Ein anatomisches Modeel des menschlichen Herzens mit Herzkranzgefäßen wird...

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News • Therapieentscheidung bei Angina pectoris

Drohender Herzinfarkt: Wann Stent-Therapie, wann Bypass-OP?

Verengte Herzkranzgefäße erfordern manchmal eher Katheter-Eingriffe, manchmal eher eine Operation. Die Deutsche Herzstiftung hilft Patienten mit koronarer Herzkrankheit bei der Klärung wichtiger Fragen zu ihrer Therapie

Die Gefahr für Herz und Gefäße kommt meist schleichend: Oft entwickelt sich die Koronare Herzkrankheit (KHK), die Grunderkrankung und Vorstufe des Herzinfarkts, über lange Zeit ohne spürbare Symptome. Dennoch wird der Herzmuskel dabei zunehmend schlechter durchblutet. Das kann zu sogenannten Angina pectoris-Beschwerden wie Schmerzen, Druck- oder Engegefühl in der Brust und Atemnot führen – anfangs nur bei Belastung, später auch in Ruhe. Im schlimmsten Fall verschließt das Gefäß vollständig: ein Herzinfarkt ist die Folge. Die KHK ist die häufigste Herzerkrankung in Deutschland mit rund 540.000 Krankenhausaufnahmen und die führende Todesursache mit rund 120.000 Todesfällen pro Jahr, davon rund 44.000 Sterbefälle durch Herzinfarkt (Deutscher Herzbericht – Update 2025).

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Prof. Dr. Heribert Schunkert

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„Das Ziel der Therapie bei KHK ist es, einen Infarkt zu verhindern, Angina pectoris-Beschwerden bei körperlicher Belastung zu lindern sowie Lebensqualität und Lebenserwartung des Patienten zu verbessern. Die Deutsche Herzstiftung hilft KHK-Patienten mit verlässlichen Informationen zu den verschiedenen Therapiemöglichkeiten und deren Nutzen und Risiken“, betont Kardiologe Prof. Dr. Herbert Schunkert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Stiftung, anlässlich der bundesweiten Herzwochen unter dem Motto „Gesundes Herz – gesunde Gefäße. Den Herzinfarkt vermeiden“. Zunächst gilt es die Beschwerden medikamentös zu kontrollieren. Gelingt das nicht, oder ist die KHK lebensbedrohlich, weil die Untersuchungen eine ausgeprägte KHK mit deutlichen Gefäßablagerungen und -einengungen oder gar -verschlüssen zeigen, haben Ärzte zwei Möglichkeiten, um die Durchblutung in den betroffenen Herzgefäßen wieder zu verbessern. So können die meisten Verengungen der Herzkranzgefäße mit Hilfe der Perkutanen Intervention (PCI) – einem Katheter-Eingriff mittels Ballon und Stent (Gefäßstütze) – zuverlässig behandelt werden. In rund 10% der Fälle ist jedoch eine Bypass-Operation notwendig, bei der eine Umgehung (engl. bypass) um den verengten Gefäßbereich gelegt wird. Für KHK-Patienten stellt sich oft die Frage, welche der beiden Eingriffe für ihre Krankheitssituation die beste Therapie ist. 

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Prof. Dr. Christian Hamm

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Für die Behandlung eines akuten Herzinfarkts ist die PCI-Technik bei fast allen Patienten die bevorzugte Methode. Denn bei der PCI kann sehr schnell der Gefäßverschluss mittels eines Ballons wiedereröffnet und durch einen Stent (Metallgeflecht aus Edelstahl) dauerhaft offengehalten werden. Sind jedoch mehrere Gefäße betroffen oder sind die Einengungen zum Beispiel an einer für einen Stent ungünstigen Stelle, sprechen sich europäische Leitlinien für die Bypass-OO aus. 

Rund 353.000 PCI und 37.000 Bypass-Operationen (auch kombiniert mit anderen Reparaturen, beispielsweise an den Herzklappen) (Deutscher Herzbericht – Update 2025) werden heute in Deutschland pro Jahr vorgenommen. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile. Über die bestmögliche Behandlungsstrategie für den individuellen KHK-Patienten entscheidet heute in der Regel ein interdisziplinäres Herz-Team bestehend aus Kardiologen, Herzchirurgen und Anästhesisten. „In bestimmten Fällen reicht die Kathetertechnik nicht aus, um eine KHK adäquat zu behandeln. Das ist beispielsweise bei Patienten mit komplexer koronarer Mehrgefäßerkrankung der Fall oder wenn chronisch verschlossene Gefäße vorliegen“, erklärt Prof. Dr. Christian Hamm vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und emeritierter Ärztlicher Direktor der Kliniken für Kardiologe am Universitätsklinikum Gießen und an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. 

Die Beseitigung einer Engstelle in einem Herzgefäß durch einen Stent heilt natürlich nicht die KHK, die kann leider im gesamten Gefäßverlauf fortschreiten

Christian Hamm

Nicht jede Gefäßverengung muss aufgedehnt und mit einem Stent versorgt werden, häufig reicht eine medikamentöse Behandlung der Risikofaktoren. Erst Verengungen von deutlich mehr als 50% des Gefäßquerschnitts sind für die Durchblutung in Ruhe und bei körperlicher Belastung von Bedeutung und sorgen auch für die belastende Brustenge (Angina-Pectoris-Symptomatik). „Die PCI ist heute eine Standardtechnik, mit der die meisten Verengungen der Herzkranzgefäße sicher und zuverlässig behandelt werden können und sich die Beschwerden bessern“, weiß Herzspezialist Hamm auch aus eigener langjähriger Erfahrung. Schwieriger zu belegen ist, dass eine PCI langfristig auch Herzinfarkte verhindert oder zu einem längeren Leben führt. „Die Beseitigung einer Engstelle in einem Herzgefäß durch einen Stent heilt natürlich nicht die KHK, die kann leider im gesamten Gefäßverlauf fortschreiten“, so Prof. Hamm. Grundlage der Therapie nach einer gelungenen Stentbehandlung bleibt es deshalb, die Risikofaktoren – vor allem Rauchen, hohes Cholesterin, hohen Blutdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel – durch einen gesunden Lebensstil und Medikamente zu reduzieren. 

Die gesundheitlichen Gefahren einer PCI sind gering, es kann jedoch zu einem Verschluss des behandelten Gefäßes durch ein Gerinnsel im Stent kommen. Die Gefahr des plötzlichen Gefäßverschlusses durch ein Gerinnsel ist in den ersten vier Wochen nach dem Eingriff am höchsten. Dank der medikamentösen Gerinnungshemmung (beispielsweise ASS und Clopidogrel) ist das allerdings eine seltene Komplikation. 

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Prof. Dr. Torsten Doenst

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Bei einer PCI wird ein Katheter über eine Arterie meistens vom Handgelenk aus, in manchen Fällen auch von der Leiste aus, bis in das verstopfte Herzkranzgefäß geschoben, wo die Engstelle mithilfe eines Ballons geweitet und ein Stent platziert wird, der dann das Gefäß dauerhaft offenhält. Bei den meisten Patienten kommt es nach der PCI zu einer deutlichen Besserung der Angina pectoris-Beschwerden und der Luftnot bei Belastung. Die Dauer einer Herzkatheteruntersuchung, bei der die Engstelle diagnostiziert und die PCI durchgeführt wird, dauert oft weniger als 30 Minuten. Meist kann der Patienten das Herzkatheterlabor kurze Zeit nach dem Eingriff zu Fuß verlassen. 

Der Einsatz eines Stents (PCI) in der KHK- und Herzinfarkt-Therapie ist nicht immer ratsam. Denn in bestimmten Fällen reicht die Kathetertechnik nicht aus, um eine KHK adäquat zu behandeln. „Das liegt daran, dass die meisten Herzinfarkte gar nicht an den hochgradigen Engstellen entstehen, die die Beschwerden auslösen. Oft sind andere Gefäßbereiche mit instabilen Plaques der gefährliche „Hot Spot“ für einen Herzinfarkt. Hier bietet die Bypass-Operation durch die Anlage einer ,Umgehung‘ praktisch aller Eng- und Gefahrenstellen der KHK einen Schutz vor zukünftigen Herzinfarkten“, erklärt der Herzchirurg Prof. Dr. Torsten Doenst vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Studien zeigen, dass Bypass-Operation und Stenttherapie (PCI) unterschiedlich auf Überleben und Langzeitverlauf der Krankheiten wirken. Dabei muss man allerdings zwischen kurzfristigen und langfristigen Ergebnissen unterscheiden. 

Prof. Doenst sieht aufgrund der Langzeitergebnisse die Bypass-Operation vor allem für Patienten mit komplexer koronarer Mehrgefäßerkrankung, mit Verengung des Hauptstamms der linken Herzkranzarterie und bei Diabetespatienten mit Mehrgefäßverengungen (Stenosen) als die Therapie der ersten Wahl. Den Vorteil der Bypass-Operation hierbei erklärt der Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Jena damit, dass ein Stent in der Regel „nur in eine bereits hochgradig verengte Stelle implantiert wird, die den Blutfluss stark behindert. Diese betrifft jedoch lediglich einen kleinen Abschnitt des Gefäßes, das auf ganzer Länge für einen zukünftigen Herzinfarkt ursächlich sein kann“, so Doenst. Andere Plaques, die aufbrechen könnten, würden mit dem Stent nicht behandelt. „Deshalb bietet eine Bypass-Operation – auch wenn sie zunächst belastender für den Patienten ist, den größten Schutz vor Herzinfarkten vor allem dann, wenn besonders viele Plaques im Gefäßsystem vorhanden sind.“ Der Bypass wirke dabei wie eine Umgehungsstraße, die verengte oder verschlossene Stellen in einem Herzkranzgefäß überbrückt und so den Blutfluss wiederherstellt. „Wenn an anderer Stelle im Gefäßsystem später erneut eine Engstelle oder ein Gefäßverschluss entsteht, kann diese Umgehungsstraße weiterhin den Blutfluss sichern und so einen Herzinfarkt verhindern“, erklärt Doenst. Das Auftreten einer Erkrankung, in diesem Fall eines Herzinfarkts, werde von vornherein verhindert. Die medizinischen Leitlinien empfehlen eine Bypass-Operation als Therapie 

  • bei fortgeschrittener KHK und wenn die KHK bereits medikamentös optimal therapiert ist 
  • bei anatomisch komplexer KHK mit Zwei- oder Dreigefäßerkrankung und Diabetes 
  • bei Erkrankung nur eines Blutgefäßes und Vorliegen einer komplexen Schädigung durch Plaques an der Vorderwandarterie 

Patienten mit Diabetes mellitus und/oder einer eingeschränkten Pumpfunktion des Herzens (Herzinsuffizienz) haben den größten Vorteil durch eine Bypass-Operation. 

Eine Bypass-Operation findet unter Vollnarkose statt, meist wird das Brustbein geöffnet. Die Ärzte entnehmen ein gesundes Blutgefäß aus dem eigenen Körper, das als „Bypass“ dient: Es wird so an das Herz genäht, dass das Blut die verengte oder verschlossene Stelle umgehen kann – wie eine Umleitung bei einer Baustelle. Bei einer Bypass-Operation können eine Umgehung oder, wenn nötig, auch mehrere Bypässe eingesetzt werden. Die Operation kann entweder mit oder ohne Herz-Lungen-Maschine (HLM) durchgeführt werden. Die Dauer der körperlichen Einschränkung nach der OP mit vollständiger Brustöffnung dauert meist einige Wochen, hängt aber auch von mehreren Faktoren ab wie Ausgangssituation (Schwere der Erkrankung) und körperlicher Verfassung des Patienten. „Je fitter man vor der Operation ist, desto schneller kommt man in der Regel wieder auf die Beine und desto schneller heilt die Wunde“, bringt es Herzchirurg Prof. Doenst auf den Punkt. 


Quelle: Deutsche Herzstiftung 

25.10.2025

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