter operiert. „Viele sind sehr beruhigt, wenn sie erfahren, dass es sich im Grunde ‚nur‘ um einen Telemanipulator handelt, der die Handarbeit des Chirurgen überträgt.“ Auch die Möglichkeit, sich selbst ins Cockpit zu setzen und mit den Roboterarmen Übungsobjekte zu greifen und feine Einschnitte auszuführen, hilft dabei, die Technik besser zu verstehen und Vorbehalte abzubauen.

Das OP-Team steht – mit oder ohne Roboter

Die UKM-Chirurgen nutzen die ‚lange Nacht der Robotik‘ auch, um die Vorteile des Operierens mit der neuen Technik aufzuzeigen. Weil mit den Roboterarmen viel filigranere Bewegungen möglich sind als per Hand, sind oft nur kleine Einschnitte nötig – das verringert die Zahl der Komplikationen und sorgt dafür, dass der Patient nach dem Eingriff schneller wieder auf den Beinen ist. Das senke nicht nur die Kosten für das Krankenhaus, sondern entschärfe auch die Personalknappheit in vielen Kliniken, betont Hölzen. Denn gerade an Pflegekräften in der Intensivmedizin herrsche großer Mangel: „Bei vielen robotisch unterstützten Operationen ist im Anschluss gar keine Intensivpflege mehr nötig.“ Dadurch haben die Mediziner mehr Zeit, sich auf die verbleibenden Patienten zu konzentrieren, die etwa nach einer Transplantation auf eine Intensivbehandlung angewiesen sind. Auch das Langzeit-Überleben von Krebspatienten werde durch die Robotik voraussichtlich verbessert, zeigt sich der Experte zuversichtlich. Belastbare Zahlen gebe es für die Onkologie zwar noch nicht, aber die Erfahrung aus der Urologie, in der schon viel länger robotisch operiert wird, zeige die Vorteile klar auf. 

OP-Roboter: Von Technik und Teamwork

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Die Befürchtung, der Roboter ersetze die menschlichen Mitarbeiter, sei jedenfalls nicht begründet, erklärt der Chirurg: „Die Anzahl der Menschen, die ich im OP benötige, wird jedenfalls nicht beeinflusst: Operateure, operationstechnische Assistenten, OP-Schwestern als Springer und Anästhesisten – das Team bleibt komplett gleich.“ Die Besetzung in voller Stärke sei auch wichtig, um im Notfall schnell reagieren zu können. „In der Chirurgie ist es so, dass es immer einen Plan B geben muss“, sagt Hölzen. „Das bedeutet, das Team muss in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit einen Verfahrenswechsel durchzuführen – wir sprechen da häufig von unseren ‚magischen drei Minuten‘, in denen ein vitales Problem gelöst sein muss.“

Hacker müssen draußen bleiben

Zählt zu diesen ‚vitalen Problemen‘ auch der unerlaubte Zugriff von außerhalb? Angesichts der Berichte zu Cyberangriffen auf Krankenhäuser wollten Besucher bei dieser ‚langen Nacht‘ erstmals gezielt wissen, ob ein OP-Roboter gehackt werden könne, berichtet der Experte – und gibt Entwarnung: „Eine echte Telechirurgie ist wegen der aktuellen technischen Bedingungen gar nicht möglich. Für die Fernunterstützung bei schwierigen Fällen und in der chirurgischen Ausbildung haben wir das sogenannte Tele-Proctering. Dabei findet aber nur eine Übertragung der OP-Bilder und der Kommunikation statt. Die Steuerung des Roboters ist ein internes System, auf das Hacker nicht zugreifen können.“ Durch die flächendeckende Einführung stabiler Breitbandverbindungen werde die Telechirurgie zukünftig möglich werden, sagt Hölzen mit Blick auf erste experimentelle Eingriffe in Asien voraus. Bis dahin müssen Lösungen gefunden werden, um die Cybersicherheit im OP sicherzustellen.

Wenn ich mit meinem Kopf in dieser Maschine stecke, dann muss ich mich darauf verlassen können, dass das Team funktioniert

Jens Peter Hölzen

Der große Besucherandrang bei der ‚langen Nacht‘ zeigt: OP-Roboter faszinieren – das gilt auch für angehende Medizinstudenten, die den Termin nutzen, um an Konsole und Joystick erste Eindrücke von der Technik zu gewinnen. Die Veranstaltung sei ein guter Weg, um das Interesse beim chirurgischen Nachwuchs zu wecken, sagt Hölzen: „Mindestens genauso wichtig wie die Roboter ist aber das Mindset – die Einstellung, die damit zusammenhängt.“ Damit im OP rund um die Roboter alles reibungslos funktioniert, sind gute Kommunikation und ein freundliches Arbeitsklima unverzichtbar: „Wenn ich mit meinem Kopf in dieser Maschine stecke, dann muss ich mich darauf verlassen können, dass das Team funktioniert. Wir sind gut aufeinander eingespielt und wissen, wie wir uns ansprechen, ohne falsche Angst vor Hierarchien. So entsteht eine Atmosphäre, in der wir gerne zusammenarbeiten – auch dafür steht die Robotik.“ 

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Profil: 

Dr. Jens Peter Hölzen ist stellvertretender Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie sowie Bereichsleiter des Robotikzentrums am Universitätsklinikum Münster (UKM).

16.09.2024

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