News • Gefäßchirurgie
Neues Leben dank neuer Hauptschlagader
Bei Patienten mit dem seltenen Loeys-Dietz-Syndrom kann es zu einer Erweiterung der Hauptschlagader kommen, die plötzlich zu einer Überdehnung und einem tödlichen Riss führen kann. Um dies zu verhindern, muss die Schlagader durch eine Prothese ersetzt werden. Am Universitätsspital Zürich wagte ein Ärzteteam der Gefässchirurgie die lebensrettende Operation nun weltweit und notfallmässig als eine der ersten bei einem Kind.
Das Loeys-Dietz-Syndrom (LDS) ist eine angeborene Bindegewebserkrankung; Ursache ist eine genetische Mutation. Die Krankheit zeigt sich vor allem in einem Aortenaneurysma (Erweiterung der Hauptschlagader). Betroffene leiden aufgrund des veränderten Bindegewebes unter anderem aber auch an Gefässveränderungen im gesamten Körper, Gesichtsauffälligkeiten und überbeweglichen Gelenken, die zu einer generellen Körperinstabilität führen können. Meistens geht mit LDS auch ein angeborener Herzfehler einher. Patientinnen und Patienten mit LDS müssen regelmässig mittels Ganzkörper-MRT untersucht werden, um gefährliche Gefässveränderungen frühzeitig zu erkennen. Das gilt insbesondere für die Hauptschlagader. LDS wurde erst 2005 als eigenständige Krankheit beschrieben. Die Krankheit ist extrem selten, in der Schweiz gibt es nur wenige betroffene Personen.
Die gespaltene Schlagader drohte zu platzen
Zu den wenigen Patientinnen und Patienten in der Schweiz gehört der 9-jährige Fabian (Name fiktiv). Als er starke Rückenschmerzen bekam, brachten ihn seine Eltern deshalb umgehend ins Kinderspital Zürich. Dort wurde eine Aortendissektion festgestellt, die Wandschichten seiner Aorta hatten sich aufgespalten – ein akut lebensbedrohlicher Zustand, denn in Folge der Dehnung der Aorta können die Organe ungenügend durchblutet werden oder die Aorta kann sogar platzen. Unbehandelt kann dieser Zustand innerhalb weniger Tage zum Tod führen.
Weil es am Kinderspital Zürich keine Gefässspezialisten gibt, wurde Fabian in die Klinik für Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich verlegt. Prof. Alexander Zimmermann, Klinikdirektor und Gefässspezialist, entschloss sich, den einzig möglichen rettenden Eingriff zu wagen und die geschädigte Aorta bis auf einen nicht von der Dissektion betroffenen Gefässanteil im Bauch vollständig durch eine Gefässprothese zu ersetzen. Dafür wurden zwei Operationen im Abstand von drei Tagen nötig. In der ersten wurde der Aortenbogen oberhalb des Herzens ersetzt. Für diesen schwierigen Eingriff konnte zusätzlich der renommierte Kinderherzchirurg Prof. René Prêtre gewonnen werden. In der zweiten Operation wurde fast der gesamte Teil der senkrecht verlaufenden Hauptschlager im Brustkorb und Bauch ersetzt. Insgesamt mussten ca. 40 cm ersetzt werden.
Der kleine Patient überstand die beiden Eingriffe sehr gut und erholte sich rasch. Schon nach 26 Tagen konnte er nach Hause entlassen werden und benötigte lediglich eine ambulante Rehabilitation. Wenn der verbliebene, nicht ersetzte Teil der Aorta ausreicht, um das zu erwartende Grössenwachstum auszugleichen, ist auch keine weitere Anpassungsoperation mehr nötig. «Wir sind sehr froh, dass es uns gelang, Fabian zu retten», sagt Alexander Zimmermann. «Die Teams von Gefässchirurgie, Anästhesie, Intensivstation und des Kinderspitals haben dafür hervorragend zusammengearbeitet. Die zwei Operationen innerhalb kürzester Zeit und die erste kritische Phase danach waren für den Patienten, seine Familie und das ganze Behandlungsteam eine grosse Belastung.»
Fabians Eltern sind erleichtert: «Wir haben uns in diesen schweren Wochen am USZ zu jeder Zeit hervorragend betreut gefühlt und waren froh, in Prof. Zimmermann und Prof. Prêtre die Experten gefunden zu haben, denen wir vertrauen und die sich diese ungewöhnlich schwere Aufgabe zutrauten. Dafür sind wir unsagbar dankbar und freuen uns im nächsten Jahr den "1. Aorten-Geburtstag" unseres Sohnes zu feiern!»
Weltweit sind nur drei Fälle von LDS-Patienten bekannt, bei denen schon im Kindesalter der Ersatz der Hauptschlagader aufgrund einer Aortendissektion nötig war. Alexander Zimmermann ist es deshalb ein Anliegen, den Fall auch in der Fachwelt bekannt zu machen, damit Kolleginnen und Kollegen und ihre Patienten von seiner Erfahrung profitieren können.
Quelle: Universitätsspital Zürich
23.09.2019